Sebastian Barry - Ein verborgenes Leben / The Secret Scripture

  • Roseanne McNulty ist eine der ältesten Bewohnerinnen der "Irrenanstalt" von Roscommon. Wie alt sie genau ist, weiß sie selbst nicht mehr, so ungefähr hundert, schätzt man.


    Warum Roseanne seit Jahrzehnten in dieser Einrichtung ist, weiß man ebenfalls nicht so genau. Dr. William Grene beginnt immer mehr daran zu zweifeln, dass mit der alten Dame etwas nicht stimmt, und stöbert in den Akten von einst, doch die erweisen sich als nicht besonders ergiebig. Offenbar genügte damals das Wort eines Priesters, um jemand einweisen zu lassen, ohne dass noch große Fragen gestellt wurden.


    Was Grene nicht weiß, ist, dass Roseanne selbst begonnen hat, ihre Erinnerungen aufzuzeichnen, Erinnerungen an ihren geliebten Vater und ihre labile Mutter, an die schicksalhaften Jahre des irischen Freiheitskampfes, der auch ihr eigenes Leben unwiderruflich verändert und geprägt hat, und an die musikalischen Brüder McNulty, von denen sie einen, Tom, geheiratet hat.


    Zuallererst fiel mir an diesem Buch die wunderschöne, zart poetische Sprache ins Auge, die selbst in der Übersetzung noch ihre Wirkung zeigt. Sebastian Barry schafft mit teils eher ungewöhnlichen Metaphern eindringliche Bilder und ist ein ausgezeichneter Beobachter des Lebens in all seinen Facetten.


    Er zeigt uns Roseannes Geschichte aus zwei Blickwinkeln - ihrem eigenen und dem von Dr. Grene, der irgendwie fasziniert ist von seiner Patientin und das Gefühl hat, dass man ihr vor all den Jahren schweres Unrecht zugefügt hat. Grene selbst hat auch sein "Päckchen" im Leben zu tragen, zwischen ihm und seiner Frau steht es nicht zum Besten. Ihr scheint es nicht gut zu gehen, es wird aber nicht ausgesprochen, ob sie krank oder depressiv ist oder ob sich die beiden einfach mit zunehmendem Alter auseinandergelebt haben. Seine Verlorenheit wird oft zwischen den Zeilen spürbar.


    Auch Roseanne ist häufig einsam, spätestens nach dem Verlust ihres Vaters hat sie niemanden mehr, dem sie vertraut - und dem sie sich anvertrauen könnte. Dabei hätte sie so jemanden bitter nötig, wird sie doch immer wieder enttäuscht, missverstanden, alleingelassen, gerät immer wieder an verbohrte, verblendete, hartherzige Menschen. Und doch ist die Frau, die hier auf ihr Leben zurückblickt, nicht verbittert, nur vielleicht ein wenig resigniert.


    Was von Roseannes Erinnerungen nun wahr ist und was nicht, bleibt im dunkeln, man kann sich als Leser aussuchen, was man glauben will. Deutlich wird vor allem eins: wie viel Leid und Schmerz die Grabenkämpfe zwischen den Konfessionen und die blinde Ehrfurcht vor der Kirche und ihren Vertretern über viele Menschen gebracht haben und was für schlimme Blüten Intoleranz und Schubladendenken treiben können.


    Dass sich ein paar Entwicklungen ergeben, die vielleicht ein bisschen zu gut ins Bild passen, fand ich hier verzeihlich und habe das Buch trotz des deprimierenden Themas und der vielen Grausamkeiten - vor allem seelischer Natur - gerne gelesen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Anfangs war es einfach "nur" schön durch die wundervolle Sprache und den sympathischen Charakter der alten Dame. Man ist neugierig warum und weshalb...im letzten Drittel wurde es dann richtig spannend und ich habe mitgefiebert und gehofft.

    Man erfährt einiges zu den Umständen des irischen Unabhängigkeitskrieges. Für mich gerade ausreichend, was so politische Dinge angeht. Interessant waren die Erinnerungen von Roseanne und wie sie sich mit allem arrangiert hat.

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Sebastian Barry - Ein verborgenes Leben“ zu „Sebastian Barry - Ein verborgenes Leben / The Secret Scripture“ geändert.