Thomas Hardy - Am grünen Rand der Welt / Far From the Madding Crowd

  • Es ist schon fast eine Sensation, als Bathsheba Everdene, 22 Jahre jung, nach dem Tod ihres Onkels dessen Hof erbt und ganz alleine weiterführen will - absolut unüblich im ländlichen Südengland Mitte des 19. Jahrhunderts.


    Nach nicht allzu langer Zeit gibt es drei Männer, die sich um Bathshebas Gunst bemühen: zunächst der gutmütige, rechtschaffene, aber etwas vom Pech verfolgte Schäfer Gabriel Oak, dann der verschlossene, leicht rätselhafte William Boldwood, dem der benachbarte Hof gehört, und später ein schneidiger, etwas windiger junger Offizier.


    Hardys Beschreibungen von Natur und Menschen gehören zum Schönsten, was ich je gelesen habe. Es ist einfach ein Genuss, wie er Landschaften, Wetter, Stimmungen oder auch ganz profane Tätigkeiten wie die Schafschur oder die Getreideernte zu schildern versteht.


    Dies geht aber nicht auf Kosten der Handlung. Die Geschichte von Bathsheba und ihren drei Verehrern beginnt gemächlich, mit Zufallsbegegnungen und kurzen Ausschnitten aus dem Leben von Gabriel und Bathsheba und läuft mit stetig sich steigernder Spannung auf den Höhepunkt zu, der alle Handlungsfäden miteinander verknüpft. Dabei zeigt Hardy uns nicht nur die Perspektiven der Hauptfiguren mit oft kurzen, aber tiefen Einblicken in ihre ganz unterschiedlichen Gedanken- und Gefühlswelten, sondern entwirft auch einige wunderbare Nebencharaktere, die dem großartigen Gemälde, das im Kopf des Lesers entsteht, zusätzlich Farbe und Lebendigkeit verleihen.


    Neu für mich war ein wunderbar trockener Humor, vor allem in den ersten Kapiteln, den ich von Hardy so noch gar nicht kannte.


    Ein wunderschönes Buch mit unvergesslichen Figuren.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Vielleicht muss ich dieses Buch nochmal zur Hand nehmen. ich habe es vor Jahren angefangen und bald abgebrochen, weil es auf mich einschläfernd wirkte.
    Das war allerdings in meiner wilden Jugend, möglicherweise würde es heute einen anderen Eindruck auf mich machen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Hardy hat einen sehr ruhigen Erzählstil mit vielen, teils recht ausführlichen Beschreibungen. Das muss einem als Leser schon ein bisschen liegen. Für mich ist Hardy in der Hinsicht einer der ganz Großen. Aber ich mochte auch die Landschaften in "Herr der Ringe" :wink:

  • Ich bin kein großer Freund langatmiger Landschaftsbeschreibungen, von daher habe ich einiges in diesem Buch übersprungen. Die Dramatik des Buches ergibt sich hauptsächlich aus den damaligen Moralvorstellungen und Problemen, was aus heutiger Sicht nicht mehr ganz so mitreisst. Zwischenzeitlich stand ich schon davor, das Lesen abzubrechen. Es gibt aber auch positive Elemente wie der schon erwähnte Humor, der das ganze auflockert sowie zum Ende hin eine gewisse ansteigende Spannung. Der Schluss hat mir dann gut gefallen.

  • Das Buch gehört zweifelsohne zu denjenigen, die man nicht jederzeit lesen kann. Man braucht Ruhe, Geduld und Konzentration, um sich zwischen den ausschweifenden Landschaftsbeschreibungen, den langen, sprachlich ausgefeilten Dialogen und den breit beschriebenen Alltäglichkeiten von Heumahd und Schafschur nicht zu verlieren.
    Ich hatte das Glück, das Buch in der letzten Ferienwoche lesen zu können, und mit der Ruhe vor dem Sturm gleichzeitig eine Lektüre zu erwischen, die man langsam genießen muss.


    Thomas Hardy ist der erste Spezialist seiner Zeit für starke Frauen, zu denen auch Bathsheba gehört. Einerseits ist sie Kind ihrer Zeit – auch sie wünscht sich einen Mann an ihrer Seite, Liebe und Familie; andererseits leitet sie erfolgreich eine Farm und ist Chefin über Männer, die auf ihren Feldern schuften, ihre Tiere versorgen und körperlich schwere Arbeit übernehmen.


    Man schreibt zwar das Viktorianische Zeitalter, gleichzeitig schafft sich die Frauenbewegung Gehör. (Irgendwo habe ich gelesen, dass der Autor an Demonstrationen der Suffragetten zum Frauenwahlrecht teilnahm.) In diese Zwischenzeit passt Hardys Protagonistin perfekt.


    Dank an @Conor für die Leihgabe meines besten August-Buches. :friends:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Freut mich sehr, dass Dir das Buch auch so gut gefallen hat!


    Hardy war generell ein sehr fortschrittlicher Denker, was ihm z.B. bei "Jude the Obscure" einigen Ärger eingetragen hat. Ich meine sogar, das Buch sei zeitweise verboten gewesen.

  • Hardy war generell ein sehr fortschrittlicher Denker, was ihm z.B. bei "Jude the Obscure" einigen Ärger eingetragen hat. Ich meine sogar, das Buch sei zeitweise verboten gewesen.

    "Jude the Obscure" kommt auch auf meine Wunschliste. Das Buch war ja damals ein Skandal. Er hat danach leider keine Romane mehr geschrieben. Sehr schade. Für "Tess" hat er ja auch viel Kritik geerntet,weil er die damalige Sexualmoral in Frage gestellt hat.