Timur Vermes - Er ist wieder da

  • Eigentlich, wenn man es so recht bedenkt, geniale Idee, seltsam, dass noch kein anderer auf diese Idee gekommen ist.

    Doch einer schon, aber nicht als Roman. :wink:

    Wenn die Macht der Liebe die Liebe zur Macht überwindet, erst dann wird es Frieden geben.
    Jimi Hendrix

  • Die"Hart aber fair" - Sendung habe ich mir heute auch endlich mal angeschaut und fand die Diskussion sehr aufschlussreich. Auch wenn ich es schade fand, dass Timur Vermes nicht anwesend war. Jedenfalls danke Seta für den Link :D


    Dann noch zur momentanen Diskussion:
    Erstens halte ich es für sehr schwierig, über etwas zu urteilen, worüber man nur durch Dritte gehört hat. Zu einer differenzierten Meinung kann man so wohl nicht kommen - weder im positiven noch im negativen Sinn.
    Zweitens kann ich natürlich generell verstehen, wieso manche das Buch gar nicht erst lesen möchten. Und es wäre eine endlose Grundsatzdiskussion, sich gegenseitig belehren zu wollen. Trotzdem fühle ich mich (wie Lighty, deren Aussagen ich auch absolut unterschreibe) irgendwie dazu verpflichtet, mich für meine positive Meinung zu dem Buch zu rechtfertigen; liegt wahrscheinlich auch wieder an dem Thema.
    Was mir nämlich auffällt ist die Vermischung von zwei verschiedenen Ebenen. Es gab den realen Hitler und es gibt in diesem Buch den literarischen Hitler. Wenn hier jemand schreibt, dass die Figur sympatisch dargestellt ist, dann bezieht sich das ausschließlich auf diese literarische Person. Kein Mensch will den Völkermord und den Krieg und all die schrecklichen Dinge, die damals passiert sind, banalisieren. Meiner Ansicht nach ist das auch nicht die Intention dieses Buches. Im Gegenteil. Eine der Textstellen, die auch bei "Hart aber fair" eingeblendet war, zeigt doch ziemlich gut, wie die Satire arbeitet: sie stellt Teile der NS-Ideologie in direkten Zusammenhang mit so etwas banalem wie einem Laubbläser. Allein diese Absurdität zieht die Ideologie total ins Lächerliche und nimmt ihr dadurch Entfaltungsmöglichkeit.
    Dass jemand nicht über Hitler lachen kann, wenn seine Eltern in den KZ's gestorben sind, ist mir klar. Fakt ist aber nunmal auch, dass es mittlerweile kaum noch Zeitzeugen gibt und meiner Meinung nach ist es Teil des gesamtgesellschaftlichen Verarbeitungsprozesses, bei diesem Thema einen Schritt von der emotionalen Schiene herunterzukommen. Und das hat auch nichts mit Respektlosigkeit den Opfern gegenüber zu tun. Wie schon gesagt, die NS-Zeit war abscheulich und wenn ich Bilder von KZ's sehe, kriege ich jedes Mal eine Gänsehaut. Aber ich finde es langsam einfach müßig, immer mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase rumgewedelt zu bekommen. Bei Themen, die einfach so abstrakt sind - und das ist die NS-Zeit für mich einfach nunmal - sollte man auch die gewisse Distanz haben, um von Außen daraufschauen zu können. Dann funktioniert die Aufarbeitung. Und damit funktioniert die Satire.


    Um nochmal auf das Buch zurückzukommen: in keiner einzigen Rezension steht etwas davon, dass der historische Hitler doch nicht so schlimm war. Das sind höchstens Gedanken, die NPD-Mitglieder in das Buch hineininterpretieren würden, die am Ziel aber genauso vorbeischießen wie die konsequente Verteufelung. Man muss die verschiedenen Ebenen einfach gesondert betrachten und dann auch nochmal im Zusammenhang. Deshalb fordert es wirklich aufgeklärte und zu kritischem Denken fähige Leser. Die Frage zum Beispiel, warum in den Medien und im öffentlichen Diskurs allgemein die Taten der NS-Zeit so auf Hitler projeziert werden, klärt das Buch für mich zum Beispiel auch. Denn er war schließlich bei weitem nicht alleine, sondern hatte eine unglaubliche Masse hinter sich, die ihn nicht nur unterstützt, sondern auch gefeiert hat. Oder wie die Medien (Vermes als Mann vom Fach wird es wissen) auch heute noch manipuliert werden - das ist auch ein großes Thema. Wer dieses Buch auf seine provokante Darstellung der Figur Hitler reduziert, kann die konzentriert angebrachte Gesellschaftskritik darin kaum erkennen.


    Dass die Rezensenten alles über "Stromberg aus Switch", "Method Acting","Comedians" und "Shows " wissen, aber offensichtlich nicht mehr über Hitler als in 30 Zeilen Brockhaus steht.

    Dieser Satz lies ehrlich gesagt mich ein wenig nach Luft schnappen. Du kannst das Buch gerne schlecht finden, aber diese Abwertung der Rezensionen und der Rezensenten ist doch hier wirklich unangemessen. Und ich kann mich Lighty nur anschließen: ich glaube, dass jeder, der hier eine Rezi zu dem Buch geschrieben hat, sich durchaus (auch schon vor der Lektüre) mit der NS-Geschichte auseinandergesetzt hat.

  • Es geht in diesem Buch definitiv nicht darum, Dinge zu verharmlosen. Ebenso wenig geht es darum, Geschichte zu vermitteln. Auch soll hier nicht (wie es in der äußerst interessanten Hart aber Fair Sendung anklang) mit dem Schrecken Kasse gemacht werden.
    Meiner Ansicht nach geht es darum, mit sehr scharfen satirischem Biss die aktuelle Medienlandschaft sowie eine Gesellschaft von RTL-und-Konsorten-geschädigten bzw. -gebildeten Menschen zu karikieren.
    Jedem sei es überlassen, dieses Buch zu lesen, ich kann, wie ich in meinem Leseeindruck bereits beschrieben, sehr gut verstehen, wenn Menschen es aus einer wie auch immer gearteten Befindlichkeit weigern, dieses Buch zu lesen - sei es aus persönlichen, biografischen Gründen oder auch nur aus dem Vorbehalt "über Hitler kann ich nicht lachen".
    Ich glaube ebenso, dass zu einer "Vergangenheitsbewältigung" auch ein Abschluss gehört: Wieviele Generationen sollen sich denn noch schuldig fühlen, weil ihre Vorfahren das NS-Regime gewählt, gebilligt, sogar unterstützt haben ? Warum sollen die Menschen, die längst Enkel und Urenkel der Kriegsgeneration sind, nicht sagen können, was sie denken, bzw. über Dinge lachen, über die im Ausland längst gelacht wird.
    Bitte, bitte nicht falsch verstehen, ich rede nicht davon, dass man die Geschichte vergessen oder ignorieren sollte - selbstverständlich sollte jeder über die Verbrechen und Unmenschlichkeiten, die in der Zeit von 1933 bis 1945 in Deutschland passiert sind Bescheid wissen und daraus lernen: Wie konnte es dazu kommen, was muß ich, was müssen wir tun, damit es nie wieder dazu kommen kann ? Aber schuldig fühlen ? Ich glaube, dass muss in der heutigen Generation niemand mehr.

    Dass die Rezensenten alles über "Stromberg aus Switch", "Method Acting","Comedians" und "Shows " wissen, aber offensichtlich nicht mehr über Hitler als in 30 Zeilen Brockhaus steht.

    Und genau bis zu diesem Kommentar, hätte ich deinen Post Flordemaria genauso respektiert, wie alle anderen Meinungen zum Thema. Mit diesem Absatz hatte ich meine Schwierigkeiten ... wie kommst du dazu, über andere Menschen, die du nicht kennst so zu urteilen ? An diesem Punkt gehst du deutlich zu weit und wirst unfair. Schade.

    "Imagination, rather than mere intelligence, is the truly human quality."


    "Chaos is found in greatest abundance wherever order is being sought. It always defeats order, because it is better organized."

    Terry Pratchett

    "The person, be it gentleman or lady, who has not pleasure in a good novel, must be intolerably stupid."

    Jane Austen


    :study:

    Alex Haley - Roots

    Andrew Jefford - Whisky Island

    Randale Munroe - What if 2


    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5:

  • Erstens halte ich es für sehr schwierig, über etwas zu urteilen, worüber man nur durch Dritte gehört hat. Zu einer differenzierten Meinung kann man so wohl nicht kommen - weder im positiven noch im negativen Sinn.


    Ich habe genug Abschnitte aus dem Buch gehört, um mir darüber eine Meinung zu bilden. :wink:

    Aber ich finde es langsam einfach müßig, immer mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase rumgewedelt zu bekommen. Bei Themen, die einfach so abstrakt sind - und das ist die NS-Zeit für mich einfach nunmal - sollte man auch die gewisse Distanz haben, um von Außen daraufschauen zu können.


    Da finde ich, liegt das Problem. Die sechs Millionen Menschen, die durch Hitler den Tod gefunden haben, sind eben nicht abstrakt. In Yad Vashem werden Namen der Opfer verlesen - es sind auch viele dabei, die meinen eigenen Namen tragen. Ein Verbrechen wie dieses darf nie in Vergessenheit geraten oder als abstrakt bezeichnet werden - vor allem nicht, da der Rechtsextremismus seitdem nie aufgehört hat. In Deutschland wie anderswo.

    Deshalb fordert es wirklich aufgeklärte und zu kritischem Denken fähige Leser.


    Ich denke, dass aus den Renzensionen auch hervorgeht, dass das Buch mit Vorsicht zu genießen ist, aber einige Äußerungen haben mich schon erschreckt. Denn genau so haben sich die Leute nach dem Krieg entschuldigt, die "von nichts wussten" (Aber er hat ja auch Gutes bewirkt). Wenn das vernünftige Menschen dazu bringt, dann frage ich mich, wie lange es noch dauert, bis die Rechtsradikalen "Er ist wieder da" als ihre Bibel betrachten.


    Ich hätte mir da vom Autor wenigstens noch ein klärendes Nachwort gewünscht.

  • Es ist besonders ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die durch Hitler nicht nur ihr Leben und ihre Heimat, sondern auch Familie und Freunde verloren haben - auch wenn es schon lange her ist: damit ist nicht nur das kulturelle Leben verarmt, sondern viele Menschen auf immer traumatisiert. So etwas verharmlost man nicht.

    Ich wohne in der Nähe eines ehemaligen Lagers, mittlerweile Dokumentationszentrum. In unserer ganzen Gegend gibt es noch Zeichen von den Taten, sei es der ehemalige Steinbruch oder auch das Zentrum mit den Krieggsgräbern ect. Wir setzen uns täglich mit dem Thema auseinander und sehen das ehemalige Lager täglich vor der Haustür. Vorgestern sind noch viele Hinterbliebene hingepilgert.
    Das hatte ich auch im Hintergrund beim lesen.
    Man kann es nicht verharmlosen wenn man 500 m von einem Steinbruch wohnt den die Gefangenen abgetragen haben.

    So etwas verharmlost man nicht. Ich finde es echt gefährlich, wenn man sich beim Lesen denkt: "Hm, ganz so schlimm war er vielleicht doch nicht" oder "Hat ja schon recht, irgendwie." E

    Ich glaube nicht das jemand es beim Lesen verharmlost. Das Buch stellt die Karikatur der heutigen Gesellschaft da. Dies macht aber aber der Autor und nicht Hitler.
    Was mich doch etwas nachdenklich machte sind die vielen 5 Sterne Meinungen. Im Gegensatz zu anderen Meinungen bei anderen Büchern sind auch die Meinungen bei Amazon meist detailliert, aber ich verstehe nicht das man dem Buch 5 Sterne vergeben kann. Ich gehe mal davon aus das jeder Leser sich mal mit dem Thema Nationalsozialismus und Hitler auseinander gesetzt hat. Aber ich habe bei manchen irgendwie nicht das Gefühl.Ich kann nicht schreiben das ich ich das Thema Hitler nicht verharmlose aber dann dieses Buch hochloben. Das ich die Hauptfigur sympatisch fand. Ich glaub jeder der schreibt das er Hitler im Buch nett fand hat sich keine Gedanken gemacht. Das Buch ist für mich keine Satire, auch mag ich die Satire über Hitler im Titanicmagazin nicht.
    Denn ehrlich gesagt das Buch als Buch ohne die Figur Hitler betrachtet ist niemals vom Schreibstil, vom Erzählen her 5 Sterne wert.




    Aber dieses Buch verharmlost in meinen Augen diese Taten nicht oder demütigt die Opfer des Nationalsozialismus
    oder fordert gar auf, über diese Ereignisse zu lachen. Es stellt Hitler in die Mitte des Geschehens, ja, aber das im Grunde nur,
    um damit unsere oft so absurde Gesellschaft zu karikieren. Und genau diese Stellen über unsere Gesellschaft waren es auch, die
    mich zum Lachen gebracht haben. Keine Sekunde habe ich über die NS-Zeit gelacht.

    Das Buch geht wenig bis gar nicht auf die Taten ein. Wenn man es so nimmt kann man schnell Hitler durch Herr. XYZ austauschen. Das Thema Juden wird zwar erwähnt, aber nicht wirklich ausgesprochen. Es verharmlost nichts aber es wird auch nicht darauf eingegangen finde ich und das ist auch gut so. Man lacht nicht über die Ereignisse sondern über Beschreibungen der heutigen Gesellschaft über die Fremdheit des Hauptprotagonisten ( Hitler) in der heutigen Welt.
    Mir ging es ja so das ich die Stellen wo Hitler sich seine Gedanken machte ( das ging Seitenlang so) oder auch die Fernsehreden für mich schwer lesbar waren. Er bringt darin Hitler sehr authentisch rüber und damit hatte ich meine Probleme. Ich kann darüber nicht lachen.


    Im Gegenteil, wenn dieses Thema explizit zur Sprache kam, wurde ich immer wieder extrem nachdenklich. Dazu ist das Buch nämlich
    auch da aus meiner Sicht: Um an diese Ereignisse zu erinnern, um an die Person Hitler in ihrer Kaltblütigkeit zu erinnern, damit so
    etwas wie vor 80 Jahren nie wieder geschieht.

    Achja, und ich will nur noch anmerken, dass ich (und so wie ich das einschätze auch die anderen Rezensenten hier) die komplette NS-Geschichte von Anfang der 30er Jahre bis zum Ende des 2.Weltkrieges äußerst genau kenne und damit eindeutig mehr weiß
    "als in 30 Zeilen Brockhaus steht".

    Gut aber weiß jeder Leser mehr als er mal in der Schule durch genommen hat oder die 30 Zeilen aus dem Brockhaus. ich habe viele gute Dokus darüber gesehen. Und kenne mich damit aus. Und vielleicht genau deshalb hatte ich meine Schwierigkeiten mit dem Buch.
    Natürlich macht es nachdenklich, ich glaube jeder Leser hat sich darüber Gedanken gemacht. Ich kann mir jetzt nicht Vorstellen das jemand ohne Vorurteile an das Buch gegangen ist und sich keine Gedanken darum gemacht hat. Man kann es nicht verharmlosen. Auch in der heutigen Zeit hat Deutschland noch den Hitlerruf und den Naziruf, man nehme Frau Merkel in Griechenland. Das Thema ist noch immer gegenwärtig. Macht man dies mit den Amis und ihren Gräueltaten? Nö.


    Was mir am schwersten Aufgestoßen ist, wäre dieses Buch real, also Hitler in der heutigen Zeit nochmal ,von mir aus auch als Comedian, er hätte seine Anhänger und ich glaube nicht das diese aus der Npd kämen. Dies wird einem im Buch vermittelt und wenn man sich seine Gedanken darum macht kommt man schnell zu dem Schluß das er auch heute trotz der Gräeueltaten durch seine Medienpräsenz die er damals schon hatte wieder Anhänger finden würde. Und das mir das Buch dies auch vermittelt finde ich bedenklich.
    Ich streite jetzt auch nicht vehement ab das Hitler im Buch nicht verharmlost wird, ich glaube es liegt am Leser selbst wie er damit umgeht in wie weit er sich vorher mit dem Thema auseinander gesetzt hat.

  • wie lange es noch dauert, bis die Rechtsradikalen "Er ist wieder da" als ihre Bibel betrachten.


    Diese Gefahr sehe ich allerdings auch. Und hier hat der Autor eine große Verantwortung übernommen, in dem er ein Buch trotz dieser offensichtlichen Gefahr des Misbrauchs veröffentlicht hat. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass Herr Vermes sich dessen durchaus bewußt ist. Und sollte man wirklich ein Buch verurteilen, weil es durch die Nazis misbraucht werden kann ?
    Dann dürfte man auch nicht mehr ins Fußballstadion gehen, weil einige Ultra-Vereinigungen durchaus auch mit rechtsradikalem Gedankengut durchsetzt sind.

    Was mir am schwersten Aufgestoßen ist, wäre dieses Buch real, also Hitler in der heutigen Zeit nochmal ,von mir aus auch als Comedian, er hätte seine Anhänger und ich glaube nicht das diese aus der Npd kämen. Dies wird einem im Buch vermittelt und wenn man sich seine Gedanken darum macht kommt man schnell zu dem Schluß das er auch heute trotz der Gräeueltaten durch seine Medienpräsenz die er damals schon hatte wieder Anhänger finden würde. Und das mir das Buch dies auch vermittelt finde ich bedenklich.

    Auch diesem Gesichtspunkt kann ich zustimmen. Aber bedenklich finde ich die Tatsache an sich und nicht, dass das Buch darauf hinweist. Das sehe ich eher als einen Zweck, den es erreicht - der Apell "Leute, wenn wieder jemand mit einer großen Medienpräsenz versucht, euch Sand in die Augen zu streuen und eure Stimme zu bekommen: Lasst euch nicht blenden, seid reflektiert und informiert euch."
    Um Steinbrücks Wahrheit auch hier zu verwenden: Wären sich mehr Italiener dieser Gefahr bewußt gewesen, hätten die zwei Clowns in Italien nicht die Wahl für sich entschieden. :wink: (Wohlgemerkt: Ich möchte hier weder Berlusconi noch Grillo mit Hitler vergleichen, einzig die Medienwirksamkeit dieser beiden Personen einerseits und die Politikverdrossenheit vieler Italiener andererseits konnten die beiden gut für sich nutzen - und da sind Paralellen zur Machtergreifung der Nazis 1933 und Folgejahre deutlich vorhanden.)


    aber ich verstehe nicht das man dem Buch 5 Sterne vergeben kann.

    Der Versuch einer Erklärung: (ich habe zwar nur 4,5 Sterne vergeben aber vielleicht geht es ja anderen ähnlich)
    Wenn ich ein Buch gerne gelesen habe, es mich zum Nachdenken, Schmunzeln, Mitfiebern gebracht hat, wenn ich zudem die Idee gut durchdacht und ebenso gut umgesetzt finde, wenn mich dann noch eine wie auch immer geartete Moral überzeugt (s.o.) und ich finde, das Buch ist eine runde Sache: Dann bewerte ich es gut. :wink:
    Literarisch mag es nicht mit Klassikern mithalten können, von der Spannung her kommt es meinetwegen nicht an Thriller heran, aber mein Lesegeschmack hat einfach viele Facetten und daher kann ich guten Gewissens auch einem umstrittenen Werk 4,5 Sterne geben.

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    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5:

  • Dann dürfte man auch nicht mehr ins Fußballstadion gehen, weil einige Ultra-Vereinigungen durchaus auch mit rechtsradikalem Gedankengut durchsetzt sind.

    Auch wenn es Off-Topic ist, kann ich das nicht so stehenlassen weil das nur eine Randerscheinung und keineswegs an der Tagesordnung ist, z.B. bei einer Gruppe in Aachen oder wenigen im Osten Deutschlands. Gerade bei so gut wie allen Ultragruppen ist die politische Gesinnung meist sehr weit links einzuordnen und durch das Aufkommen der Ultra-Bewegung in Deutschland um die Jahrtausendwende wurden die bis dahin noch dominiernden, oft sehr weit rechts stehenden Hooligans aus den Stadien gedrängt.

    :study: Matthias Bogner / Kevin Zindler - Die besten Horrorfilme des 21. Jahrhunderts

    :study: SUB: 330

  • Ich habe auch das Buch schon mehrmals in der Hand gehabt, und mehr gelesen als ich ursprünglich wollte. Ja es hat einen bestimmten Sog. Ich habe mich bewußt dagegen entschieden.
    Ein verdammt heikles Thema und ich habe inzwischen erlebt, dass die Leser untereinander nicht mal neutral diskutieren können. Ohne Beleidigungen geht es scheinbar nicht. Nur eine Satire? Nein ich fühle keine Schuld als Person, war ja vor meiner Zeit, aber eine Schuld als Land. Es ist lange vorüber? Stimmt nicht, wir verarbeiten und zahlen immer noch. Ich kann das Buch somit nicht unbeschwert lesen, bin beeinflusst ohne es sein zu wollen.
    Das Thema erfordert eh schon viel Sensibilität, ich glaube nicht, dass wir für eine, noch dazu überzogene, Satire reif sind. Schnell wird irgendetwas falsch interpretiert, macht seine Kreise, wird womöglich als Aufhänger Rechtsextremer benutzt. Geschichtliche Vorkenntnisse haben die meisten, aber reicht das?
    Und alle Naiven glauben, ein "neuer" Hitler könne nicht mehr geschehen. Wirklich? Solange es allen einigermaßen gut geht, vielleicht. Aber wehe wir kämen in ähnliche Verhältnisse wie damals. Würde nicht mancher einem "starken" Mann entgegenfiebern?
    Und jetzt soll ich so tun als wäre dies ein ganz normales Buch, das man rezensiert und sogar noch bewertet. Im Internet, wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden kann, verdreht, falsch verstanden.
    Und jetzt komme mir niemand mit Meinungsfreiheit, Pressefreiheit. Es gibt auch die Eigenverantwortung. Mir ist bei dem Buch extrem unwohl.
    Wir haben alle geschworen, dass solche Gräueltaten nie wieder geschehen dürfen. Alles hat einmal einen Anfang, und sei es nur ein Funke falsch verstandenes, das sich durch die Hintertür einer Satire ins Bewußtsein geschlichen hat. Da bleibt mir das Lachen im Halse stecken.
    Das ist kein Spiel!

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • z.B. bei einer Gruppe in Aachen


    Kapo: Das kann ich jetzt meinerseits nicht so stehen lassen :wink: :friends: : Ich wollte auf gar keinen Fall irgendwelchen Ultragruppen etwas unterstellen (ich komme aus der Nähe von Aachen, vielleicht fielen mir deshalb die Ultras sofort als Beispiel ein) - ich wollte damit nur deutlich machen, dass man etwas Gutes, was aus ideologischen Gründen misbraucht wird, nicht verallgemeinernd ebenso wie dieses ideologischen Gründe verteufeln darf.
    Ich habe nichts gegen Ultras und hatte es nur als Beispiel gewählt, gerade weil sich daran eben die Minderheit deutlich machen läßt, die positive Dinge (Fan Kultur, vernünftige Fan-Arbeit, tolle und atmoshärische Stadionchoreographien etc.) in Verruf bringen.

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    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5:


  • Kapo: Das kann ich jetzt meinerseits nicht so stehen lassen :wink: :friends: : Ich wollte auf gar keinen Fall irgendwelchen Ultragruppen etwas unterstellen (ich komme aus der Nähe von Aachen, vielleicht fielen mir deshalb die Ultras sofort als Beispiel ein) - ich wollte damit nur deutlich machen, dass man etwas Gutes, was aus ideologischen Gründen misbraucht wird, nicht verallgemeinernd ebenso wie dieses ideologischen Gründe verteufeln darf.
    Ich habe nichts gegen Ultras und hatte es nur als Beispiel gewählt, gerade weil sich daran eben die Minderheit deutlich machen läßt, die positive Dinge (Fan Kultur, vernünftige Fan-Arbeit, tolle und atmoshärische Stadionchoreographien etc.) in Verruf bringen.

    Alles klar. Nun sind wir auf einer Wellenlänger. :friends:

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  • Ne. sorry, aber es gibt gewisse Grenzen an Pietät die man schlichtweg wahren sollte. Aber heutzutage muss eben alles den "Comedy"-Touch bekommen, keine Ahnung warum das so ist. :-?

    Bravo! Genau das ist der Punkt. Alles, was Quote und Umsatz bringt, ist heute erlaubt. Auch die Darstellung des abscheulichsten Verbrechers aller Zeiten als Figur, in die man "sich hineinversetzen kann". Die Realität findet jetzt statt in Unverbindlichkeiten wie Facebook, Twitter, Comedy und Wii und gibt uns allen auch das Gefühl, das Grauen sei "mittlerweile doch ganz schön lange her". Wichtig sind jetzt andere Dinge.
    Mag sein, dass ich einige Rezensenten zu Unrecht verdächtigt habe, über Hitler nur 30 Zeilen Brockhaus zu kennen, aber trotzdem treibt mir die Life-2.0-Leichtigkeit, mit der hier das Buch rezitiert wurde, schauer über den Rücken. Und Gottseidank bin ich nicht alleine!


    Und noch was: wenn das Buch als Satire bezeichnet wird, sehe ich vor meinem geistigen Auge wie sich Kurt Tucholsky stöhnend im Grab rumdreht.

    Los Principios y las Revoluciónes se mueren en los Pantalones

  • Flordemaria
    Da magst du sogar recht haben. :lol:
    Aber ich benutze doch lieber das etwas fehl geleitete Wort, als das was ich wirklich denke. :wink:

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Und noch was: wenn das Buch als Satire bezeichnet wird, sehe ich vor meinem geistigen Auge wie sich Kurt Tucholsky stöhnend im Grab rumdreht.


    Und zwar mit den Worten:


    Zitat

    Zitat(e) von >> Kurt Tucholsky <<
    "Wenn einer bei uns einen guten Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel."
    "Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden."
    "Der deutsch Satiriker tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf Dauer etwas ermüdend." und
    "Was darf die Satire ? Alles !"

    :wink: Ich wollte nicht den gesamten Artikel kopieren ... in Beitrag 14 dieses Threads steht der Link dorthin.

    "Imagination, rather than mere intelligence, is the truly human quality."


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    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5:

  • Zitat von »Caracolita«
    Aber ich finde es langsam einfach müßig, immer mit dem erhobenen Zeigefinger vor der Nase rumgewedelt zu bekommen. Bei Themen, die einfach so abstrakt sind - und das ist die NS-Zeit für mich einfach nunmal - sollte man auch die gewisse Distanz haben, um von Außen daraufschauen zu können.



    Da finde ich, liegt das Problem. Die sechs Millionen Menschen, die durch Hitler den Tod gefunden haben, sind eben nicht abstrakt. In Yad Vashem werden Namen der Opfer verlesen - es sind auch viele dabei, die meinen eigenen Namen tragen. Ein Verbrechen wie dieses darf nie in Vergessenheit geraten oder als abstrakt bezeichnet werden - vor allem nicht, da der Rechtsextremismus seitdem nie aufgehört hat. In Deutschland wie anderswo.


    Yad Vashem habe ich leider noch nicht besucht, aber schon von einigen Leuten aus meinem Bekanntenkreis davon gehört. Klar, wenn man in so eine Atmosphäre eintaucht, ist die ganze Geschichte viel näher an einem dran. Das würde mir sicher auch so gehen. Aber wenn wir vom alltäglichen Leben sprechen, bin ich doch froh, das nicht die ganze Zeit mit mir rumschleppen zu müssen. So läuft das mit der Vergangenheit nunmal. Sie wird mit jeder neuen Generation abstrakter. Das bedeutet nicht, dass sie in Vergessenheit gerät und aktuelle Probleme mit dem Rechtsextremismus ausgeblendet werden. Es bedeutet einfach, dass man vielleicht objektiver damit umgehen kann. Keiner kann erwarten, dass sich Menschen, deren Eltern schon weit in den 50ern geboren wurden, so stark emotional mit der Zeit identifizieren, wie noch deren Großeltern etwa. Wie soll das auch gehen? 6 Millionen tote Menschen - das ist so eine enorme Zahl, dass sie zwangsläufig abstrakt wird. Abstrakt bedeutet aber nicht unwichtig oder sogar vergessen. Und dazu trägt auch das Buch bei: es spaltet die Leser (oder eben Nicht-Leser) und führt zu Diskussionen und bringt vielleicht den ein oder andern dazu, sich nochmal mit der Geschichte auseinanderzusetzten.




    Wenn das vernünftige Menschen dazu bringt, dann frage ich mich, wie lange es noch dauert, bis die Rechtsradikalen "Er ist wieder da" als ihre Bibel betrachten.

    Das sehe ich ähnlich wie Mojoh. Aber (und ich nehme an, das ist ein Grund für die Aversion gegen Nazi-Satire) das ist das Risiko bei jeder Art von Satire. Dass die überspitzten Aussagen wörtlich verstanden werden können, ist klar. Vermes betont auch in einem Interview, dass er dem Leser keine Moral in dem Buch vermittelt, sondern sich darum jeder selbst kümmern muss. Selbstständiges Denken ist bei Satire nunmal von Vorteil. Und auch genau damit spielt das Buch; indem unter dem Schein der Satire der "echte" Hitler erfolgreich ist, kritisiert Vermes gleichzeitig sein eigenes Genre.
    Literarisch gesehen halte ich das Buch also für durchaus recht komplex, vor allem weil vieles erst beim wiederholten Nachdenken klar wird. Das erklärt auch meine Bewertung, die sich zwar auch "nur" auf 4 Sterne beläuft, aber dennoch überdurchschnittlich gut ist.




    Das Thema erfordert eh schon viel Sensibilität, ich glaube nicht, dass wir für eine, noch dazu überzogene, Satire reif sind.

    Ich finde diese Satire ist sehr schlau platziert. Die Frage ist dann doch: wann sollen "wir" denn bereit sein, mit einer Vergangenheit klarzukommen, auf die die allermeisten von uns keinen Einfluss hatten? Die Lächerlichkeit der Ideologie herauszustellen, wegen der all das passiert ist, nimmt ihr die Grundlage, jetzt ernst genommen zu werden (schwarze Schafe gibt es natürlich immer). Die Verantwortung dafür, dass ähnliches nicht mehr passiert, will ich gar nicht von mir weisen. Die trägt jeder Mensch in jeder Nation. Und ich finde, das Buch trägt in diesem Punkt zur Sensibilisierung bei, eben gerad weil:

    Dies wird einem im Buch vermittelt und wenn man sich seine Gedanken darum macht kommt man schnell zu dem Schluß das er auch heute trotz der Gräeueltaten durch seine Medienpräsenz die er damals schon hatte wieder Anhänger finden würde.

    Bedenklich find ich deshalb auch nicht das Buch, sondern die Realität, in der das tatsächlich möglich scheint.


  • Und genau bis zu diesem Kommentar, hätte ich deinen Post Flordemaria genauso respektiert, wie alle anderen Meinungen zum Thema. Mit diesem Absatz hatte ich meine Schwierigkeiten ... wie kommst du dazu, über andere Menschen, die du nicht kennst so zu urteilen ? An diesem Punkt gehst du deutlich zu weit und wirst unfair. Schade.

    Ihr habt ja Recht. Da bin ich etwas zu weit gegangen.
    Ich habe mich heftig aufgeregt über die Lässigkeit, die aus den Antworten klang. Aber vielleicht ist das die "moderne" Art, mit dem Thema umzugehen: es lässig zu kommentieren und dennoch sehr ernst zu nehmen. Bitte entschuldigt. Wollte nicht unfair sein.

  • Bedenklich find ich deshalb auch nicht das Buch, sondern die Realität, in der das tatsächlich möglich scheint.


    Eine sehr wichtige Erkenntnis zu der hoffentlich noch viele gelangen,macht aber das Buch nicht besser.

    Die Frage ist dann doch: wann sollen "wir" denn bereit sein, mit einer Vergangenheit klarzukommen, auf die die allermeisten von uns keinen Einfluss hatten?


    Reif sind wir dann, wenn wir die Gefahr einer Wiederholung endlich gebannt haben, Aufstehen, wenn sich Rechtsextremismus einschleicht. Und wenn man nüchtern und sachlich darüber diskutieren kann, was immer noch nicht der Fall ist.

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Da finde ich, liegt das Problem. Die sechs Millionen Menschen, die durch Hitler den Tod gefunden haben, sind eben nicht abstrakt. In Yad Vashem werden Namen der Opfer verlesen - es sind auch viele dabei, die meinen eigenen Namen tragen. Ein Verbrechen wie dieses darf nie in Vergessenheit geraten oder als abstrakt bezeichnet werden - vor allem nicht, da der Rechtsextremismus seitdem nie aufgehört hat. In Deutschland wie anderswo.

    Ich finde, die NS-Zeit und ihre Opfer sind ganz sicher nicht in Vergessenheit geraten, besonders oder vor allem eben in Deutschland
    nicht. Ich wohne in der Nähe eines Dokumentationszentrum, mein Großvater war im 2.Weltkrieg und ich habe auch schon ein
    früheres Konzentrationslager besucht. Ich habe die Millionengräber und die Verbrennungsöfen gesehen und für mich ist diese Zeit daher
    ganz und gar nicht abstrakt. Dennoch habe ich dieses Buch gelesen und beurteile es nicht als schlecht. Es verharmlost diese Zeit und
    Hitler ganz und gar nicht. Aus meiner Sicht ist es gut, dass diese Zeit eben nicht tot geschwiegen wird und dieses Buch hat
    sicherlich einen Teil dazu beigetragen, dass auch in der Gegenwart die Taten der Nazis nie vergessen werden.

    Das Buch geht wenig bis gar nicht auf die Taten ein. Wenn man es so nimmt kann man schnell Hitler durch Herr. XYZ austauschen. Das Thema Juden wird zwar erwähnt, aber nicht wirklich ausgesprochen. Es verharmlost nichts aber es wird auch nicht darauf eingegangen finde ich und das ist auch gut so. Man lacht nicht über die Ereignisse sondern über Beschreibungen der heutigen Gesellschaft über die Fremdheit des Hauptprotagonisten ( Hitler) in der heutigen Welt.
    Mir ging es ja so das ich die Stellen wo Hitler sich seine Gedanken machte ( das ging Seitenlang so) oder auch die Fernsehreden für mich schwer lesbar waren. Er bringt darin Hitler sehr authentisch rüber und damit hatte ich meine Probleme. Ich kann darüber nicht lachen.

    Natürlich bringt er Hitler durchaus authentisch rüber und das hat mich auch befremdet. Aber dennoch habe ich an einigen Stellen
    über "seine" Gedanken gelacht, weil sie eben unsere Gesellschaft so gut karikiert haben. Dabei habe ich mich aber nicht über
    Hitler amüsiert, sondern über unsere Mediengesellschaft, die teilweise zwar überspitzt, aber größtenteils trotzdem im genau richtigen
    Licht dargestellt wurde. Und ich persönlich finde, dass Hitler in dem Buch permanent ein Stück Witzfigur ist. Vielleicht um eben
    die Absurdität, die dieser einstige Diktator an sich hatte, zu zeigen. Um zu zeigen, von was für einer Person wir das Land in den
    Abgrund treiben ließen. Damit man das nicht vergisst und so jemand eben nie wieder an die Macht kommt.

    Was mir am schwersten Aufgestoßen ist, wäre dieses Buch real, also Hitler in der heutigen Zeit nochmal ,von mir aus auch als Comedian, er hätte seine Anhänger und ich glaube nicht das diese aus der Npd kämen. Dies wird einem im Buch vermittelt und wenn man sich seine Gedanken darum macht kommt man schnell zu dem Schluß das er auch heute trotz der Gräeueltaten durch seine Medienpräsenz die er damals schon hatte wieder Anhänger finden würde. Und das mir das Buch dies auch vermittelt finde ich bedenklich.

    Das ist mir auch etwas bitter aufgestoßen. In dem Buch hatte er seine Anhänger, die über seine "Comedy" gelacht haben, was völlig
    fehl am Platze war. Und dass man dies in unserer Gesellschaft nicht völlig ausschließen kann, ist natürlich mehr als benruhigend.
    Aber wie ich auch schon in meiner Rezi sagte, ich glaube, dass die Nazi-Zeit so tiefe und ewig währende Wunden geschlagen hat,
    dass so jemand eben nicht wieder an die Macht kommen würde. So eine Komik würde auch mit Sicherheit schnell verboten werden.

    Diese Gefahr sehe ich allerdings auch. Und hier hat der Autor eine große Verantwortung übernommen, in dem er ein Buch trotz dieser offensichtlichen Gefahr des Misbrauchs veröffentlicht hat. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass Herr Vermes sich dessen durchaus bewußt ist. Und sollte man wirklich ein Buch verurteilen, weil es durch die Nazis misbraucht werden kann ?

    Ich persönlich sehe diese Gefahr eigentlich nicht. Ich meine, ich kann mich natürlich nicht (und will mich auch gar nicht :!: ) in die
    Gedanken eines Rechtsradikalen denken, aber in dem Buch wird Hitler meines Erachtens zu sehr als Witzfigur dargestellt, als dass
    das Buch die Bibel einiger Rechtsradikaler werden würde. So viel Macht hat es nicht, denke ich. Und so traurig es ist:
    Es gibt mehr als genug Stoff in der Geschichte/Gegenwart, den die Rechtsradikalen heutzutage immer noch "anbeten" können,
    als dieses Buch.

    Mag sein, dass ich einige Rezensenten zu Unrecht verdächtigt habe, über Hitler nur 30 Zeilen Brockhaus zu kennen, aber trotzdem treibt mir die Life-2.0-Leichtigkeit, mit der hier das Buch rezitiert wurde, schauer über den Rücken. Und Gottseidank bin ich nicht alleine!

    Ich sehe hier zwar keine "Life-2.0-Leichtigkeit" in den Rezensionen, sondern Menschen, die sich mit diesem Buch auseinander gesetzt
    haben, aber naja, jeder hat da wohl eine andere Sicht...

    Eine sehr wichtige Erkenntnis zu der hoffentlich noch viele gelangen,macht aber das Buch nicht besser.

    Und ich denke genau diese Erkenntnis hatte Herr Vermes vielleicht auch und wollte mit dem Buch mehr Menschen darauf aufmerksam
    machen.

    Reif sind wir dann, wenn wir die Gefahr einer Wiederholung endlich gebannt haben, Aufstehen, wenn sich Rechtsextremismus einschleicht. Und wenn man nüchtern und sachlich darüber diskutieren kann, was immer noch nicht der Fall ist.

    Ganz ehrlich: Ich glaube, soweit wird es nie kommen. Man kann die Zukunft und die Menschen nicht planen. Die Gefahr eine Wiederholung
    kann nie 100-prozentig gebannt werden. Und sachlich und nüchtern über eine Zeit wie die des Nationalsozialismus diskutieren?
    Nein, auch das ist, glaube ich, nie möglich. Vielleicht in einigen Jahrzehnten. Aber solange ist es doch besser, überhaupt darüber zu
    reden als zu schweigen.

  • @Lighty
    Ich denke, geredet worden ist über die Zeit des Nationalsozialismus sehr viel und wird auch noch immer. Manchmal bis zur K...grenze, sorry für den Ausdruck.
    Darum geht es doch aber hier gar nicht. Niemand will etwas totschweigen. Ganz im Gegenteil. Es geht um dieses Buch und den Umgang der Thematik Hitler.
    Schuldgefühle muss hier niemand haben, die "Gnade der späten Geburt" ist uns ja allen gewährt.


    Ich weiss nicht ob der Schriftsteller sich dessen bewusst war wie sehr er polarisieren wird mit seinem Buch. Ob das gewollt war oder er eher dem Ganzen den Ernst nehmen wollte, ich weiss es nicht.
    Aber kann man das Ganze mit Lockerheit sehen ? So lange wie hier die NPD samt ihren Anhängern polizeigeschützt aufmarschieren darf und ihren braunen Müll lauthals durch die Gegend grölen kann, wir leben ja schliesslich in einer Demokratie, denke ich nein.
    Das ist ein wirklich sehr schwieriges Thema und manchmal tut mir die jetzige junge Generation fast leid. Weil sie vielleicht nicht mehr, so wie ich alte Schachtel, die Erzählungen der Grosseltern und Eltern schon in der Kindheit über diese Zeit immer und immer wieder gehört hat. Das prägt und lässt Stellung beziehen ! Für die ganz jungen Leute ist die NS-Zeit wahrscheinlich so weit weg wie für mich der Sturm auf die Bastille.

  • Ihr habt ja Recht. Da bin ich etwas zu weit gegangen.


    Ich habe mich heftig aufgeregt über die Lässigkeit, die aus den Antworten klang. Aber vielleicht ist das die "moderne" Art, mit dem Thema umzugehen: es lässig zu kommentieren und dennoch sehr ernst zu nehmen. Bitte entschuldigt. Wollte nicht unfair sein.

    Ist schon in Ordnung :wink: Ich kann schon auch eure Argumente verstehen und letztlich auch, dass dieses Thema sehr mit Emotionen besetzt ist.


    Reif sind wir dann, wenn wir die Gefahr einer Wiederholung endlich gebannt haben, Aufstehen, wenn sich Rechtsextremismus einschleicht. Und wenn man nüchtern und sachlich darüber diskutieren kann, was immer noch nicht der Fall ist.

    Ich finde diese Diskussion hier ist ein typisches Beispiel für das, was du sagst. Ich finde sie nämlich äußerst sachlich - aber nüchtern darf man meiner Meinung nach nicht an dieses Thema herangehen. Mit Abstand, ja aber nüchtern würde ja auch Emotionen wie Betroffenheit ausschließen, die mich zumindest immer überkommt und die ich übrigens auch bei ausnahmslos allen anderen hier wahrnehme, wenn ich mich mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandersetze. Und genau diese Emotionen sind wichtig, damit die Ursachen und Folgen eben nicht in Vergessenheit geraten.
    Aufstehen gegen Rechtsextremismus tun ja Gott sei Dank viele, immer wieder und auch mit Erfolg. Leider sind es nur meist Bürgerinitiativen und außerparlamentarische Organisationen, und nicht die Politik, in der Weichen doch viel einfacher gestellt werden könnten.


    Für die ganz jungen Leute ist die NS-Zeit wahrscheinlich so weit weg wie für mich der Sturm auf die Bastille.


    Da gebe ich dir absolut Recht. Ich arbeite an einer Schule und bin immer wieder aufs Neue erschüttert, wie unüberlegt, unreflektiert und leichtfertig einige Kids mit Themen wie Nationalsozialismus, Respekt, Menschenwürde und all den damit zusammenhängenden Begriffen und moralischen Vorstellungen umgehen. In den Händen solcher Kids wäre dieses Buch natürlich nicht wirkungsvoll, ja evtl. sogar kontraproduktiv.
    An dieser Stelle muß man ansetzen und Aufklärungsarbeit und Prävention leisten, in Form von Projekten, Initiativen, die allen Kindern und Jugendlichen ein greifbares Bild vermitteln, was "wir alten Säcke" meinen. :wink:

    "Imagination, rather than mere intelligence, is the truly human quality."


    "Chaos is found in greatest abundance wherever order is being sought. It always defeats order, because it is better organized."

    Terry Pratchett

    "The person, be it gentleman or lady, who has not pleasure in a good novel, must be intolerably stupid."

    Jane Austen


    :study:

    Alex Haley - Roots

    Andrew Jefford - Whisky Island

    Randale Munroe - What if 2


    :bewertung1von5: 2024: 5 :bewertung1von5:

  • Ich finde diese Diskussion hier ist ein typisches Beispiel für das, was du sagst. Ich finde sie nämlich äußerst sachlich


    Stimmt und das empfinde ich als sehr angenehm. Hätte mich sonst nicht zu Wort gemeldet, denn ich kenne es auch anders - unterschiedliche Lager, die sich beide heftigst anfeinden.

    Leider sind es nur meist Bürgerinitiativen und außerparlamentarische Organisationen, und nicht die Politik, in der Weichen doch viel einfacher gestellt werden könnten.


    Und das wäre für mich Reife, ein deutliches Zeichen.

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.