Jack Kerouac - The Dharma Bums (ab 25.12.2012)

  • Übrigens gibt es in Burnsides "Waking up in toytown" einige Passagen zu Wert und Verständnis solcher Zeichen (vor allem Zeichen durch die Natur). Dazu aber lieber etwas per PN, weil es den Rahmen dieser MLR sprengen würde. (Bei Burnside ist es auch viel glaubhafter dargestellt).

    Habe ich mir durch den Kopf gehen lassen, kann mich aber nicht an solche Stellen in "Toytown" erinnern, Du hast das Buch aber sowieso mit einem weiteren verständnis gelesen als ich damals - ich war so hin und weg von der ganzen Stimmung, dass ich im Bewusstsein wahrscheinlich kaum etwas aufgenommen habe - muss ich nochmal lesen, auf jeden Fall (auf der anderen Seite bin ich etwas beunruhigt, dass ich Burnsides Gedanken möglicherweise zu unbewusst und unkritisch übernommen haben könnte).

    … Schau dir mal >Platons Höhlengleichnis< an, das einen Aspekt dieses Denkmodells recht einleuchtend widergibt.

    Muss ich mir nochmal anschauen, weil das auch letztes Jahr in Bolanos "2666" eine Rolle spielte, und auch da hatte ich schon gemerkt, dass ich nicht viel davon wusste (Conor hatte damals die Verbindung ganz schnell gefunden).


    Eugen Herrigel: Zen in der Kunst des Bogenschießens O.W. Barth Verlag
    Eugen Herrigel: Der Zen Weg O.W. Barth Verlag
    Taisen Deshimaru-Roshi: Zen in den Kampfkünsten Japans

    Sicherlich nicht im Moment, aber für einen späteren Zeitpunkt (vielleicht noch in diesem Jahr?) werde ich Herrigel mal in Betracht ziehen.

    Das erste Buch auf der Liste ist dazu noch ein Erfahrungsbericht des Herrn Herrigel über seine Lehrzeit bei einem Kyudo Meister, der einfach wunderbar geschrieben ist und die Schwierigkeiten eines Europäers erzählt, den wir bei den ersten vorsichtigen Schritten seiner Lehrzeit bis zu den ersten tiefen Erkenntnissen über die Freuden aber auch die Fallstricke dieses Weges begleiten.

    Ja, so etwas klingt vernünftiger, nicht so nach: "Alles ganz einfach, mit ein paar Liedchen und Summen und Gedichtchen und ein bisschen Meditieren und ein paar Gebetsperlen und Schwafeln ist die Erleuchtung geritzt und das Leben glücklich und erfüllt", mit so etwas kann ich einfach nicht, aber der Rest vom Buch ist jedenfalls schön, macht z.T. auch Spaß, sich ein paar Gedanken durch den Kopf gehen zu lassen.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Weitergelesen habe ich jetzt Kapitel 22 bis 24:



    Vorweg muss ich erst einmal sagen, dass ich diesen Typen Ray nicht begreife, zum einen erscheint er mir sehr ehrlich und naiv und natürlich zu sein, und zum anderen gibt es einfach Unstimmigkeiten, die mich stören. Schön sind immer wieder seine simplen, verbal unausgesuchten Beschreibungen der Orte, an denen er unterwegs campt, das gefällt mir immer wieder. Auch begreife ich langsam, dass er für Japhy eine uneingeschränkte Bewunderung hegt, und sich selbst gleichzeitig als wichtiges denkerisches Element empfindet – dies mag ich zwar nicht auf die gleiche Weise beurteilen, aber OK, das ist nunmal Rays Einstellung, was auf mich persönlich eher lächerlich wirken würde, dafür können er und Japhy sich vielleicht voll begeistern – das kann ich so hinnehmen.

    Wo ich langsam misstrauisch werde, ist wie wenig er Alkohol und problematische Aufeinandertreffen mit anderen Menschen erwähnt: ich kann mir nicht helfen, aber ich nehme ihm das einfach nicht ab – hat er denn nun ein Alkoholproblem oder nicht? So wie Ray es beschreibt, trinkt er nur gelegentlich (eher selten), und keineswegs in zwanghaften Mengen (zwei, drei Gläschen, und die große Weinflasche reicht seinen Angaben zufolge dann stets für alle. Warum dann das Gelabere Japhys über Rays Trinkgewohnheiten beim Trip auf den Matterhorn-Peak? Das andere Thema ist, wie wenig Friktionen mit den Menschen aus der „zivilisierten“ Gesellschaft entgegentreten muss – das kann ich nun noch weniger glauben, nicht in einem 50er Jahre-Doris-Day-Jahrzehnt, das kommt nur ganz selten und sehr am Rande in Erwähnung. Ich bin dem Buch gegenüber recht skeptisch geworden, habe nicht das Gefühl, dass hier jemand ein ehrliches Buch schreibt. Die Lobreden über Kerouacs Schreibtalent aus dem Vorwort kann ich für mich bei einem Stand von Seite 144 (von 204) nicht nachvollziehen.




    Kapitel 22:
    Ray ist wieder unterwegs, er trampt gen Kalifornien, um den Frühling bei Japhy in dessen Hütte zu verbringen, bevor er als Waldbrand-Wächter am Desolation Peak in Washington den Summer über arbeiten wird.
    Sein kurzer Aufenthalt in El Paso, die Übernachtung im Sand beim kleinen Bächlein gefällt mir wieder gut, das lässt sich lesen, da kommen innere Bilder auf, wenn er den rieseigen Mond beschreibt, die Geräusche um ihn herum und dass der Sand im Bachbett sich weich wie Seide anfühlt. Auf der anderen Seite: das hatten wir schon öfter im Buch, im Grunde genommen nichts allzu Neues.




    Kapitel 23:


    Ray arbeitet ein paar Stunden spontan als Möbelpacker und verdient sich Geld, um ein gutes Essen in einem Restaurant zu verdienen; danach bekommt er eine sehr günstige Mitfahrgelegenheit bis nach L.A. Ray kratzt gerade mal erwähnend die Präsenz eines Wachhabenden Polizisten auf dem Bahngelände an, der mit viel Phantasie wie eine entfernte Bedrohung für ihn wirken könnte. Desweiteren erwähnt Ray die mögliche Gefahr, die für ihn beim Reisen auf dem Midnight-Ghost-Train herrscht: wenn der Zug einen Unfall hätte, würde er wahrscheinlich unter die darauf transportierten LKW-Räder kommen – aber eine illegale Fahrt ist im Grunde genommen immer gefährlich, das war sowieso von vornherein klar.




    Kapitel 24:


    Das reinste Berghütten-Idyll, wo Japhy momentan lebt: die einfache, gastfreundschaftliche Reinheit, in der Sean Monahan und seine Familie dort oben am Berg leben, die einfache und aufgeräumte, anscheinend ballastfreie Lebensweise Japhys mitten in der Natur, all das gefällt mir gut. Japhy gibt natürlich wieder seine unfehlbaren Kenntnisse über die Arbeit, die Ray am Desolation Peak erwartet, zum Besten, während er Rays Erzählungen, wie dieser seinen Winter verbracht hat, nicht gelten lassen will, gar nicht hören will, weil es nur Worte seien – was unterscheidet Japhys Erzählungen von Rays erzählten Erlebnissen? Das verstehe ich nicht …
    Außerdem ist Japhy nicht mehr so glücklich, wie es scheint, er überlegt, nach seinem Klosteraufenthalt in Japan zu heiraten und Geld zu verdienen und sich innerhalb der Gesellschaft einzugliedern – ob dies mit der Heirat seiner Schwester Rhoda mit einem „Reichen“ zusammenhängt?
    Doch der nächste Morgen bricht wider Erwarten strahlend schön an, mit Japhy in bester Laune, und mit viel Energie für den kommenden Tag – ein sehr schönes, stimmungsvolles und farbiges Ende nach diesem etwas verwirrenden Stimmungseinbruch.

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  • Kapitel 25 und 26:


    Japhy und Ray genießen einen Samstag in voller Eintracht: es wird Holz gespalten und gehackt, es wird geblödelt, es wird Buddhismus-gefachsimpelt. Während Ray den „Do-nothing“-Buddhismus, wie er es nennt, praktiziert, tendiert Japhy zum „activity“-Buddhismus, was ich persönlich viel angenehmer finde, denn Rays ganzes Abhängen und mir zu ausgiebiges Meditieren hatte mich schon ganz hibbelig vor lauter Ungeduld gemacht. Bei der Party am Abend kommen weitere individuelle Buddhismus-Einschläge zutage, die von Sean und von Bud, der sich seinen Buddhismus-Unterricht als Hausmeister in der buddhistischen Vereinigung in Sn Francisco verdient.
    Während Sean, Japhy und Whitey fleischlich auf ihre Kosten kommen, rollen sich Bud und Ray jeweils allein in ihre Schlafsäcke ein. Während sich die Party das gesamte Wochenende hinzieht, mischt Ray nicht so recht mit – er kommt den anderen ein bisschen seltsam vor mit seinen größtenteils geschlossenen Augen. Seine kleinen Visionen und sein Bewusstsein gegenüber Natur und Tierwelt vertieft Ray weiter. Er schafft sich das Image eines verrückten heiligen Asketen, und als er endlich mal mit einem Mädchen ankommt, vermasseln ihm Sean und Joe die Tour absichtlich, wie es scheint. Irgendwo erwähnt Ray sogar, dass ihm praktisch nur der Rotwein bleibt.


    Eine große Abschiedsparty vor Japhys Reise nach Japan ist geplant, wobei sowohl er als auch Ray der endlosen Feierei schon ein bisschen überdrüssig sind.
    Japhy stört es ungemein, dass Rhoda ihren betuchten Chicago-Typen heiraten will, er reagiert sehr eifersüchtig, grob und taktlos.


    Trotz der vielen Menschen um ihn herum versinkt Ray in eine Art Vereinsamung und Traurigkeit, sh. am Schluss von Kapitel 26:

    Zitat

    Across the evening valley the old mule went with his heartbroken ‚Hee haw’ broken like a yodel in the wind: like a horn blown by some terrible sad angel: like a reminder to people digesting dinners at home that all was not as well as they thought. Yet it was just a love cry for another mule. But that was why ….

    Es sei mir die Bemerkung gestattet: Ray muss wieder einmal dringend jemanden flachlegen, und zwar wirklich dringend, will mir scheinen ….




    Kapitel 27:


    Endlich taucht die Alkohol-Mäßigungs-Frage auf – Japhy wirft Ray vor, dass er wegen seiner Trinkerei nie ein guter Zen-Schüler sein würde und Erleuchtung erreichen könne. Ray reagiert trotzig und trinkt noch mehr; er nimmt auch nicht an einer Vorlesung im Buddhisten-Zentrum teil, sondern bleibt lieber allein in Alvahs Hütte zurück, um sich weiter volllaufen zu lassen. Als Japhy zurückkommt, erzählt er ihm aufgeregt, dass all die japanischen buddhistischen sich bei der Vorlesung mit Sake betrunken hätten, und dass das keinen Unterschied gemacht hätte, Ray also die ganze Zeit recht gehabt hätte.


    Was nun? Wie geht es von hier aus weiter? Japhy wird nach Japan gehen und Ray, was wird aus ihm? Wird er tatsächlich im Alkohol versinken? In den letzten beiden Kapiteln hat das Buch merklich an Fahrt aufgenommen, das ist für mich wieder weitaus lesbarer als Rays einsame Kapitel voller Meditation und Erleuchtung in North Carolina. Mal sehen, vielleicht schaffe ich ja noch zwanzig Seiten mehr bis morgen. :study:

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  • So, zwanzig Seiten habe ich noch geschafft wie geplant - ich hoffe, den Rest kann ich mir morgen vornehmen.



    Kapitel 28:
    Hier wird es ganz deutlich: für dieses Buch bin ich sicherlich schon zu alt :lol: ; vor zwanzig Jahren hätte es mir um etliches besser gefallen, da bin ich mir sicher, doch heute langweile ich mich bei der Beschreibung solch einer banal-exzessiven Abschiedsparty einfach ungemein: Gitarren, Mambo, Wein, Essen, wild tanzende Menschen, Blödeleien, brünftige Männer, einen alten Hippie-Dad, beleidigte, zickige Dämchen, die nicht ausparken können, nackte Typen ums Lagerfeuer usw.



    Kapitel 29:
    Ray und Japhy seilen sich klammheimlich und in aller Herrgottsfrühe ab und gehen direkt dort im Marin County wandern. Auf S. 168/169 beim Gespräch über irgendwelche buddhistischen Lehren zu Tathagata und der (meiner Meinung nach fehlenden) Begründung für das Leid in der Welt über und Prophezeiungen zu irgendwelchen Reinkarnationen und Jesus da mit einbezogen und das Zeugs über eine Form von Hölle habe ich mich ausgeklinkt, solche Lehren sprechen mich nicht an.
    Diese Idee von wegen East meets West“ klang ja recht nett seitens Japhy, aber heute, wo das alles schon stattgefunden hat, und zwar sehr unglücklich, nämlich in der konsumorientiertesten Weise aus Plastik und Non-Kultur, kann ich mich solchen idealistischen Ideen leider nicht mehr hingeben.
    Japhys Träume bezüglich seines Japan-Aufenthaltes mit schwarz-lackierten Möbeln, Teetrinken, Kirschblüten, Pflaumenbäumchen usw. wirken auf mich unerträglich kitschig (S. 171). Es würde mich erstaunen, wenn sein Aufenthalt in Japan tatsächlich solchen Träumereien ähneln würde.


    Doch ab diesem Moment gibt es eine schöne und friedvolle Beschreibung ihres letzten Ausflugs miteinander, sodass man selbst Lust bekommt, durch blühende Wiesen und an Bächen entlang zu wandern. Und die beiden überlegen wirklich nur ganz kurz, dass auch die anderen von ihnen lernen könnten und vertiefen sich gleich wieder in den vollen Genuss ihrer Wanderung.
    Ray glaubt, im Traum Japhy als chinesischen Bum erkannt zu haben, als eine Art Han Shan – vielleicht ist dies eine Bestätigung dessen, was Du schon vorher erklärt hattest, taliesin, nämlich in welch hoher Achtung Ray seinen Freund Japhy hält?



    Kapitel 30:
    Der große Abschied: Kerouac drückt hier noch einmal anständig auf die Tränendrüse – Japhy ist doch tatsächlich so wahnsinnig nett und geht nach der Rückkehr zur Hütte trotz hoher Müdigkeit noch einmal zum Einkaufen ‚raus und bringt Ray seine heiß begehrten Hershey-Chocolate-Bars mit. Auch das gemeinsame Abendessen trägt eine deutlich melancholische Abschiedsnote in sich.


    Allerdings hat mich die Szene, wie Japhy sein kleines dümmliches Psyche-Blondinchen gnadenlos vom Schiff über die Reeling auf den Pier hinauswirft, zum Grinsen gebracht – Buddhismus und Zen und falsch oder richtig, wie auch immer, aber Japhy ist im Endeffekt eine knallharte Type, der seine Ziele geradewegs verfolgt und sie sich von niemandem vermasseln lässt.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • zu Kapitel 22 - 24

    Schön sind immer wieder seine simplen, verbal unausgesuchten Beschreibungen der Orte, an denen er unterwegs campt, das gefällt mir immer wieder

    Mittlerweile freue ich mich wenn Ray endlich wieder allein unterwegs ist, denn diese Beschreibungen sind wirklich das beste, weil ehrlichste im Roman.


    Das andere Thema ist, wie wenig Friktionen mit den Menschen aus der „zivilisierten“ Gesellschaft entgegentreten muss – das kann ich nun noch weniger glauben, nicht in einem 50er Jahre-Doris-Day-Jahrzehnt, das kommt nur ganz selten und sehr am Rande in Erwähnung. Ich bin dem Buch gegenüber recht skeptisch geworden, habe nicht das Gefühl, dass hier jemand ein ehrliches Buch schreibt.

    Ich glaube, er hat all dies einfach ausgelassen um diese Zeit als die unbeschwerteste und glücklichste Zeit seines Lebens herauszustellen. Das er viel mehr
    getrunken hat und auch wirklich üble Zusammenstöße mit der konservativen und von Vorurteilen gegen alles Ungewöhnliche geprägten Gesellschaft dieser
    Zeit hatte, wird einfach ausgelassen. Das seine Hinwendung zum Buddhismus mit dem Abgang Japhys schnell zu Ende ging spricht auch für sich.
    Nach den Dharma Bums hörte die Schönfärberei dann schnell auf. Desolation Peak und vor allem >Big Sur< sind realistischer und spiegeln seine Verlorenheit
    und seine Alkoholsucht dann deutlich wieder.


    Das reinste Berghütten-Idyll, wo Japhy momentan lebt: die einfache, gastfreundschaftliche Reinheit, in der Sean Monahan und seine Familie dort oben am Berg leben, die einfache und aufgeräumte, anscheinend ballastfreie Lebensweise Japhys mitten in der Natur, all das gefällt mir gut.

    Ja, das ist wieder so ein Kapitel, wo man auch dabei sein möchte. Schön beschrieben und einmal frei von übertriebenen Diskussionen.


    während er Rays Erzählungen, wie dieser seinen Winter verbracht hat, nicht gelten lassen will, gar nicht hören will, weil es nur Worte seien – was unterscheidet Japhys Erzählungen von Rays erzählten Erlebnissen? Das verstehe ich nicht …

    Nur Japhys Erlebnisse zählen. So war es immer, denn nur Japhy atmet den Geist des Zen. das bringt mich immer wieder auf die Palme und zerstört auch
    den Eindruck einer wirklichen Freundschaft. Japhy ist ein äußerst egozentrischer Mensch, der sein Image als geistiger Führer eifersüchtig verfolgt.
    Seine bevorstehende Reise nach Japan und die Auswirkungen die dies auf Ray haben wird, berühren ihn recht wenig. Er ist wohl im Grunde der realistischste
    Part der >Beat Generation<. Die Zeit in Amerika ist ein Übergang, eine Phase die vorerst ihr Ende findet. So ist es dann auch mit der Beat Generation, die
    nicht lange später von den Anfängen der Hippie Bewegung verschluckt wird.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • zu Kapitel 22 - 24

    Mittlerweile freue ich mich wenn Ray endlich wieder allein unterwegs ist, denn diese Beschreibungen sind wirklich das beste, weil ehrlichste im Roman.


    Da muss ich voll und ganz zustimmen: ich glaube, dass die mentale und auch die schriftstellerische Stärke Kerouacs in der Sensibilität der Natur gegenüber und im Auf-Achse-sein liegt; ein kleines Büchlein einzig und allein voller Wander- bzw. Reisebeschreibungen wäre mir wahrscheinlich total unter die Haut gegangen.


    Ich werde die letzten zwanzig Seiten wohl erst im Laufe der kommenden Woche fertiglesen, aber ich glaube schon, dass insgesamt die "Hobo"-Komponente im Buch für mich zu kurz kam. Die ständige Rückkehr zu seinen Kumpanen und vor allem zu Japhy und die gegenseitige Bestätigung in ihrer buddhistischen Sichtweise empfand ich als weniger "hobo-haft", dieses Suchen der Einkehr und Eingliederung in die Gruppenzugehörigkeit ist für mich eher das Gegenteil eines Hobos.


    Und dennoch, auch wenn mir ihre Zen-Suche nicht zusagt, hat mir das Buch auch in dieser Hinsicht einiges gebracht, denke ich: ich habe zumindest eine deutliche Vorstellung davon bekommen, dass Buddhismus und wie er damals zu einer ungeheuren Modewelle ausarten konnte.
    Es muss unzählige Typen gegeben haben, die den Buddhismus auf ihre eigene Weise interpretiert und diese als die ultimative Weisheit dargestellt haben und ihre Erkenntnisse der Welt aufdrücken wollten, sei es durch Hochmut, Predigten, Vorträge, Essays etc. - im Grunde genommen wie sich die Prediger und "Fachleute" in allen anderen großen (und kleineren?) Religionen auch in der Vergangenheit und heute noch profilieren wollen und es z.T. mehr oder weniger erfolgreich tun - brutal schlägt mir dabei immer auf den Magen das, was ich "testimonialen Assoziationsfetischismus" nenne - irgendwelche gedanklichen Windungen, und seien es noch so verquere, werden ganz frech für erwiesen und gültig erklärt, nur weil irgendwelche anderen großmäuligen "Fachleute" ähnliche Ansichten publiziert haben, d.h. testimoniale Querverweise sollen eine schlüssige Argumentation ersetzen - so etwas habe ich extrem satt - aber das nur am Rande ... (Umberto Eco hat solche Typen und Manipulationen wunderbar witzig in seinem Buch "Das Foucaultsche Pendel" verarbeitet, ich habe selten so gelacht wie bei diesem Buch).
    Jedenfalls habe ich gelernt, dass man auch bezüglich des Buddhismus sehr vorsichtig sein muss, woher und was für eine Art von Information man bezieht (historisch, interpretativ etc.).


    Insgesamt gesehen sind die "Dharma Bums" für mich eine ziemlich gute Lektüre, bei der es sich lohnt, kritisch hinzusehen - was man von sehr vielen Büchern gar nicht behaupten kann, dass sich ein kritisches Auseinandersetzen überhaupt lohnen würde - also, mir gefällt das Buch gut.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
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  • zu Kapitel 25 & 26

    mischt Ray nicht so recht mit – er kommt den anderen ein bisschen seltsam vor mit seinen größtenteils geschlossenen Augen. Seine kleinen Visionen und sein Bewusstsein gegenüber Natur und Tierwelt vertieft Ray weiter.

    Ich finde, dass sich nach und nach Rays innere Zerrissenheit immer deutlicher zeigt. Länger alleine zu sein und seinen Weg konsequent weiterzugehen scheint
    ihm ebenso wenig zu gelingen wie das Verbleiben bei den übrigen Bums. Er ist auf beiden Seiten ein Außenseiter der verzweifelt versucht einen festen Punkt
    in seinem Leben zu finden. Vielleicht entsteht aus diesem Dilemma ja dann auch seine immer stärkere Hinwendung zum Alkohol und sein letzlicher Rückzug
    in die Enttäuschung und Verbitterung der späten Jahre.


    Trotz der vielen Menschen um ihn herum versinkt Ray in eine Art Vereinsamung und Traurigkeit, sh. am Schluss von Kapitel 26:


    Zitat
    Across the evening valley the old mule went with his heartbroken ‚Hee haw’ broken like a yodel in the wind: like a horn blown by some terrible sad angel: like a reminder to people digesting dinners at home that all was not as well as they thought. Yet it was just a love cry for another mule. But that was why ….


    Es sei mir die Bemerkung gestattet: Ray muss wieder einmal dringend jemanden flachlegen, und zwar wirklich dringend, will mir scheinen ….

    Sei dir gestattet, obwohl ich anmerken muss, dass auch dies bei Ray wohl nur vorübergehend Wirkung hätte. Diese Passage ist wohl eher ein Ausdruck
    der langsam aufkommenden Resignation bei Ray. Zwar nur ein kurzer Moment, aber der reicht schon tief. Er verliert den Sinn für einfache weltliche Freude
    und zieht sich immer mehr in sein privates Schneckenhaus zurück. Ich finde das schon sehr traurig und dazu auch noch so unnötig.


    Als Japhy zurückkommt, erzählt er ihm aufgeregt, dass all die japanischen buddhistischen sich bei der Vorlesung mit Sake betrunken hätten, und dass das keinen Unterschied gemacht hätte, Ray also die ganze Zeit recht gehabt hätte.

    Der Unterschied ist, dass die Sake trinkenden Herren das Ganze aber, im Gegensatz zu Ray, unter Kontrolle haben. Da greift Ray nach Strohhalmen um seine
    Schwäche zu rechtfertigen.


    Was nun? Wie geht es von hier aus weiter? Japhy wird nach Japan gehen und Ray, was wird aus ihm? Wird er tatsächlich im Alkohol versinken?

    Der geht dann zuerst einmal auf den Desolation Peak und zieht sich in die Einsamkeit zurück. Dannach gehts nur noch bergab.


    lg taliesin :winken:

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  • Ich werde die letzten zwanzig Seiten wohl erst im Laufe der kommenden Woche fertiglesen, aber ich glaube schon, dass insgesamt die "Hobo"-Komponente im Buch für mich zu kurz kam.

    Die Hobo Komponente bleibt leider eine Randerscheinung im Buch. Ich hätte ich mir auch eine etwas intensivere Beschäftigung mit dieser Lebensweise erwartet.



    Und dennoch, auch wenn mir ihre Zen-Suche nicht zusagt, hat mir das Buch auch in dieser Hinsicht einiges gebracht, denke ich: ich habe zumindest eine deutliche Vorstellung davon bekommen, dass Buddhismus und wie er damals zu einer ungeheuren Modewelle ausarten konnte.

    Ist exotisch, also interessant und halt eine Abkehr vom starren Christentum und dessen Bodenpersonal. Ernsthafte Beschäftigung mit dieser Religion
    entstand daraus nur selten.


    ich glaube, dass die mentale und auch die schriftstellerische Stärke Kerouacs in der Sensibilität der Natur gegenüber und im Auf-Achse-sein liegt; ein kleines Büchlein einzig und allein voller Wander- bzw. Reisebeschreibungen wäre mir wahrscheinlich total unter die Haut gegangen.

    das hätte er sicher ganz wunderbar wiedergeben können, denn wir haben ja festgestellt, dass das die schönsten und intensivsten Passagen des Buches waren.
    Eine ausgedehnte Reise durch das ländliche Amerika, gepaart mit seiner Fähigkeit die Eindrücke der Naturerscheinungen wiederzugeben, ergäbe sicher ein
    wunderbares Reisebuch.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Kapitel 31 bis 34 (Ende)



    In Kapitel 31 beschreibt Ray seinen Hitch-hiking-trip von Sean Monahans Haus in Marin County, CA, nach Seatlle; wie eigentlich immer im Buch klingen diese Etappen sehr leicht und kurzweilig, obwohl das jedesmal sehr mühselig gewesen sein muss, am Straßenrand herumzustehen und den Daumen rauszuhalten, sich jedesmal auf die unterschiedliche Wesensart und Unterhaltung eines neuen Fahrers einzustellen, immer den schweren Rucksack mit sich herumzuhieven – dabei wird man müde, das Wetter wechselt, man fühlt sich nach einiger Zeit schmutzig und verbraucht - doch bei Ray klingen die Tramper-Episoden fast immer leicht und kurzweilig – auch hier habe ich den Eindruck, dass es ihm auf seinen einsamen Reisen (denn mit diesen Autofahrern bleibt der Kontakt jedesmal nur kurz und oberflächlich) viel besser geht als in dieser Berkeley-Gruppe um Japhy, in der die mentale Hierarchie und auch die sonstige Gruppendynamik mir mindestens ebenso gefestigt und starr erscheint wie die in einer mormonischen Dorfgemeinschaft. Wenn Ray allein unterwegs ist, habe ich auch das Gefühl, dass ich ihn besser verstehe, wie z.B. den Schlusssatz in diesem Kapitel, da glaube ich das richtig nachvollziehen zu können, wenn er schreibt:

    Zitat

    The snow-covered mountains themselves had disappeared, receded fromm y view, I couldn’t see them anymore but now I was beginning to feel them more.



    Kapitel 32: Ray wird erst einmal eine Woche lang mit anderen Feuerwächtern unter einem gewissen Drill angelernt, dabei lernt er den alten Burnie kennen, der von Japhy schwärmt, was der doch für ein fröhlicher und gewitzter junger Mensch sei, der beste Feuerwächter, den er jemals gekannt hätte (ich muss nicht extra erwähnen, dass mich diese Stelle ganz leicht genervt hat, oder?).
    Auf S. 188 gibt Kerouac wieder eine Naturbeschreibung zum Besten, die wirkt so deutlich und friedlich und schön, man sitzt innerlich mit Ray am Ufer des Skagit River und schaut in die Wolken. :pray:
    Dann der Aufstieg mit dem alten Happy und seinen vollbepackten Mulis hoch hinauf auf 6600 Fuß Höhe zum „Lookout“ auf dem Desolation Peak. Auf dem recht beschwerlichen Anstieg wird Ray vom alten Happy gewarnt, auszuflippen wie der eine oder andere Feuerwächter vor ihm, dem die Einsamkeit da oben zuviel wurde. Es sei OK, laut Fragen in die Einsamkeit zu stellen, aber wenn man dann soweit sei, dass man sich selbst Antworten gebe, ja dann …
    Und dann die Ankunft an der Hütte – es herrscht dicker Nebel, die Bude ist feucht, modrig, hat Stockflecken in den Holzwänden, alles ist dreckig und durcheinander – ein ganz düsteres Bild, völlig anders, als Japhy es Ray beschrieben hatte. Hier schossen mi mehrere Gedanken durch den Kopf: „das kommt davon, wenn man zuviel erwartet und sich zu sehr auf etwas freut; da liegt der Unterschied zwischen Japhy, der viel aktiver und positiver veranlagt ist als Ray, die beiden sind vielleicht zu verschieden, um innerlich dasselbe genießen zu können.“ (Dann wollte ich mir über Google mal selbst ein paar Bilder von Desolation Peak anschauen und war hin und weg – das ist ja der volle Wahnsinn, das muss ja ein Privileg sein, da oben ein oder zwei Monate verbringen zu dürfen!)
    Sehr lustlos und enntäuscht macht sich Ray darüber, die Hütte aufzuräumen und sauberzumachen.
    Das Kapitel schließt mit einer nächtlichen Meditation und einem leicht bedrückt-mystischen Bild von Mount Hozomeen (hierzu ein paar Bilder auf www.tumblr.com), aber Rays Stimmung scheint mittlerweile nicht mehr völlig hoffnungslos.


    Kapitel 33: Das gesamte Kapitel könnte man hier zitieren, weil Kerouac es wirklich schafft, eine Ahnung von der unendlich scheinenden Leichtigkeit, Freiheit und Schönheit dort oben am Desolation Peak auf 6600 Fuß Höhe zu vermitteln – da sind jede Menge Auswirkungen auf den Leser enthalten (meiner Ansicht nach zumindest – für mich war z.B. die frische, glasklare Luft so zu spüren, dass ich beim Lesen deutlich ganz tief eingeatmet habe, so als wäre ich gerade da oben - was im Grunde genommen totaler Schwachsinn ist, das gebe ich zu; ich erwähne das nur, um den Effekt zu verdeutlichen).



    Ebenso gibt es in Kapitel 34 neben einigen gebetsartigen Stellen an Dipankara u.ä., die mich ebensowenig ansprechen wie das litaneiartige Eingedenken an Japhy (Japhy dies und Japhy jenes), wieder wunderschöne Stellen; sogar eine, die mich wahnsinnig erstaunt hat, weil Ray dort zu einem Gedanken gelangt, den ich selbst schon gehabt habe, und den er auch mit einer verblüffend ähnlichen Wortwahl zum Ausdruck gebracht hat – den werde ich hier nicht explizitz erwähnen, weil er mir zu individuell und metaphysisch erscheint und somit hier im Thread nichts zu suchen hat – zumal Kerouac ihn selbst beiläufig und ohne weiteren Anspruch an den Leser zu bringen scheint.


    Der Schluss tut fast weh, so gut ist er, der Abschied von Mount Desolation, der den allerletzten Blick auf die Hütte beinhaltet: unglaublich, wie da Kerouac durch ein verbales „Augenzwinkern“ die Empfindungen von Ehrfurcht und Dank erst wahr werden lässt, statt sie mit einer gravitätischen Ernsthaftigkeit ins Verlogene zu ziehen.




    Enden wir einfach mit Kerouacs Haiku aus dem letzten Kapitel:


    What is a rainbow, Lord?
    A hoop
    For the lowly.

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  • Noch einmal zum Vorwort: wenn dort geschrieben steht, dass Kerouac versucht hat, eine Art spontanes und improvisiertes Schreiben zu schaffen und durch viel Übung zu vervollkommnen, was dann in den Dharma Bums als Argument dafür hergenommen wird, dass das „Ich“ des Ray Smith sich nahezu hundertprozentig autobiografisch mit Kerouacs Ich decken muss, dann bleiben an dieser Stelle für mich Fragen offen: warum schreibt er nicht direkt von Jack und Gary, sondern nennt sie Ray und Japhy? Und was ist mit dem Alkohol? Und was ist mit den gesellschaftlichen Konfrontationen? Ich kenne Kerouacs Leben nicht, aber wenn der Alkohol, wie alle behaupten, bereits 1955/56 kontinuierlichen Exzess und Abhängigkeit in seinem Leben bedeutet hat, dann lässt sich das Erzählte in den Dharma Bums nicht mehr so als gänzlich und kompromisslos autobiografisch werten, und dann sollte man meiner Meinung nach ein bisschen vorsichtiger sein mit den Schlüssen, auf die im Vorwort Anspruch auf Buch und Leben des Schriftstellers erhoben wird.


    Ich habe eher den Eindruck (welcher persönlich ist und durchaus falsch sein mag), dass Kerouac mit seinem spontanen Schreiben versucht hat, das Unterbewusstsein anzuzapfen, auf das man bekanntlich auf der oberen Bewusstseinsebene gar nicht oder kaum Zugriff hat; das scheint mir bei dieser Schreibtechnik aber nur bedingt zu funktionieren (auf diesem Gebiet ist für mich bislang J. Burnside noch ein unerreichter Meister) – tolle Idee zwar, aber die Überarbeitung des Geschriebenen hätte sich Kerouac meines Erachtens nach trotzdem vornehmen müssen, dann hätte er sich auch nicht derartig ungeschützt der negativen Kritik ausgesetzt.
    Schlimm fand ich z.B. seine spontanen kleinen Verschen, die manchmal wirklich alles andere als gut herüberkamen und auch nicht auf sonderlich viel innerlich Wertvolles blicken lassen, genauso wie seine sentimental-philosophisch-religiösen Ergüsse in North Carolina, die hätte er wirklich besser gestrichen – warum etwas aus dem Kopf aufs Papier zwingen, noch dazu unter dem Zeichen der "Spontaneität", wenn zu dem Zeitpunkt im Kopf nicht viel los ist? Dass er mit so etwas der negativen Kritik Tür und Tor geöffnet hat, ist ganz logisch – und wenn er hier in aller Naivität versucht hat, sich völlig offen und vorbehaltlos darzustellen, war Kerouac natürlich besonders anfällig für solche Angriffe. Er hätte wirklich besser daran getan, Ehrlichkeit und Naivität nicht miteinander zu verwechseln.


    Jetzt, nach der Lektüre, verstehe ich einiges aus dem Vorwort viel besser; einiges, das wir selbst beobachtet bzw. diskutiert haben, wie z.B. den gewissen Antagonismus zwischen Japhy und Ray bezüglich des Buddhismus, genau das findet sich im Vorwort bestätigt: es ist mittlerweile schon offensichtlich, dass mir Rays eher formlose Auffassung des Buddhismus wesentlich mehr zusagt als Japhys, auch wenn Gary Snyder angeblich bezweifelt, dass Kerouac den Buddhismus jemals verstanden habe.


    Und bei seinen Naturbeschreibungen schafft es Kerouac sehr gut, das Unterbewusstsein nach oben zu holen – so etwas kann man nicht nur „mit dem Kopf“ schreiben, ich glaube nicht, dass man rein intentional Texte schaffen kann, die so unter die Haut gehen.


    Da gibt es auch eine Stelle im Vorwort, die ziemlich genau das bestätigt, was Du, taliesin, mir schon zu erklären versucht hast – S. XXii heißt es:

    Zitat

    …, and Kerouac was aware that he had caught the moment’s optimism while playing down its darker side

    das geht so ziemlich in die Richtung, als Du meintest, dass Kerouac versucht hat, diese Zeit als die schönste seines Lebens zu sehen, oder?



    Insgesamt sehe ich jetzt, nach der Lektüre, Kerouac als einen sehr liebenswerten, wenn auch viel zu naiven Charakter, gleichzeitig jedoch als einen sehr tiefen und intensiven Charakter – und ganz ehrlich, ich bin immer noch nicht so recht davon überzeugt, dass ihm ein Buddhismus nach allen meisterlichen Regeln ultimatives Glück und Wahrheit gebracht hätte.


    Das Buch The Dharma Bums von Jack Kerouac würde ich jetzt, direkt nach der Lektüre, mit :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: bis :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: bewerten, wenn ich es so verstehen darf, wie ich es verstanden zu haben glaube – und es gab eine ganze Menge, die ich für mich aus der Lektüre mitgenommen zu haben glaube – man muss ja nicht immer die Ansichten eines oder mehrerer Protagonisten in einem Buch teilen, um sich etwas daraus mitnehmen zu können.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Kapitel 32 - Ende (erster Teil)


    Zuerst einmal vielen Dank, Hypocritia für die schönen Zusammenfassungen und die treffenden Schilderungen deiner Eindrücke. Ich werde meine
    Kommentare dazu aus Zeitgründen stückeln müssen. Ein schnelles Abhandeln dieser wunderschönen letzten Kapitel würde dem Roman nicht gerecht.

    Wenn Ray allein unterwegs ist, habe ich auch das Gefühl, dass ich ihn besser verstehe, wie z.B. den Schlusssatz in diesem Kapitel, da glaube ich das richtig nachvollziehen zu können, wenn er schreibt:


    Zitat
    The snow-covered mountains themselves had disappeared, receded fromm y view, I couldn’t see them anymore but now I was beginning to feel them more.

    Solche Stellen, in denen Ray seine spirituellen Erkenntnisse einfach, klar und ohne (man verzeihe mir) das ganze buddhistische Brimborium widergibt,
    beweisen doch, dass er viel mehr verstanden hat, als Japhy ihm zugesteht. Als guter Freund hätte Japhy ihn auf diese Fähigkeiten hinweisen müssen,
    denn damit hätte Ray eine Möglichkeit, sein Lernen fortzuzsetzen und zu vertiefen.


    Auf S. 188 gibt Kerouac wieder eine Naturbeschreibung zum Besten, die wirkt so deutlich und friedlich und schön, man sitzt innerlich mit Ray am Ufer des Skagit River und schaut in die Wolken.

    Das ist es. Nicht vielen Autoren gelingt es, die beeindruckende und tief berührende Schönheit der Natur so klar und nachvollziehbar zu beschreiben.
    Einen kleinen Abschnitt dieser längeren Beschreibung möchte ich gern noch zitieren:

    Da scheint mir ein weiterer Kommentar überflüssig. Einfach nur.............. :pray:


    Später mehr....... :wink:


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Kapitel 32 bis Ende (zweiter Teil)

    Das gesamte Kapitel könnte man hier zitieren, weil Kerouac es wirklich schafft, eine Ahnung von der unendlich scheinenden Leichtigkeit, Freiheit und Schönheit dort oben am Desolation Peak auf 6600 Fuß Höhe zu vermitteln – da sind jede Menge Auswirkungen auf den Leser enthalten (meiner Ansicht nach zumindest – für mich war z.B. die frische, glasklare Luft so zu spüren, dass ich beim Lesen deutlich ganz tief eingeatmet habe, so als wäre ich gerade da oben - was im Grunde genommen totaler Schwachsinn ist, das gebe ich zu; ich erwähne das nur, um den Effekt zu verdeutlichen).

    Dieses Kapitel wäre es wirklich wert in gesamter Länge wiedergegeben zu werden. Kerouacs Beschreibungen haben eine unmittelbare Kraft die ihresgleichen sucht.
    Da muss man schon vollkommen blockiert und unsensibel sein um diese stille Freude am Leben und die tiefe Ergriffenheit ob der Schönheit dieses Ortes nicht selbst
    zu spüren. In einem deiner Beiträge hast du, Hypocritia, erwähnt, dass Kerouac durch seinen speziellen Schreibstil versucht eine Bewusstseinsebene anzuzapfen, auf
    die wir normalerweise nur schwer Zugriff haben. Ich stimme dir zu, dass dies nur bedingt funktioniert, aber in den letzten Kapiteln kommt er dieser Fähigkeit sehr
    nah. Wenn du also das Gefühl hast plötzlich auch da oben am Desolation Peak zu sein und die klare Luft zu spüren, dann hat er etwas erreicht, von dem einige Autoren
    nur träumen können. Dann ist er dieser Bewusstseinsebene nahe gekommen und gibt sie dem Leser beinahe körperlich weiter.
    Fazit: Nein, ich halte es auf keinen Fall für totalen Schwachsinn so etwas beim Lesen zu spüren. Es ist nur eine andere Wirklichkeit, die sich dem rationalem Denken
    entzieht. Das Irrationale, welches auch auf den genialen John Burnside eine starke Faszination ausübt, hat durchaus seinen Platz in unserer von Rationalität geprägten
    und dadurch oft festgefahrenen Weltsicht. Natürlich stimme ich dir zu, dass John Burnside diesbezüglich unerreichbar ist und sehr tief aus dieser anderen Ebene schöpft.
    Leider führt das aber auch dazu, dass er desöfteren schlichtweg missverstanden wird und wohl immer nur für einen ganz speziellen Leserkreis zugänglich bleibt.





    wieder wunderschöne Stellen; sogar eine, die mich wahnsinnig erstaunt hat, weil Ray dort zu einem Gedanken gelangt, den ich selbst schon gehabt habe, und den er auch mit einer verblüffend ähnlichen Wortwahl zum Ausdruck gebracht hat – den werde ich hier nicht explizitz erwähnen, weil er mir zu individuell und metaphysisch erscheint und somit hier im Thread nichts zu suchen hat

    Ich musste nicht lange suchen um diese Stelle zu finden und stimme dir zu. Ich empfand ähnliches und ja, das hat hier nichts zu suchen......... :wink:


    Der Schluss tut fast weh, so gut ist er, der Abschied von Mount Desolation, der den allerletzten Blick auf die Hütte beinhaltet: unglaublich, wie da Kerouac durch ein verbales „Augenzwinkern“ die Empfindungen von Ehrfurcht und Dank erst wahr werden lässt, statt sie mit einer gravitätischen Ernsthaftigkeit ins Verlogene zu ziehen.

    Das hätte unangenehm pathetisch werden können, aber Kerouac löst das so genial. Was soll ich sagen? Vielleicht ja, Thank you....und......ein "Blah" für dieses Ende.


    Enden wir einfach mit Kerouacs Haiku aus dem letzten Kapitel:


    What is a rainbow, Lord?
    A hoop
    For the lowly.

    Ein würdiges Ende und ein Haiku, dass Rays/Jacks Wesen so treffend wiederspiegelt. Drei kleine Zeilen die so viel sagen. :pray:


    Zum Abschluss möchte ich noch eine kurze Passage zitieren, die mich persönlich sehr tief berührt hat. Sie soll für sich selbst sprechen:

    Zitat

    Are we all fallen angels who didn`t want to believe that nothing is nothing and so were born to lose our loved ones and dear friends one
    by one and finally our own life, to see it proved? .....
    But cold morning would return, with clouds billowing out of Lightning Gorge like giant smoke, the lake below still cerulean neutral, and
    empty space the same as ever. O gnashing teeth of earth, where would it all lead to but some sweet golden eternity, to prove that we`ve
    all been wrong, to prove that the proving itself was nil.....

    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Kapitel 32 bis Ende (zweiter Teil) ..., dann hat er etwas erreicht, von dem einige Autoren
    nur träumen können. Dann ist er dieser Bewusstseinsebene nahe gekommen und gibt sie dem Leser beinahe körperlich weiter.

    An bestimmte Abschnitte beim Lesen erinner ich mich so gern, dass ich noch einmal das Ende des ersten Kapitels gelesen habe - ich denke, ein paar Post-its an einigen Stellen könnten nicht schaden, damit ich nicht suchen muss ...



    Ich musste nicht lange suchen um diese Stelle zu finden und stimme dir zu. Ich empfand ähnliches und ja, das hat hier nichts zu suchen......... :wink:

    Dass Du diese Stelle sofort identifizieren würdest, war mir eigentlich klar - es hätte mich erstaunt, wenn nicht ...


    Was soll ich sagen? Vielleicht ja, Thank you....und......ein "Blah" für dieses Ende.

    Dem schließe ich mich an - ich fasse es immer noch nicht, dass jemand ein Autor ein Buch mit einem solchen letzten Satz abschließt - einfach genial!


    Zum Abschluss möchte ich noch eine kurze Passage zitieren, die mich persönlich sehr tief berührt hat. Sie soll für sich selbst sprechen:

    Das haut einen einfach um beim Lesen :pray:




    Danke, lieber Barde, für die schöne LR zu einem lohnenswerten, obwohl kontroversen unter anderem weil kontroversen Buch :study::friends: .

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
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