Jack Kerouac - The Dharma Bums (ab 25.12.2012)

  • Am 25.12 beginnen Hypocritia und ich eine Leserunde zu Kerouacs Roman. Wer noch mit uns eine Reise in die 50er Jahre und damit zu
    den Ursprüngen der >Beat Generation< unternehmen möchte, ist herzlich willkommen.


    Nach Kerouacs vor Energie strotzendem Roman >On the Road< wenden wir uns in >The Dharma Bums< einer vergleichsweise ruhigen und
    spirituellen Reise zu, die Kerouac mit einigen Freunden Mitte der Fünfziger Jahre unternimmt.
    Begeben wir uns also mit dieser ungewöhnlichen Gruppe von Außenseitern auf den Weg und die Suche nach ihrer Wahrheit, ihrem ganz
    persönlichen Ausdruck des Dharma.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Hallo :winken: ,
    wenigstens will ich hier im Thread mal kurz hereinschneien am 1. Weihnachtsfeiertag :santa: , wenn es sonst schon keinen Schnee gibt :cry: .


    Mit einem gedrucksten "ho, ho, ho" und einem verlegenen Räuspern muss ich zugeben, dass ich zum Lesen des Vorwortes "A hoop for the lowly" vorgestern und heute einige Stunden gebraucht habe, weil ich immer wieder ins Googeln (Gary Snyder-Gedichte, die vier edlen Wahrheiten des Buddhismus etc.) und darüber hoffnungslos in Nachdenken und Grübeln (z.B. Buddhimus als "neutrale Option" zwischen Kommunismus und Kapitalismus? :scratch: ) verfallen bin. Ich hoffe, dass ich mit der Lektüre der eigentlichen Kapitel etwas schneller vorankomme, denn sonst wird das ein Buch für lange Monate.


    Hoffentlich schaffe ich heute noch Kapitel 1 und 2, damit ich morgen früh posten kann. Ich bin gespannt, was da so alles kommt ... :study:

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ein simples und freundliches 1. Kapitel: Ray Smith verbringt einen Teil der Strecke nach San Francisco, die er schwarz in einem offenen Güterwagon fährt, mit einem dürren ältlichen „Bum“ („Gammler“ oder „Landstreicher“ klingt mir konnotativ unpassend für die positive, fast religiöse Leichtigkeit in der Stimmung des Kapitels); Ray, als ernsthaft praktizierender Buddhist, lädt den „Bum“ zu Wein, Brot und Käse ein, der ihm einen Ausschnitt aus einer Zeitschrift zeigt, ein enorm positives Gebet mit der Vorhersage der Hl. Teresa (die Hl. Teresa von Àvila, nehme ich an?), nach ihrem Tode die Erde mit Rosen und Lilien zu überschütten, und dies dauerhaft.
    Das Kapitel endet mit dem simplen, doch intensiven Genuss einer Nacht an einem kalifornischen Strand, mit einfachem, aber herrlichem Essen, aufgewärmt in Dosen über einem Lagerfeuer, mit Planschen im angenehmen Wasser, mit Singen, mit dem Eingerolltsein in eine Decke am Strand und dem wohligen Sich-der-Müdigkeit-Überlassen, mit dem Sich-nicht-Stören an dem Sand und dem Salz, das überall reinkommt. Das liest sich nicht nur wie ein paar glückliche Stunden, die einer in aller Einfachheit unter dem Sternenhimmel verbringt, sondern diese Stimmung war für mich deutlich zu spüren, das kam sehr gut 'rüber.

    Kapitel 2: Ray Smith lernt Japhy Ryder kennen
    und versteht sich mit ihm auf Anhieb, die beiden scheinen auf derselben Wellenlänge zu liegen. Sie scheinen dem Buddhismus mit derselben Einstellung gegenüberzutreten, sie haben sogar denselben Lieblingsheiligen, wobei Japhy jedoch derjenige ist, der dem Buddhismus nicht nur Anhänger ist, sondern auch dessen unterschiedliche Ausrichtungen und Mythologie ernsthaft studiert hat. Doch Japhy nennt Ray einen „Bodhisattva“, einen weisen Gelehrten.
    Ray ist ganz hingerissen von Japhy und beschreibt ihn und seine Lyrik-.Leung in der Gallery Six mit ungetrübter Begeisterung, alles an ihm findet er außergewöhnlich und toll, sein Aussehen, sein Stimme, seine Lyrik, seine Kleidung, einfach alles.
    Für mich persönlich betrachte ich eine solche Begeisterung für andere Personen immer mit einem gewissen Misstrauen – ich erwarte dann irgendwie die Erkenntnis, dass der andere doch nicht so perfekt ist und seine Fehlerchen hat – mal sehen, ob die zwei sich das gesamte Buch über gut verstehen oder sich mit der Zeit auf die Nerven gehen …
    Witzig finde ich bisher im Buch diese eigentümlich leichte spirituelle Note des Buddhismus und des kleinen, beinahe charmanten, Details mit dem Gebet der Hl. Teresa. Nachdem im Vorwort schon klar gemacht wurde, dass beides, Christentum und Buddhismus, in Kerouacs Leben und damit in Ray Smiths fiktivem Leben im Buch eine zentrale Rolle spielt, bin ich wirklich gespannt, wie Kerouac dies genau im Buch umsetzen wird.
    Bisher absolut leicht und angenehm zu lesen. Ich mich gleich noch über ein Kapitelchen her …



    Kapitel 3: Ray Smith und Alvah Goldbook wohnen sympathisch, einfach, aber genießerisch, mit Schaukelstuhl, Matratzen, einem Haufen Bücher und Musik, auch die nachdenklichen und meditativen Stunden scheint Ray zu genießen, und es scheint bei ihnen manchmal so ausgelassen zuzugehen, dass schon mal einer aus Spaß mit dem Kopf durch die Sperrholzwände bricht.
    Bei Japhy dagegen gibt es Regeln und jede Menge Muster dahinter: nur Strohmatten, Kissen und Orangenkisten als Mobiliar, Schuhe ausziehen, wenn man reingeht, Der Tee wird nach Zen-Ritual vorbereitet, aber auf einem lärmenden Benzin-Kocher (bestimmt sehr Zen :totlach: );
    die Übersetzung des Gedichtes vom Mönch Han Shan (der sich nicht den monastischen Regeln unterwerfen wollte) ins Englische muss gemäß der Billigung durch Sinologen an der Berkeley-Universität erfolgen, sie darf nicht so frei und einfach erfolgen, wie Ray vorschlägt.
    Den Ryoanji-Steingarten finde ich übrigens ziemlich beeindruckend, ich kann das nicht weiter beschreiben – ohne weitere Worte. Rol Sturlasons Analyse dazu finde ich einfach nur „neugescheit“ und viel zu verbal (aber lustig finde ich das bisher eigentlich alles, was die Typen so von sich geben).


    Auch im kurzen Kapitel 4 geht es weiter mit „klugen“ und „meditativ sehr wertvollen“ verbalen Ergüssen – schön, wie sie da ihren Spaß haben … :wink:


    Bisher kommt mir Japhy nicht ganz echt vor (eher ein bisschen wie ein überheblicher kleiner Sch...er), seine Suche kommt mir nicht so ganz nach Reinheit, sondern eher nach Show-Off und Heldenstatus vor, Ray erscheint mir sympathischer, vielleicht auch naiver, reiner und freier in seinen glücklichen Momenten, auch in seiner möglicherweise unsystematischen und nicht so ernsthaft erscheinenden Wahrheitssuche – aber insgesamt ist es sicher viel zu früh, sich da eine Meinung zu bilden, es gibt schließlich noch 30 weitere Kapitel im Buch, es kann also nur mein allererster Eindruck von den beiden sein.



    Kapitel 5 habe ich übrigens gerade angelesen … und muss gerade denken, dass in diesen geruhsamen Weihnachtstagen doch bestimmt viele Menschen ihren Tag mit einem Equivalent einer heiligen tibetanischen Zeremonie beginnen ( :mrgreen: ), wenn sie vielleicht auch nicht „Om Mani Pahdme Hum“ und auch nicht die Übersetzung „Amen the Thunderbolt in the Dark Void“ dazu beten (wer weiß, vielleicht doch? :P )
    … und wieder ist mir Ray sympathisch, der als einziger fragt, was „Prinzessin Dunkle Leere“ wohl denken möge … (Danke, Ray )


    Schönen 2. Weihnachtsfeiertag noch :santa:


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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog


  • (...) Ray, als ernsthaft praktizierender Buddhist, lädt den „Bum“ zu Wein, Brot und Käse ein, der ihm einen Ausschnitt aus einer Zeitschrift zeigt, ein enorm positives Gebet mit der Vorhersage der Hl. Teresa (die Hl. Teresa von Àvila, nehme ich an?), nach ihrem Tode die Erde mit Rosen und Lilien zu überschütten, und dies dauerhaft.


    Es handelt sich um die "kleine Therese von Lisieux". Das Bild vom Rosenregen war ein Ankündigung von (symbolischen) Zeichen von Liebe angesichts einer lieblosen Welt. Siehe unter anderem diese (etwas fromme) Vita der Heiligen:
    http://www.marypages.com/TheresevonLisieux.htm


  • Es handelt sich um die "kleine Therese von Lisieux". Das Bild vom Rosenregen war ein Ankündigung von (symbolischen) Zeichen von Liebe angesichts einer lieblosen Welt.

    #-o Oh ja, stimmt - hätte ich auch wissen können/müssen


    Siehe unter anderem diese (etwas fromme) Vita der Heiligen:
    http://www.marypages.com/TheresevonLisieux.htm

    Genau da liegt wohl der Punkt, warum mein Gedächtnis die "Kleine Heilige Teresia" (und ebenso eine Hl. Teresa Margherita) gnadenlos aussortiert hat - die Hl. Teresia vom Kinde Jesus ist mir (für meinen persönlichen Geschmack) definitiv zu uninteressant, weil einfach zu fromm und ich eine gewisse "Fangemeinde" von ausnahmlos bigotten und heuchlerischen Frauen kennengelernt habe, die bei der Bewunderung für diese Heilige so schön die Augen verdreht.
    Die "Santa Teresa de Jesús" mit ihrer Dickköpfigkeit und ihrem Starrsinn auch den höchsten hierarchischen Stufen gegenüber, die sich von Männern nicht hat unterkriegen lassen, nur weil diese "Männer" waren, bleibt da eher als "Urfeministin" und mit individuellen Ansichten bei mir im Gedächtnis bestehen (ich kam auf Rosen und Lilien eigentlich auf die Schnelle nur, weil ihr Leichnam doch angeblich unverwest einen durchdringenden Blumenduft verströmt hat - aber das war die völlig verkehrte Assoziation zu "Teresa"), auch wenn ich zum ganzen geballten "Ekstasenkram" in jener Zeit, wie ich ihn nenne, doch eher meine Zweifel habe, aber das nur so am Rande ...


    Danke nochmal für die Klärung.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • zu Kapitel 1 bis 4


    How does it feel, to be on your own,
    with no direction home, like a complete unknown,
    like a rolling stone........


    Diese Zeilen aus dem Song >Like a rolling stone< schrieb der junge Bob Dylan in den sechziger Jahren nach einigen Treffen mit dem damals schon
    vom Alkohol gezeichneten, desillusionierten Kerouac. Ein trauriger Nachruf, der allerdings die Zeit der Dharma Bums in ihrer unbeschwerten,
    optimistischen Geisteshaltung nur noch stärker hervorhebt. Für Kerouac wohl die glücklichste Zeit seines Lebens, wie die ersten Kapitel des Romans
    deutlich vermitteln.


    Das liest sich nicht nur wie ein paar glückliche Stunden, die einer in aller Einfachheit unter dem Sternenhimmel verbringt, sondern diese Stimmung war für mich deutlich zu spüren, das kam sehr gut 'rüber.

    Dieses erste Kapitel zaubert dem Leser schon ein Lächeln ins Gesicht. Ray Smith Gedanken zum Begriff "Happy" sind treffend und sehr tief empfunden:

    Zitat

    Happy. Just in swim shorts, barefooted, wild-haired, in the red fire dark, singing, swigging wine, spitting, jumping, running - that`s the way
    to live. All alone and free in the soft sands of the beach by the sigh of the sea out there, with the Ma-Wink fallopian virgin warm stars reflecting
    on the outer channel fluid belly waters.

    Bilder von solcher Kraft entstehen nur aus einem Moment tief emfundener Freude. Sehr schön umgesetzt. Da möchte man mittanzen............



    Für mich persönlich betrachte ich eine solche Begeisterung für andere Personen immer mit einem gewissen Misstrauen – ich erwarte dann irgendwie die Erkenntnis, dass der andere doch nicht so perfekt ist und seine Fehlerchen hat – mal sehen, ob die zwei sich das gesamte Buch über gut verstehen oder sich mit der Zeit auf die Nerven gehen …

    Ray Smith erscheint hier tatsächlich sehr unkritisch vorzugehen. Das grenzt schon ein wenig an Heldenverehrung und hinterlässt auch bei mir ein gewisses
    Misstrauen. Ich denke, dass Kerouac hier durch seinen Ray Smith die erste Freude jemanden gefunden zu haben, der den Weg des Dharma so kompromisslos
    zu gehen scheint, wiederspiegeln lässt. Ob es da noch Brüche geben wird bleibt abzuwarten. Gary Snyder (Japhy) war mit Kerouacs Darstellung seiner Person
    nicht glücklich. Er wollte kein Vorreiter einer neuen Bewegung sein. Wie es im Vorwort so schön geschrieben steht, kannte er seine Grenzen.


    Rol Sturlasons Analyse dazu finde ich einfach nur „neugescheit“ und viel zu verbal (aber lustig finde ich das bisher eigentlich alles, was die Typen so von sich geben).

    Ich hatte das Glück diesen alten Steingarten in Kyoto zu betrachten und stimme dir zu. Eine kopflastige Analyse dieses Gartens ist einfach nur ein Beweis
    dafür, dass Rol nicht verstanden hat was dieser Garten auslösen kann und damit auch nichts vom Geist des Zen verstanden hat. Hinsetzen, schauen und
    schweigen wäre passender.


    Bisher kommt mir Japhy nicht ganz echt vor (eher ein bisschen wie ein überheblicher kleiner Sch...er), seine Suche kommt mir nicht so ganz nach Reinheit, sondern eher nach Show-Off und Heldenstatus vor, Ray erscheint mir sympathischer, vielleicht auch naiver, reiner und freier in seinen glücklichen Momenten, auch in seiner möglicherweise unsystematischen und nicht so ernsthaft erscheinenden Wahrheitssuche –

    Diese Einschätzung kann ich durchaus nachvollziehen, aber wir sind noch recht früh im Buch und es bleibt abzuwarten wie Japhys Verhalten sich im folgenden
    noch zeigt.
    Sehr schön und bodenständig fand ich Rays Vorschlag für die Übersetzung des Haikus. Da geht Japhy viel zu kompliziert und verkopft heran. In diesen Momenten
    scheint Ray in seiner, wie du sagst, reinen und freien Art des Verständnisses dem Geist des Zen viel näher zu sein.


    Ich bin sehr gespannt was diese verrückte Truppe noch so alles durchlebt. In den stockkonservativen fünfziger Jahren müssen diese Leute den normalen Bürgern
    wohl vorgekommen sein wie der Untergang aller bürgerlichen Wertvorstellungen.


    lg taliesin :winken:

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  • Als ich die Dharma Bums vor langer Zeit das erste Mal las, hatte ich, wie ich mich gestern wieder erinnerte, einen Lieblingssong den ich
    in dieser Zeit sehr oft hörte. Es ist >Still<, ein vertontes Gedicht des Poeten >Pete Sinfield<. Die Worte Sinfields erinnern mich stark an
    die Gefühls- und Gedankenwelt des jungen Kerouac. Hier also ein kleiner Auszug des Gedichtes:


    Still I wonder how it is to be a stream,
    From a dark well constant flowing,
    Winding seawards over ancient mossy wheels
    Yet feel no need of knowing.


    Still I wonder how it is to be a tree,
    Circled servant of the seasons,
    Only drink on sky and rake the winter wind,
    And feel no seal of reasons.


    Ich lass das mal ohne weiteren Kommentar einfach so wirken.............


    lg taliesin :winken:

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  • How does it feel, to be on your own,
    with no direction home, like a complete unknown,
    like a rolling stone........


    Diese Zeilen aus dem Song >Like a rolling stone< schrieb der junge Bob Dylan in den sechziger Jahren nach einigen Treffen mit dem damals schon vom Alkohol gezeichneten, desillusionierten Kerouac.

    Davon hatte ich keine Ahnung, dass Dylan diesen Song Jack Kerouac gewidmet hat.


    Bilder von solcher Kraft entstehen nur aus einem Moment tief emfundener Freude. Sehr schön umgesetzt. Da möchte man mittanzen............

    Gut, dass Du die paar Zeilen zitiert hast, taliesin. Merkwürdigerweise funktionieren diese Zeilen bzw. das gesamte Kapitelende für mich, obwohl ich es nun überhaupt nicht mit Eierstock- und Fruchtwasser-Metaphern habe. Mir kommt dieses Bild schräg vor, ich empfand es wie absichtlich eingebaut, aber Du hast sicherlich recht, wenn Du sagst, dass dies für Kerouac ein ehrliches und natürliches Bild ist, dieser ganze Mütterlichkeitskram gehört wahrscheinlich sehr wohl zur buddhistischen Lehre dazu – für mich ist das wieder mal ein Aspekt, mit dem ich vorsichtig umgehen muss, denn ich habe es im Allgemeinen nicht mit (bedingungsloser bzw. kritikloser) „Nachfolge“, „Anhängerschaft“, „Bekenntnis“ zu welcher Lehre auch immer. Wobei im Vorwort irgendwo stand, dass man als Buddhist gar nicht seiner eigenen Religion abschwören muss, sondern sie quasi darin einbetten kann, wenn ich mich richtig erinnere?
    Das Merkwürdige ist für mich jedenfalls, dass die „Schönheit der Stimmung“ aus dem Kapitel für mich intakt bleibt, obwohl solche „Schrägheiten“ formuliert sind, so auch die Sache mit dem Hochrechnen/Potenzieren der Anzahl Sandlörner über IBM und Burroughs-Rechenmaschinen, um auf die Anzahl der von der Hl. Teresia verstreuten Rosen zu kommen.
    Vielleicht gefällt mir gerade diese individuelle, ein bisschen verrückte Betrachtungsweise, dieses sich nicht beugen unter starren religiösen Konventionalismus.
    Ein wirklich schönes erstes Kapitel, da gebe ich Dir völlig recht.



    Ich hatte das Glück diesen alten Steingarten in Kyoto zu betrachten

    Da muss ich doch sofort fragen: wieviel sieht man, was kriegt man mit? Ist das mehr eine öffentlich-touristische Sehenswürdigkeit, oder muss man sich dort gewissen Auflagen wie Schweigsamkeit, Kleiderordnung etc. beugen, mit oder ohne Kamera? Kann man an sonstigen Aktivitäten teilnehmen (den Garten rechen, den Hof kehren, andere Arbeiten, Mahlzeiten, Meditationen etc?), oder bleibt der Rest des Klosters dem öffentlichen Zugang verschlossen?


    Ich bin sehr gespannt was diese verrückte Truppe noch so alles durchlebt. In den stockkonservativen fünfziger Jahren müssen diese Leute den normalen Bürgern wohl vorgekommen sein wie der Untergang aller bürgerlichen Wertvorstellungen.

    Das hatte ich gar nicht bedacht, dass für die 50er Jahre eigentlich Doris Day und Rock Hudson-Filme und so etwas in der Art stehen – solche Bücher müssen tatsächlich sehr schockierend und moralisch verwahrlost gewirkt haben.






    Kapitel 5 sollte vielleicht für eine Frau ein bisschen schwer zu schlucken sein, aber es macht mir eigentlich nichts aus - „Princess“ scheint mir ein bisschen wie wild geworden und frisch losgelassen zu sein (immer unter Beachtung der Einschränkung, dass hier aus der Sicht eines Mann erzählt wird).
    Nach meinem Empfinden benutzt Japhy seine Vergabe der „Bodhisattva“-Anrede zur Manipulation – der Angesprochene fühlt sich so geschmeichelt, obwohl da keine großen Vergaberestriktionen bei Japhy vorzuliegen scheinen, und damit hat er „little Princess“ auch schnell am Wickel.
    Immerhin scheinen alle großen Spaß zu haben, und ich glaube nicht, dass Princess irgendwann mal Schaden aus dem gehabten Spaß nehmen wird, eher schon aus der Erkenntnis, wie sie hier von Japhy manipuliert wurde, wenn sie es denn eines Tages begreifen sollte.


    Witzig finde ich dabei, wie alles in Diskussionen ausartet, wobei Ray sich als einziger Gedanken zu machen scheint über Princess‘ Rolle, seine (für mich etwas verdrehten Gedanken) der Frau als Ursprung für sein Zölibat; auch was sie vielleicht denken mag, dann die Wunschrolle von Princess als „mother of all things“ – Japhy geht ja tatsächlich kurz darauf auf die „Bodhisattva“-Frauen in Tibet und im alten Indien, aber nur um drei Zeilen später wieder von sich selbst und seiner Kindheit in Oregon zu reden – muss der Mann eigentlich immer im Mittelpunkt stehen? Bisher klingt er für mich wie ein alter Langweiler – mal sehen, was er im Laufe des Buches für kluge Gedanken beisteuert …


    Dagegen gefällt mir sehr, wie Jay über Wahrnehmung und Existenz nachdenkt – die alte Frage, ob wir existieren oder alles nur eine Art von Illusion ist:

    Zitat

    ... it’s the other way around nothing has come out of something and that something is Dharnakaya, the body oft he True Meaning, and that nothing is this and all this twaddle and talk. I’m going to bed.

    Man braucht allerdings keinen Buddhismus, um auf solche Gedanken zu kommen, der Gedanke liegt sowieso überall herum, man erkennt ihn oder man erkennt ihn nicht, und das sagt nichts darüber aus, ob dieser Gedanke wahr ist oder nicht wahr ist (das wäre ja religiöse Verkündigung – das ist nicht mein Ding) - ich bin aber gespannt auf näheres hierzu, ob die Einstellung von Japhy und Ray eher „indoktriniert“ oder eher „erlebt“ ist.


    Super interessant finde ich dazu eine Assoziation Kerouac’s aus dem Vorwort (S. XVIII unten):

    Zitat

    What a horror it would have been if the world was real, because if the world was real it would be immortal.

    Auch hierzu kann man sicher nicht erklären, ob es wahr ist oder nicht, was er da sagt, aber es spukt mir als Hypothese im Kopf herum.


    Auch der Schluss von Kapitel 5 ist für mich wieder seltsam poetisch, wenn auch wieder „schräg“ poetisch:

    Zitat

    The old tree brooded over me silently, a living thing. I heard a mouse snoring in the garden weeds. The rooftops of Berkeley looked like pitiful living meat sheltering grieving phantoms from the eternality of the heavens which they feared to face.

    Auch das funktioniert für mich sehr gut, seltsamerweise, obwohl (oder gerade weil?) so etwas Schräges wie das Hören einer „schnarchenden Maus“ oder dem „erbärmlichen lebendigen Fleisch“ der Dächer mich ein bisschen auf Abstand bringt.


    Insgesamt ein gelungenes 5. Kapitel: sogar der philosophische Einschlag ist leicht zu lesen, unterhaltsam, witzig, was zum Nachdenken, ohne Partei ergreifen zu müssen, so etwas lese ich gerne.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
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    Einmal editiert, zuletzt von Hypocritia ()

  • Es ist schon wieder passiert! :wuetend:
    Mein Beitrag ist durch einen kurzen Eingriff der T-Com in den Weiten des Web verschwunden.



    Ich versuch dann später noch einmal alles neu zu schreiben...........

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Es ist schon wieder passiert! :wuetend:
    Mein Beitrag ist durch einen kurzen Eingriff der T-Com in den Weiten des Web verschwunden.

    Den Ärger über so etwas kann ich voll nachempfinden :friends: - das ging mir vorgestern abend haargenauso :cry: .






    Derweilen poste ich dann schon mal zu Kapitel 6:

    Zitat

    Now came the time for our big mountain climb.


    Matterhorn Peak, 3743 m hoch, kann ohne spezielle Bergsteiger-Ausrüstung erklommen werden, er ist der höchste Kamm des Sawtooth-Ridges, gelegen in der Sierra Nevada, West-Kalifornien (sh. wikipedia ).


    Japhy leiht Ray seine Turnschuhe, da er Rays Schuhwerk für untauglich erklärt, und er lässt auch sonst den erfahrenen Bergsteiger-Experten heraushängen, bezüglich Essen und Schlafsack usw..,. Und, was Wunder, wir kriegen mehr von den tollen Kindheitserfahrungen des „Countryboy“ Japhy Snyder zu hören – nichts unbedingt Interessantes, aber Ray scheint begeistert von Japhy zu sein.

    Zitat

    … in fact Japhy was considered an eccentric around the campus, which is the usual for campuses an college people to think whenever a real man appears on the scene …

    “a real man”, das ist Japhy also, OK … :roll:
    Die Tatsache, dass Japhy sich Gedanken macht über die Herkunft der Menschheit, ihre Abfälle und ihre kritiklose Einbindung in Konventionen, finde ich durchaus gut, aber ich hoffe, dass diese etwas wütende Einsicht nicht die einzige Erkenntnis ist, die er aus seinen Ausflügen in die Einsamkeit der Berge und Wälder zieht. Mal sehen ...


    Und dann Morley, der Dritte im Bunde, der nicht auf sämtliche Vorzüge der Zivilisation verzichten will (Luftmatratze, Dosenmahlzeiten), und der einen Haufen verrückten Unsinn auf der Fahrt daherredet. :loool:


    Total amüsiert habe ich mich wieder über Japhys Begründung, warum sie auf dem Bergsteigtrip keinen Alkohol trinken sollten: weil er sich die durch die spartanische Lebensweise auf dem Trip erzielte geldwerte Ersparnis nicht von ein paar Drinks in einer Bar zunichte machen lassen will :totlach: – jetzt muss ich echt mal fragen: empfinde nur ich Japhy als einen kleingeistigen Schaumschläger, zumindest bisher? Ich finde die Type absolut lächerlich bis hierher, ich kann mir nicht helfen - ich dachte, er soll sowas wie ein „Vorreiter für den „Geist des Zen“ sein – was verstehe ich hier falsch? :scratch:


    Was Japhy und Morley dann noch sagen, blicke ich auch nicht – Japhy klingt für mich nur nach altem Angeber, und Morleys Rede nichtssagend – steckt hier irgendeine bedenkenswerte oder gar wichtige Aussage drin, die ich nicht verstanden habe? :-k


    Lustig wird es allerdings, als Morley merkt, dass er seinen Schlafsack vergessen hat und die drei mit den zweien von Japhy und Ray auskommen müssen. Hier kann Japhy aber echt punkten: während Ray und Morley nicht gut schlafen, macht ihm das überhaupt nichts aus und er pennt so gut, dass die anderen zwei neben ihm ein bisschen wie zwei Prinzessinnen auf der Erbse wirken. :P


    Bei diesem Kapitel habe ich mich zugegebenermaßen ziemlich gut amüsiert :totlach: (hoffentlich nicht deshalb, weil ich irgendetwas an dem tollen Japhy nicht richtig verstanden habe 8-[ )

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • – jetzt muss ich echt mal fragen: empfinde nur ich Japhy als einen kleingeistigen Schaumschläger, zumindest bisher? Ich finde die Type absolut lächerlich bis hierher, ich kann mir nicht helfen - ich dachte, er soll sowas wie ein „Vorreiter für den „Geist des Zen“ sein – was verstehe ich hier falsch? :scratch:

    Nur ganz kurz dazu, eh die Verbindung sich wieder verabschiedet.


    Ein Vorreiter wie D. T. Suzuki war er sicher nicht und man muss bedenken, dass Kerouac hier ganz aus seiner, in diesen Anfangszeiten noch recht
    naiven Position heraus schreibt. Auch fällt auf, dass Japhy nachher lustig mitmacht und sein Dogma schnell vergisst. Auch seine Tütenverpflegung
    stockt er später durch Sandwiches auf. Das bestätigt meinen Eindruck, dass Ray viel näher am Buddhismus zu sein scheint als der Reden schwingende
    Japhy, der mir durch seine hochnäsige und belehrende Art auch ziemlich auf die Nerven geht.
    Morley hingegen empfinde ich als eher witzige Figur, der allerdings trotz des Unsinns den er von sich gibt, äußerst erfrischend wirkt. Die vier Charaktere
    passen eigentlich überhaupt nicht zusammen. Daraus entseht eine sehr interessante Spannung, die den Leser im Grunde an Schreckenszenarien denken
    lässt, da er ja weiß, dass diese Chaotentruppe tatsächlich einen Berg ersteigen möchte.
    Morgen mehr, es flackert schon wieder...........


    lg taliesin :winken:

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  • Wobei im Vorwort irgendwo stand, dass man als Buddhist gar nicht seiner eigenen Religion abschwören muss, sondern sie quasi darin einbetten kann, wenn ich mich richtig erinnere?

    Das kann man versuchen und Kerouac hatte ja auch seine Gründe den Bhuddismus näher zu erforschen. Es schien ihm freier als die starren Strukturen,
    die durch die Kirche vorgegeben werden. Er blieb aber immer Christ, was sich ja durch seine Antwort an den Journalisten zeigt, der ihn fragte, warum
    er über Bhudda schrieb und nicht über Jesus: All I write about is Jesus!



    Da muss ich doch sofort fragen: wieviel sieht man, was kriegt man mit?

    Ichb habe damals außerhalb Kyotos in einem kleinen Dojo trainiert und der Sensei nahm mich und zwei andere Schüler mit zum Zen Garten.
    Es war außerhalb der Öffnungszeiten und diese Gelegenheit war für einen >Gaijin< wie mich schon einzigartig. So kann ich leider nichts
    über den sonstigen Verkehr dort erzählen, vermute aber, dass es schon ganz schön überfüllt sein kann.



    Zitat
    What a horror it would have been if the world was real, because if the world was real it would be immortal.


    Auch hierzu kann man sicher nicht erklären, ob es wahr ist oder nicht, was er da sagt, aber es spukt mir als Hypothese im Kopf herum.

    In dem Fall ist Wahrheit wohl etwas sehr subjektives. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er unsere gewohnte Realität als einzig existente sieht,
    oder ob er die Möglichkeit einräumt, dass sich da noch weitere Realitäten verbergen könnten. Alles als Illusion zu bezeichnen ist allerdings schon deshalb
    sehr vermessen, weil uns diese Illusion beizeiten ganz schön feste auf den Kopf hauen kann. (Ok, das war jetzt flabsig :uups: )


    Auch das funktioniert für mich sehr gut, seltsamerweise, obwohl (oder gerade weil?) so etwas Schräges wie das Hören einer „schnarchenden Maus“ oder dem „erbärmlichen lebendigen Fleisch“ der Dächer mich ein bisschen auf Abstand bringt.

    Da hab ich das Gefühl, dass Kerouac sich ein wenig von Ginsbergs Poesie inspirieren lässt. In seinem Gedicht "Howl" nutzt Ginsberg sehr oft solche
    schrägen Vergleiche. Insgesamt finde ich Rays Naturbeschreibungen trotz der schrägen Elemente sehr treffend und intensiv.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

    Einmal editiert, zuletzt von taliesin ()

  • Kapitel 7


    Ja, Hypocritia, ich höre dich förmlich aus dem Frankenlande herüberschimpfen: Japhy weiß mal wieder alles besser und korrigiert Morley
    und Ray während ihrer lustigen "Yodelei". Sein "Hoo" wäre in diesen Bergen passender. Unglücklicherweise übernimmt Ray das Hoo dann
    ebenfalls. Da schimpf ich dann einfach mal mit. Japhy ist ein >Klugscheißer< der extrem nervigen Art und leider nimmt Ray das ganze
    oft zu kritiklos hin.


    Wie auch immer, die Beschreibung dieses wunderbaren Morgens in den Bergen stimmt dann etwas milder:

    Zitat

    A beautiful morning - red pristine shafts of sunlight coming in over the hill and slanting down into the cold trees like cathedral light,
    and the mists rising to meet the sun, and all the way around the giant secret roar of tumbling creeks probably with films of ice in the pools.

    Rays Idee vor der Kletterei noch einmal ein echtes Männerfrühstück zu genießen wird einstimmig angenommen und die Beschreibung wie die Truppe
    dieses Frühstück genießt, lässt einen Gefühl von Einstimmigkeit und Kameradschaft durchscheinen. Das klingt nun schon eher nach Zen:
    Man isst und schweigt. Geht doch Herr Japhy.......... :loool:


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Ja, Hypocritia, ich höre dich förmlich aus dem Frankenlande herüberschimpfen: Japhy weiß mal wieder alles besser und korrigiert Morley und Ray während ihrer lustigen "Yodelei". Sein "Hoo" wäre in diesen Bergen passender. Unglücklicherweise übernimmt Ray das Hoo dann ebenfalls. Da schimpf ich dann einfach mal mit. Japhy ist ein >Klugscheißer< der extrem nervigen Art und leider nimmt Ray das ganze
    oft zu kritiklos hin.

    Barde, gib's zu - Du hast hellseherische Fähigkeiten - Du wirst mir ja richtig unheimlich :totlach: .
    Ich setze einfach mal dazu, was ich heute früh selbst für einen Beitrag vorgesehen hatte:
    Schon klar, wenn Japhy Morley’s Gejodel à la „Yodelayhee“ als weniger schön bezeichnet als die angebliche Indianer-Jodelversion „Hoo“ (jodeln Indianer wirklich, und dann auch noch „Hoo“, oder ist das wieder so ein „Japhy“- Blödsinn? – nee, das is‘ wieder Japhy-Countryboy-Experte-für-alles-Blödsinn, richtig?), dann jodelt auch Ray mit Japhy im alpenhupenmäßigen „Hoo“-Duett – wie sollte es auch anders sein …


    Aber, und jetzt kommt ein dickes "Aber": Ich finde Japhy im Grunde gar nicht zum Kotzen, denn Japhy benimmt sich wie die meisten Menschen um uns herum, ich gestehe, dass ich sogar einiges von mir selbst in ihm wiedererkenne: der kleine Angeber, der seine Kenntnisse gerne 'raushängen lässt, der sich gedrängt fühlt, einfach zu allem, was andere Menschen zu sagen haben, etwas aus seinem eigenen Leben und "Erkenntnisreichtum" beizusteuern - irgendwo fühlen wir uns doch alle immer gedrängt, unsere eigene kleine Wichtigkeit anderen gegenüber zu beweisen, oder? Auch diese Eigenchaft, andern ständig irgendwelche Ratschläge erteilen zu wollen, ist mehr als menschlich - vielleicht nicht die tollste menschliche Eigenschaft, aber eine durch und durch menschliche - die Menschen um mich herum hasse ich deswegen nicht, und ich hoffe auch nicht, dass mich jemand wegen solcher Eigenschaften hasst, und da finde ich Japhy in seinem Platz in der Geschichte mehr als OK, er ist gut so, wie er da drin steht, das Buch macht mir großen Spaß bisher.
    Bezüglich Buddhismus und Zen habe ich sowieso keinen Schimmer, und bin mir auch nicht sicher, ob ich mir viel davon versprechen würde (ich bin schon mit den ersten zwei der vier edlen Wahrheiten nicht bedingungslos einverstanden); in diesem Sinne kann ich die "Dharma Bums" gar nicht in Bezug auf Zen-Wertigkeiten und Zen-Messlatten lesen, aber ich genieße das Buch bisher trotzdem.


    Auch im siebten Kapitel hat mich Ray wieder mit seinem bewussten Genuss des Einfachen überrumpelt, als er ein echtes Vergnügen am kalten Wasser aus dem Hahn in der Diner-Toilette findet – immer unkonventionell und unspektakulär, seine „Quellen inneren Glücks“, aber dafür umso echter – und das habe ich jetzt nicht ironisch gemeint; seine persönlichen kleinen Glücksmomente finde ich gerade deshalb so echt, weil man nicht mit ihnen angeben kann. Außerdem springt durch seine Art, von diesen kleinen Begebenheiten zu erzählen, irgendwie ein positiver Funke auf mich über, und das finde ich einfach genial.


    Ich bin noch nicht so weit im Lesen wie Du, wie mir scheint, bei mir sind es immer noch drei, drei recht chaotische Typen - chaotisch ist immer gut, denn die wundersamsten Gebilde formieren sich aus dem totalen Chaos (z.B. die Galaxien in unserem Universum, auch wenn ihre Entstehung wohl nach dem 2. Gesetz der Thermodynamik erfolgt), und so warte ich ab, was sich aus diesem Chaos-Trio bzw. -Quartett denn so im Laufe des Buches herausbilden wird.



    [align=justify]

    Wie auch immer, die Beschreibung dieses wunderbaren Morgens in den Bergen stimmt dann etwas milder:

    Genau, das ist eine tolle Textstelle - irgendwo ein oder zwei Kapitel früher war mal die Rede von einem "diamond silence" - jene Textstelle ging mir auch sehr unter die Haut. Einfach schön, ohne jeden weiteren Kommentar.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ich bin noch nicht so weit im Lesen wie Du, wie mir scheint, bei mir sind es immer noch drei, drei recht chaotische Typen -


    Auf dem Berg sind es auch nur drei. Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Ich hatte Alva mit einbezogen, der natürlich bei der Kletterei
    gar nicht mitmacht.
    Japhy ist schon recht schwer zu erfassen. Wir müssen uns da ja auf Rays Beschreibung verlassen und die ist ja bis jetzt ausschließlich bewundernd.
    Klar ist er ein kleiner Angeber und dieses hervorheben der eigenen Wichtigkeit ist uns sicher auch allen inne. Ich finde nur er übertreibt es bisher
    ein wenig.
    Im achten Kapitel ändert sich sein Verhalten und auch die Atmosphäre zwischen den beiden Männern, als er allein mit Ray unterwegs ist.
    Aber dazu dann später.


    lg taliesin :winken:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Bad Monkeys

  • Bezüglich Buddhismus und Zen habe ich sowieso keinen Schimmer, und bin mir auch nicht sicher, ob ich mir viel davon versprechen würde (ich bin schon mit den ersten zwei der vier edlen Wahrheiten nicht bedingungslos einverstanden); in diesem Sinne kann ich die "Dharma Bums" gar nicht in Bezug auf Zen-Wertigkeiten und Zen-Messlatten lesen, aber ich genieße das Buch bisher trotzdem.

    Ich denke, diesen Schimmer braucht es auch gar nicht. Ich bin diesbezüglich, vor allem was den Buddhismus betrifft, auch nicht sonderlich gut
    informiert. Einen tieferen Einblick in die Prinzipien des Zen erhielt ich durch meine Ausbildung in den traditionellen japanischen Kampfkünsten,
    aber das hat wenig mit dem zu tun was Japhy und Ray im Buch erwähnen und diskutieren.


    Außerdem springt durch seine Art, von diesen kleinen Begebenheiten zu erzählen, irgendwie ein positiver Funke auf mich über, und das finde ich einfach genial.

    Es ist wirklich faszinierend mit welcher Intensität Kerouac diese Begebenheiten wiedergibt. Seine Beschreibungen der Natur haben eine Kraft die direkt
    auf den Leser einwirkt. Schade, dass ihm die Gelegenheit diese Fähigkeit weiter auszubauen nicht gegeben wurde. Aber vielleicht hat er sie sich ja selbst
    genommen. Sein Lebensweg der von zunehmenden Alkoholkonsum geprägt war deutet darauf hin.


    So, jetzt genieße ich noch das neunte Kapitel, welches schon auf der ersten Seite mit einer wunderschönen Passage beginnt.


    lg taliesin :winken:

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  • Kapitel 8


    Die drei marschieren also los und Japhy ergibt sich wieder in der ein-oder anderen Belehrung zu Rays Gedanken. Eine sehr schöne, wenn auch
    nicht laut geäußerte Antwort Rays auf Japhys "lecture" über "The Void" brachte mich ob der bodenständigen und treffenden Aussage dann doch
    zum schmunzeln. Einerseits bestätigt er teilweise Japhys Aussage, andererseits überprüft er seine eigene Situation und kommt zu einem anderen
    viel treffenderen Schluß:

    Zitat

    Comparisons are odious Smith, he sent sailing back to me, quoting Cervantes and making a Zen Buddhist observation to boot.
    It don`t make a frigging difference whether you`re in the place or hiking up Matterhorn, it`s all the same old void, boy.
    And I mused about that and realized he was right, comparisons are odious, it`s all the same, but it sure felt great and suddenly I
    realized this (......) would do me a lot of good and get me away from drinking and maybe make me appreciate perhaps a whole
    new way of living.

    Ray weiß, dass ihn seine bisherige lebensweise an den Rand und irgenwann auch darüber hinaus befördern würde. Er sieht seine Chance und möchte
    sie gerne nutzen. Er weiß aber auch, dass es Japhy ist, der ihm diesen Weg (wenn auch auf seine eigene schräge Art) ermöglicht. Von diesem
    Moment an ändert sich die Atmosphäre zwischen den beiden merklich. Zum ersten Mal ist da so etwas wie Kameradschaft und eine tiefe innere
    Verbundenheit zwischen den Männern.
    Das alles passiert allerdings erst, als Morley, der unberechenbare Morley, mal wieder den Parade zum stoppen bringt. Er hat vergessen sein Auto für
    die kalten nachttemperaturen vorzubereiten und ergibt sich in sein Schicksal den Weg zum Auto allein zurückzugehen. Später will er sich den beiden
    wieder anschließen. nach einer typischen, mehr oder weniger unverständlichen, Abschiedsrede macht er sich auf den Weg.
    Ray und Japhy Überlegungen zu Morleys Abgang sind nun auch ein Zitat wert:

    Zitat

    You know, I said, I think it doesn`t make any difference to him anyway, he is just satisfied to wander around and forget things.
    "And pat his belly and look at things as they are, sorta like in Chuangtse and Japhy and I had a good laugh watching forlorn Henry
    swaggering down all that road we`d only just negotiated, alone and mad.

    Nun da sie allein sind entwickelt sich diese unbeschwerte Atmosphäre ganz natürlich. Sie reden über Literatur und Haikus, sie lassen sich selbst Haikus
    einfallen und genießen ihren Weg durch die Berge. Am Ende steht dann wieder eine der wunderbaren Beschreibungen der einfachen Freuden........

    Zitat

    ....and pretty soon we got to a bend in the trail where it was suddenly gladey and dark with shade and a tremendous cataracting stream was
    bashing and frothing over scummy rocks and tumbling down, and over the stream was a perfect bridge formed by a fallen snag, we got on it
    and lay belly-down and dunked our heads down, hair wet, and drank deep as the water splashed in our faces, like sticking your head by the
    jet of a dam.

    Die letzten Sätze machen diese kurzen Momente des Gefühls, dass sich hier zwei Gefährten getroffen haben, die sich viel zu geben haben, noch einmal deutlich.

    Zitat

    "Let`s sit awhile and enjoy it."
    "Boy you don`t know how far we got to go yet!"
    "Well I`m not tired!"
    "Well you`ll be Tiger."

    Gut man könnte diese kleine Unterhaltung auch auf die weiteren Lebenswege der beiden hin interpretieren. Dann wäre der Eindruck sehr bedrückend.
    Japhy (Gary) wir noch einen sehr weiten Weg gehen. Ray (Jack) wird tatsächlich sehr sehr müde werden.


    Wie auch immer, ich habe dieses Kapitel sehr genossen. Bisher, für mich der beeindruckendste Abschnitt der Geschichte. :pray:


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  • Kapitel 8 und 9:

    Einerseits bestätigt er teilweise Japhys Aussage, andererseits überprüft er seine eigene Situation und kommt zu einem anderen
    viel treffenderen Schluß:


    Ray weiß, dass ihn seine bisherige lebensweise an den Rand und irgenwann auch darüber hinaus befördern würde. Er sieht seine Chance und möchte
    sie gerne nutzen. Er weiß aber auch, dass es Japhy ist, der ihm diesen Weg (wenn auch auf seine eigene schräge Art) ermöglicht.


    Mensch, ich verstehe (bzw. glaube zu verstehen) dieses Kapitel völlig anders: Wer ist denn schon Japhy, um von „comparisons are odious“ zu reden, er hätte doch noch hinzufügen müssen „comparisions made by people except myself“ – schließlich sagt er in Kapitel 9 (S. 57 oben), als die zwei „Boulder-Ballerinas“ über die Felsen tanzen:

    Zitat

    The cute little problems present themselves at each step and yet you never hesitate and you find yourself on some other boulder you picked out for no special reason at all, just like Zen.

    Klar, ich weiß „zen“-mäßig nicht Bescheid, aber das ist und bleibt ein Vergleich, und damit nach Japhy-Definition „odious“ (dieses Wort habe ich nicht mehr gelesen seit meinem letzten Jane Austen-Roman, klingt für mich irgendwie wie ein „Zicken“-Wort).
    Mit jeder Seite mehr im Buch kann ich weniger verstehen, dass Kerouac so fasziniert gewesen sein soll von Japhy und seinem Gerede, für mich klingt jedes Kapitel bisher humorig, witzig und ein bisschen sarkastisch – das mag sein, dass es so ist wie Du schreibst, taliesin, aber ich kann das aus dem Buch einfach nicht herauslesen oder nachvollziehen – für mich liest sich das so, als ob sich jemand nachträglich ein bisschen über die dilettantische Ernsthaftigkeit dieser Chaoten amüsiert, und ebenso gibt es die tollen, echten Momente, die Kerouac ganz super herüberbringt – ich sag’s einfach mal grad raus, auch wenn das hiermit heißt, dass ich von dem Buch null und gar nichts verstehe.


    Ich kann nicht erkennen, wie diese Art von Lehre/diese Art von Verständnis des Buddhismus als Lehre für irgendjemanden lebensverbessernd wirken kann – 'tschuldigung, ich sehe das einfach nicht. Im Vorwort steht doch auch irgendwo, dass "Kerouac was done with/through with Budhism by the end of the Fifties" – wenn dieses buddhistische Verständnis wirklich so vertieft und verinnerlicht und wertvoll gewesen wäre, wie hätte er ein paar Jahre später „done with it“ sein können?


    Auch die Suche nach Natur und Einsamkeit – beherrscht Ray das nicht schon von Haus aus besser nach all seinen Reisen, die er allein unternommen hat? Japhy tänzelt und kommentiert doch alles, weil er zeigen und weitergeben, als Instrukteur darstehen will – das aber geht für mich an der Suche stockvoll vorbei – für mein Verständnis kann Japhy Ray gar nichts beibringen.
    Der Matterhorn-Peak-Ausflug kommt mir persönlich vor wie eine kindliche Abenteuer-Spielerei, bei der sie sich ständig gegenseitig erzählen, wie toll sie sind – ich kann da keine ultimative oder auch nur annähernd ultimative Weisheit drin finden (falls so etwas tatsächlich existieren sollte, was ich schwer bezweifle). Es leuchtet mir von meiner Warte her nicht ein, wie es sich bei dieser Art, eine Lehre aufzunehmen, um eine Verinnerlichung einer lebenslang gültigen Wahrheit handeln können sollte?
    Es kommt mir sowieso schwierig und außerdem nichtig vor zu erklären, was genau das Schicksal einer anderen Person in andere Bahnen gewendet hätte. Ich möchte für meinen Teil nicht jede Zeile im Buch als prophetisch für Kerouacs Lebensweg interpretieren, ich weiß nichts über ihn – vielleicht war sein Leben insgesamt kürzer und leidvoller, aber wer sagt uns denn, dass Kerouac nicht intensiver und echter gelebt hat (ich sage es nicht, ich kenne mich da nicht aus) – mir persönlich bringt eine solche Erkenntnis nichts, Kerouacs Leben nachträglich im Konjunktiv zu werten und zu interpretieren, und ihm selbst ja nun auch nicht mehr.


    Es ist immer normal, dass man ein Buch unter unterschiedlichen Aspekten liest; mein Blickwinkel liegt einfach weit unter solchen Erkenntnissen, er liegt nur im leserischen Genuss des Ausflugabenteuers, mit einer Menge Unsinn, aber gleichzeitig einer Menge Denkanstößen (ich komme sogar nur ganz langsam vorwärts, weil die Gedanken ständig abdriften). Meine Gedanken entwickeln sich dann nicht unbedingt in Japhy-und Ray-Richtung, aber ich lese schließlich kein Buddhismus-Lehrbuch, denke ich mal.
    Ich habe mich sehr gut unterhalten, als ich von „Ryderee’s“ und „Smithee’s“ Unterhaltungsthemen gelesen habe, und wie unsere beiden „Boulder-Ballerinas“ (ich kann die zwei Typen einfach nicht todernst nehmen, ich pruste andauernd los, und es ist nicht böse gemeint, aber die zwei sind echt amüsant) über die Felsen tänzeln, und ihre Haiku-Diskussionen finde ich einfach zu gut …


    Unglaublich, wie Morley am Anfang mit der Suche nach einem Schlafsack bzw. Decken Chaos in diese Unternehmung hineinbringt, und dann nochmal, als er sich dazu entscheidet, viereinhalb Meilen zurückzulaufen, um das Kurbelwellengehäuse an seinem Auto zu entlüften (da merkt man dem Buch die Fünfziger Jahre an) – das lässt auch wieder denken, warum die zwei ihn nicht begleiten: ist Morley „spießiger bzw. materieller“ veranlagt, oder ist es leichter, Ratschläge über “Wurschtigkeit“, also das „Egalsein“ zu erteilen, weil man nicht der Autoeigentümer ist? Die Kommentare zur für mich sehr selbstgenügsamen Denkweise Morleys, wie Du sie oben in Deinem Beitrag schon zitiert hast, fand ich total gut – die Type wird mir mit jeder Seite sympathischer, obwohl er nicht viel vorkommt im Buch bisher.


    Aber nochmal zu Japhy: Kann Kerouac während des Schreibens wirklich bewundernd an Japhy gedacht haben, wenn er ihn zu Anfang von Kap. 8 sagen lässt:

    Zitat

    „That’s what I like, hitchhiking around, feeling free, imagine though being an Indian and doing all that.”

    Was muss jemand für eine „way of living“ verinnerlicht haben, wenn er so eine Sauerei wie „imagine though being an Indian“ loslässt? So eine Lebensweise könnte vielleicht sogar jemanden wie mich aus Enttäuschung über die Menschheit und ihre heuchlerische Weisheit zum Saufen bringen (tut mir leid, aber das hier musste ich loswerden, das wirkt wie Zunder für eine explosive Diskussion …)


    Aber nicht nur das Tänzeln und die Haikus, nein, auch Rays „a coming Buddha“-Gebet und Japhys Antwort darauf bringt mir wieder so eine Mixtur von Lachen, Irritation und Wegdriften in Gedanken – egal wie, aber das Buch hat einen breiten Effekt auf mich.
    Schön wieder die Szene mit dem Camp, der Beschreibung des Bächleins und des Teetrinkens, obwohl Japhys Lehrsätzchen mit dem ersten bis fünften Schluck auf mich den gleichen Effekt hat wie eigentlich alle seine Kommentare.


    Wie ein Schlüssel kommt mir die Rolle Morleys dabei vor: die Sicherung seines Wohlergehens ist in Japhys buddhistischem Bergbesteigungskonzept überhaupt nicht vorgesehen: wenn er sich weiter unten ein Bein bricht und bewusstlos wird, hm, das war’s dann für Morley. Ich war echt froh, dass sein Jodeln endlich zu hören war, und noch dazu fröhlich und dass er sein „Yodelayhee“ beibehält, fröhlich und positiv, und selbstgenügsam – man kann sich darauf verlassen, dass eine Type wie Morley nicht ausflippt und etwas erzwingen will, sondern schlicht weiter unten campt und pennt, wenn’s dunkel wird – mein Frage wieder: warum konnte Japhy nicht so entscheiden, wie Ray vorgeschlagen hat, unten auf der Wiese zu übernachten? Da hätte Morley sie doch gut erreichen können. Weil er am nächsten Morgen von Speck bratenden Menschen umringt sein könnte? Wenn sein Zen-Konzept nicht zulässt, Morley zu berücksichtigen, taugt für mich entweder der Zen-Buddhismus nichts oder Japhy’s anstudierte Auslegung des Konzepts taugt nichts – egal wie, aber ich finde Japhys Attitüde eine zum kristallklaren Himmel stinkende egoistische Sauerei.
    So wie ich Morley allerdings einschätze, tut das seinem zufriedenen Wesen keinen Abbruch und es macht ihm nichts aus – wenn er tatsächlich so reagiert, wäre ich eher gewillt, Morley als einen Meister für eine tolle Lebenseinstellung zu akzeptieren.
    Man beachte auch, dass Morley als Abstinenzler in Kapitel 7 nicht mit Ray in die Bar gegangen ist, aber Japhy, der ist mit reingegangen, weil er sowieso kein verinnerlichtes Argument fürs "Alkoholfreie" hatte, bei ihm war es einfach leeres Dahingequatsche. Was ich damit sagen will, ist, dass Japhy Ray im Leben nicht vor dem Alkoholismus hätte retten können, aber dass man ihm so etwas nachsagt, ja, da kann ich mir vorstellen, dass ihm das runter geht wie Butter, weil er überall und ständig Selbstbestätigung zu brauchen scheint.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

    Einmal editiert, zuletzt von Hypocritia ()

  • Seltsamer, aber gleichzeitig schöner Gedanke noch auf der letzten Seite von Kapitel 9:

    Zitat

    … ‚twere good enough to have been born just to die as we all are.



    Kapitel 10 und 11:
    Zum Essen im Camp gibt es eine Grütze aus geschrotetem Getreide und dehydriertem Gemüse, die Ray mit Chopsticks unter Zuhilfenahme der Finger isst, später Schokopudding, und wieder Tee aus kristallklarem Bergwasser, alles köstlich und paradiesisch.


    Zu der Sternenleserei und Japhy’s Aussage, dass er aus den Sternen ablesen könne, dass es genau 8.48 Uhr sei, gebe ich besser keinen Kommentar ab, genausowenig wie zur Gletscher-Klugscheißer-Info ein Kapitel zuvor.


    Bei Ray’s aufrichtigem Lob über Japhy’s (angebliche?) Barmherzigkeit gruselt es mich ein bisschen vor Misstrauen – all diese barmherzigen Gaben von Gebetsperlen und Plastikcontainern – aber der Pudding kann nicht für Morley aufgehoben werden, er muss gegessen werden, weil er sonst in der Morgensonne schmilzt? Junge, da oben gibt es Schnee, wo Du den Pudding in einem Pott versenken kannst -da ist so ein Pudding besser aufgehoben als in einem Kühlschrank, und das weiß unsere „elfin but rugged mountain-goat“ auch – bis zum Pudding reicht Japhy’s Barmherzigkeit also nicht.


    Eine zwar eisige, aber schlafreiche Nacht endet mit Morleys fröhlichem Gejodel, zwei Std. später ist er bei ihnen mit seinem lustig-unsinnigen freundlichen Geschwätz und es geht weiter. Der Typ ist echt genügsam, obwohl er die Klappe nicht zuzukriegen scheint, wenn er bei den beiden ist, hat es ihm nichts ausgemacht, die Wanderung bis hier allein verbracht zu haben – er scheint rundum zufrieden, so auch in Kapitel 11, als ihnen bei einer sehr hochgelegenen Wiese klar wird, dass sie sich mit dem Rest des Aufstiegs wahnsinnig beeilen müssen, wenn sie den Gipfel noch schaffen wollen.
    Morley will das gar nicht mehr, er ist müde und zufrieden so weit gekommen zu sein und genießt das Ausruhen auf der Wiese in der Sonne. Japhy und Ray dagegen hetzen hoch, Japhy mit Leichtigkeit, wie es scheint, aber bei Ray setzt auf dem letzten Stückchen Höhenangst ein und er drückt sich quälend und ängstlich in eine kleine Nische, wo er wartet, dass Japhy den Gipfel erklimmt. Es macht ihm viel aus, er fühlt sich sehr schlecht. Dafür hat er meiner Meinung nach gar keinen Grund – er ist doch sehr weit gekommen und hat viel Spaß gehabt – warum sollte er das nicht wertschätzen und sich stattdessen deprimieren, weil er den Gipfel nicht schafft – der Berg läuft doch nicht weg – das kann er doch jederzeit erneut angehen. Morley lässt sich seinen Genuss doch auch nicht nehmen.


    Hoffentlich schaffen es die beiden, Morley und Japhy, Ray in Kapitel 12 seine komische Idee von einem gefühlten Misserfolg wieder auszureden – dafür gibt es nun wirklich keinen Grund – von diesem Wochenende könnte er doch genau solche Glücksmomente schöpfen wie im allerersten Kapitel im Güterwaggon mit dem Bum und dann am Strand
    Wenn ich dieses Kapitel bedenke, muss ich denken: die Japhys dieser Welt sind nicht gut für solche empfindsamen Seelen wie unseren Ray.


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  • zu Kapitel 8 & 9


    Bevor ich zu deiner harschen Kritik an Japhy (durchaus nachvollziehbar) und seinem Verständnis des Zen (muss man kritisch betrachten) sei kurz
    angemerkt, dass Kerouacs Darstellung sicherlich nicht sarkastisch gemeint war. Kerouac war ein sehr einsamer Mann, dessen kritiklose Beschreibung
    einfach aus der Angst entstanden ist jemandem zu verlieren, der ihn (so sieht er es nun einmal) versteht und fördert. So schlimm wir das finden, er
    betrachtete Japhy tatsächlich als Anker. Aber zuerst einmal zu einer Passage aus dem Anfang des neunten Kapitels. Ich war mir eigentlich sicher, dass
    du sie zitierst, aber das ist vielleicht in deinen Bemühungen untergegangen, dass schwer verständliche Verhältnis zwischen Ray und Japhy und ihr
    Verständnis des Buddhismus nachvollziehen zu können. Hier nun diese, wie ich finde, wunderbar eindringliche Passage:

    Er ist sich der Kraft die diese Eindrücke der Natur ihm vermitteln so bewusst, dass man sich tatsächlich fragt, was dieser Mann von seinem Begleiter noch lernen
    könnte. Er ist viel näher an einer tiefen inneren Erkenntnis als der alles kommentierende und im Grunde damit jede spirituelle Erkenntnis verhindernde Japhy.



    Mit jeder Seite mehr im Buch kann ich weniger verstehen, dass Kerouac so fasziniert gewesen sein soll von Japhy und seinem Gerede, für mich klingt jedes Kapitel bisher humorig, witzig und ein bisschen sarkastisch – das mag sein, dass es so ist wie Du schreibst, taliesin, aber ich kann das aus dem Buch einfach nicht herauslesen oder nachvollziehen – für mich liest sich das so, als ob sich jemand nachträglich ein bisschen über die dilettantische Ernsthaftigkeit dieser Chaoten amüsiert, und ebenso gibt es die tollen, echten Momente, die Kerouac ganz super herüberbringt – ich sag’s einfach mal grad raus, auch wenn das hiermit heißt, dass ich von dem Buch null und gar nichts verstehe.

    Ich habe ja schon zu Beginn meines Beitrages versucht dieser Diskrepanz näher zu kommen. Es ist schon schwer erklärbar, dass Kerouac nicht fähig scheint
    zu erkennen, dass japhys Wissen über Zen lediglich angelesen und bestenfalls oberflächlich ist. Da ist nur Theorie und das diskutieren über Theorie.
    Wirkliche Verständnis, aus praktischer Übung entstanden, fehlt da völlig.


    ich sehe das einfach nicht. Im Vorwort steht doch auch irgendwo, dass "Kerouac was done with/through with Budhism by the end of the Fifties" – wenn dieses buddhistische Verständnis wirklich so vertieft und verinnerlicht und wertvoll gewesen wäre, wie hätte er ein paar Jahre später „done with it“ sein können?

    Vertieft, verinnerlicht und wertvoll hat aber keinen Nutzen, wenn einem die Kraft fehlt den Weg weiterzugehen. Alle Erkenntnis hat keinen Nutzen, wenn man
    seine Schwächen nicht erkennt und mit den grundlegenden Dingen beginnt. Ich erinnere an D.T. Suzukis spontane Aussage, die er trifft nachdem er Kerouac
    einmal kurz mustert. "You better stick to green tea" Das ist keine beiläufige Bemerkung, sondern die direkte Erkenntnis, dass die entscheidende und alles
    verhindernde Schwäche des Autors der Alkohol ist. Diesen notwendigen ersten Schritt hat Kerouac nie getan.


    So wie ich Morley allerdings einschätze, tut das seinem zufriedenen Wesen keinen Abbruch und es macht ihm nichts aus – wenn er tatsächlich so reagiert, wäre ich eher gewillt, Morley als einen Meister für eine tolle Lebenseinstellung zu akzeptieren.

    Trotz des eher chaotischen Eindrucks den man von ihm hat, erscheint Morley mir immer mehr als in sich ruhender Charakter, dem es gelingt die Dinge des
    Lebens direkt anzunehmen und ohne zu klagen zu bewältigen.

    Was ich damit sagen will, ist, dass Japhy Ray im Leben nicht vor dem Alkoholismus hätte retten können, aber dass man ihm so etwas nachsagt, ja, da kann ich mir vorstellen, dass ihm das runter geht wie Butter, weil er überall und ständig Selbstbestätigung zu brauchen scheint.

    Das hätte er weder gekonnt, noch hätte er diese Anstrengung unternommen. Diesen Kampf hätte Ray ganz alleine ausfechten müssen. Mit seinem Rückzug
    auf den "Desolation Peak" hat er ja, soviel ich weiß, einen Versuch unternommen, der aber leider scheiterte.


    Morgen dann mehr zu weiteren diskussionswürdigen Punkten.


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