Amélie Nothomb - Der Professor / Les Catilinaires

  • Klappentext:
    Die alten Eheleute Hazel sehnen sich nach einem friedlichen Lebensabend auf dem Land. Als sie ihr kleines Traumhaus beziehen, dürfte ihrem Glück eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Doch dann lernen sie ihren Nachbarn kennen. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zur Autorin:
    Amélie Nothomb, 1967 in Kobe geboren, hat ihre Kindheit und Jugend als Tochter eines belgischen Diplomaten hauptsächlich in Fernost verbracht. Seit ihrer Jugend schreibt sie wie besessen. In Frankreich stürmt sie mit jedem neuen Buch die Bestsellerlisten und erreicht Millionenauflagen. Ihre Romane erscheinen in 39 Sprachen. Für ›Mit Staunen und Zittern‹ erhielt sie den ›Grand Prix de l’Académie française‹. Amélie Nothomb lebt in Paris und Brüssel. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeine Informationen:
    Originaltitel: Les Catalinaires
    Erstmals erschienen 1995 Bei Albin Michel, Paris
    Aus dem Französischen übersetzt von Wolfgang Krege
    Ich-Erzählung aus der Perspektive des pensionierten Altphilogen Émile Hazel.
    196 Seiten


    Inhalt:
    Juliette und Émile kennen und lieben sich seit der Grundschule. Jahrelang haben beide auf diese Zeit gewartet: Allein in ihrem neuerworbenen Häuschen auf dem Land, keine beruflichen Verpflichtungen mehr, keine sozialen Bindungen. Ein Leben ausschließlich füreinander.
    Bis ihr Nachbar zum Kaffee erscheint. Täglich. Er bleibt von vier bis sechs. Außer „Ja“ und „Nein“ redet er nichts. Aber er kommt jeden Tag. Nie bleibt er länger, nie erzählt er etwas. Aber wie wird man den ungebetenen Besuch los, wenn man von Kopf bis Fuß ein höflicher Mensch ist? Juliette und Émile verzweifeln fast und probieren verschiedene Möglichkeiten aus.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    Es hat etwas Komisches und dennoch Verzweifeltes: Der dicke Doktor von nebenan setzt sich ins Wohnzimmer der Hazels, trinkt eine Tasse Kaffee und schweigt. Sämtliche Versuche des Ehepaares, seinen Gast in ein Gespräch zu verwickeln, bleiben erfolglos. All das, was die beiden sich für ihren Lebensabend ausgemalt hatten, scheint zunichte; sie leben mit dem Damoklesschwert „vier Uhr“. Finten und Tricks, auch die Flucht nach vorn nutzen nichts, beide leiden und ihre Beziehung bekommt nach so vielen Jahren die ersten Risse.


    Ein Stalking der besonderen Art bietet das Buch. Die Autorin versteht es hervorragend, den Leser auf die Sichtweise Émiles einzuschwören: Man fühlt mit ihm und kann nachvollziehen, warum er unfähig ist, dem Besucher die Tür zu weisen. Die Beklemmung steigert sich, die Aussichtslosigkeit wächst vor allem, nachdem die beiden Bernadette, die monströse Ehefrau des Doktors, die sich nicht artikulieren kann, kennenlernen. Émile ist von seiner eigenen Feigheit und Höflichkeit angewidert, die ihm im Weg sind, um dem Doktor die Tür zu weisen oder eine Möglichkeit zu finden, ihn loszuwerden.
    Der Person des Doktors steht man ebenso ratlos gegenüber wie der Protagonist. Was will er überhaupt? Geht es um Machtspiele? Um Kontrolle?
    Das Gefühl von Gefahr ist ständig latent und lauernd vorhanden, obwohl der Doktor außer seiner täglichen Tasse Kaffee nichts will, keine Ansprüche oder Forderungen stellt. Dennoch scheint seine schweigende Anwesenheit schlimmer als eine Drohung.
    Dann erlebt die Geschichte eine Wendung.
    Und eine Hinwendung: Juliette beginnt sich mit Bernadette anzufreunden. Und Émile wird klar, unter welchen inneren Zwängen der Doktor steht, um ein solches Leben und eine solche Ehe zu führen und die Belagerung der Nachbarn durchzuhalten. Er fühlt sich berufen, daraus Konsequenzen zu ziehen.


    Am Ende des Buches steht ein alter Mann, der krampfhaft versucht, sein Selbstbild vor sich selbst aufrecht zu erhalten, obwohl er weiß, dass er es längst zerstört hat, und eine alte Frau, die einen Traum aufgegeben, aber eine Aufgabe bekommen hat.


    Fazit:
    Ein böser ironischer Roman mit starker Sogkraft.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe das Buch anlässlich der Monats-Challenge ebenfalls gerade gelesen und schließe mich Maries positiver Bewertung an. Die Sogkraft war von der ersten Seite an da, man spürte: Das kann unmöglich gut enden mit dem braven Ehepaar Hazel und ihrer selbstgewählten Idylle. Der Roman war gleich zu Beginn des neuen Jahres ein echter Glücksgriff aus den Tiefen meines SuBs und hat mich neugierig gemacht auf weitere Bücher der Autorin. :thumleft:

    :montag: Judith Hermann - Daheim


    "Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam."
    (Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen)


  • Es ist das erste Mal, daß ich ein Buch von Amélie Nothomb gelesen habe. Mir hat es sehr gut gefallen. Der reine Terror mit dem Nachbarn. Die Eheleute Hazel hätten den Spieß umdrehen können.

    Die Beschreibung der Ehefrau des Arztes fand ich ein wenig überzogen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Für den "Professor".

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Amélie Nothomb - Der Professor“ zu „Amélie Nothomb - Der Professor / Les Catilinaires“ geändert.