Silke Scheuermann, Shanghai Performance

  • In ihrem ersten bei Schöffling & Co im Jahr 2007 veröffentlichten Roman "Die Stunden zwischen Hund und Wolf" zeigte sich die in Offenbach lebenden Schriftstellerin Silke Scheuermann als eine Autorin, der es gelang, ihre Herkunft als Lyrikerin nicht zu vergessen und große Poesie in Romanform zu schreiben. Es ging damals über die Desorientierung einer Generation, die an die Veränderung der Gesellschaft nicht mehr glaubt. Und Silke Scheuermann erntete für ihren relativ kurzen Roman allerhöchstes Lob: Eine "hochemotionale Beobachtungskälte" hat Ulrich Greiner in der ZEIT Silke Scheuermann bescheinigt. Doch bei aller Distanz zu ihren Figuren ließ sie die Hoffnung auf einen Neubeginn niemals ganz schwinden.


    Auch in ihrem neuen, hier vorliegenden Roman "Shanghai Performance", in dem sie einen eigenen mehrmonatigen Aufenthalt in Shanghai verarbeitet hat, zeigt sich Silke Scheuermann als skeptische Zivilisationskritikerin, für die Zukunft keine wirkliche Perspektive ist.


    Dabei sieht es zunächst gar nicht danach aus. Denn mit ihren Protagonistinnen aus der schillernden Welt des Kunstbetriebs beschreibt sie zwei Frauen, die jede auf ihre Weise sehr erfolgreich sind. Da ist die Künstlerin Margit Winkraft (der Name ist absichtlich gewählt), die nach spektakulären Erfolgen in Frankreich nun in die angesagte neue Metropole für moderne Kunst, nach Shanghai, gekommen ist, um dort weiter auf der Erfolgswelle zu schwimmen. Und ihre persönliche Assistentin Luisa, der sie vertraut und die ihrerseits sich voll mit dem Werk Margots identifiziert, ein Werk, das die "Schönheit des weiblichen Körpers (preist), dessen Verletzlichkeit, dessen unvermeidlichen Verfall sie in ihren Installationen immer aufs Neue inszeniert oder vielmehr beklagt."


    Aus Luisas Perspektive wird die ganze Geschichte auch erzählt, eine Geschichte, die sie immer mehr am sich auflösenden Nimbus ihrer Meisterin zweifeln lässt, und die ihren langsamen Weg in eine neue selbstbestimmte Existenz beschreibt. Ernüchterung macht sich breit bei Luisa nicht nur über eine Frau, die sie einst fast anbetete, sondern auch über die Stadt Shanghai, deren ungehemmtes Wachstum ihr wie ein Bild für das ganze Leben scheint: "Keine Stadt der Welt ließ den Besucher so tief, so detailliert in die Zukunft blicken: in eine völlig leere, ereignislose Zukunft."


    Und ähnlich wie sich am Ende von "Die Stunde zwischen Hund und Wolf" ein zarter Hoffnungsschimmer eines Neubeginns andeutete, wird auch Luisa jene Welt des Glamours verlassen und zurückkehren in ihre alte Existenz.


    Ein beachtlicher Roman, angesiedelt in der modernen Kunstszene, der aber zwischen den Zeilen auch die möglich-unmöglichen Formen weiblicher Identität thematisiert.