Donna Leon: Schöner Schein

  • Kurzmeinung

    Frühlingsfee
    Mittelprächtig. Schon wieder Müllproblematik. Und Schönheitsoperationen. Für mich zuviel Cicero.
  • Quelle:
    http://www.diogenes.ch/leser/k…/a-z/s/9783257067453/buch
    Donna Leon
    Schöner Schein
    Commissario Brunettis achtzehnter Fall
    Aus dem Englischen von Werner Schmitz
    Nichts als schöner Schein – das denken sich wohl die Leute, wenn sie »la Superliftata« in der Calle begegnen. Brunetti aber merkt, dass sich hinter den starren Zügen von Franca Marinello Geheimnisse verbergen. Nicht anders als hinter den feinen Fassaden von Venedig: Den Machenschaften der Müllmafia auf der Spur, entdeckt Brunetti die Kehrseite der Serenissima.
    Mehr zum Inhalt
    An einem eisigen Winterabend bemerkt Brunetti eine Blondine in Pelz und Highheels, als er mit Paola zu einer Essenseinladung bei den Faliers unterwegs ist. Die blonde Frau erweist sich als seine Tischnachbarin und trotz ihrer maskenhaften Züge als unerwartet profund: Sie hat sowohl Cicero als auch Ovid gelesen und beeindruckt damit Brunetti mehr, als ihm selbst lieb ist. Doch nicht nur hinter die Fassade von Franca Marinello – »la Superliftata« – zu blicken ist schwer. Es gibt auch undurchsichtige Giftmüllgeschäfte, die immer weitere Kreise ziehen. Der Sonderbeauftragte der Carabinieri hat den Commissario kaum um Amtshilfe ersucht, da wird Guarino auch schon tot aufgefunden. Brunettis einzige Spur: ein Gesicht im Dreiviertelprofil, per Handy in irgendeiner Bar in Venedig aufgenommen. Müllmafia und Metamorphosen: Brunetti braucht mehr Intuition denn je, um diesen Fall zu lösen und Klarheit in seine Gefühle und Gedanken zu bringen.
    LG
    Serjena

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Endlich mal wieder ein guter Brunettiroman!
    Nachdem (nicht nur) ich bei den letzten 3-4 Bänden stetig nachlassende Qualität gespürt habe, scheint Donna Leon beim 18. Fall des venezianischen Commissarios erfreulicherweise wieder zu ihrer alten Stärke zurückgefunden zu haben. Klar ist, dass nach 18 erfolgreich gelösten Kriminalfällen und ebenso vielen Jahren irgendwann nicht mehr viel Neues kommen kann. Man kennt und liebtt das „Stammpersonal“ und ihre Eigenheiten: Guido und Paola Brunetti, Chiara und Raffi, Vice Questore Patta, Ispettore Vianello und meine Lieblingsfigur Signorina Elettra. Jeder hat seinen Platz und seine Aufgabe, die mir seit Jahren bekannt sind.
    Insofern gibt es inzwischen (für mich) leider nichts wirklich Neues mehr zu entdecken in diesen Romanen, denn alle Facetten sind wohl inzwischen hinreichend ausgelotet. Aber ein neuer Brunettiband ist für mich immer wie ein Wiedersehen mit alten Freunden, und ich freue mich immer sehr darauf.


    Gewohnt souverän verbindet Leon eine Mordermittlung mit philosophischen Gedankenspielen und Betrachtungen der Gesellschaft, wobei auch an Kritik nicht gespart wird. Schöner Schein – oder auch: Außen hui, innen pfui. Dies ist das Grundthema, welches sich in verschiedenen Variationen wie ein roter Faden durch den Roman zieht. Im Vordergrund steht die in Italien nicht zu unterschätzende Müllentsorgungsproblematik. An diesem im wahrsten Sinne des Wortes dreckigen Geschäft verdienen sich die Mafia sowie gediegene Wirtschaftsbosse dumm und dämlich.


    Ebenfalls trügt der Schein über die maskengleich wirkende „Superliftata“ Franca Marinello, welche Brunetti bei einem Dinner bei seinen Schwiegereltern kennenlernt und die ihn zunächst nur privat sehr beschäftigt. Wie kann eine Frau, die „so“ aussieht, Cicero und Ovid lesen? Auch hier trügt der Schein, denn Signora Marinello ist innerlich schöner als äußerlich, was Brunetti verblüfft und nachhaltig beeindruckt. Im späteren Verlauf der Handlung enthüllt sich noch so manch anderes Geheimnis über „La Superliftata“ und zeigt wiederum – vieles ist nur schöner Schein.


    Etwas mehr erzählerische Geradlinigkeit und etwas weniger aufdringliche Moralkeule hätte ich mir gewünscht. Auch scheint mir Signora Leon ruhiger geworden zu sein und so auch ihr Commissario. Achtzehn Jahre gehen eben an niemandem spurlos vorbei. Die Bände der Anfangszeit waren oftmals trotz der stets gemächlichen Grundstimmung deutlich aktionsgeladener, das vermisse ich inzwischen etwas. Es dauert auch im vorliegenden Band recht lange, bis endlich etwas Fahrt in die Geschichte kommt und die Erzählung sich vom Randgeplänkel auf das Wesentliche konzentriert. Ich fand es zuweilen auch sehr schwierig, nachzuvollziehen, wie die einzelnen Fäden zu einem stimmigen Ganzen zusammenlaufen, mir haben sich einige Zusammenhänge nur bedingt erschlossen, was aber auch an dem etwas schwefälligen Erzählstil gelegen haben kann.
    Insgesamt ist dieser Roman aber einer der besseren aus der Brunetti-Reihe, der über die Flaute der letzten Jahre hinweg tröstet und neugierig auf die Folgebände macht.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Mir hat der Roman nicht so gut gefallen. Es ist der 18. Fall von Commissario Brunetti und langsam wird es auch mein letzter Fall sein.


    Die Grundstimmung ist gerdrückt und von Misstrauen geprägt. Man fühlt gleich, dass die italienische Polizei durch Angst und Korruption sich selbst im Weg steht und man in den eigenen Reihen keinem trauen kann. So kam für mich auch keine Handlung bei der Mordermittlung auf und Brunetti verfängt sich zu sehr in seinem Moralgedanken. Es las sich auch nicht unbedingt flüssig.


    Von mir daher nur :bewertung1von5: :bewertung1von5: .

    :flower: Das Leben findet immer einen Weg und blüht pötzlich da wieder auf, wo man es am wenigsten erwartet.

  • Seit einigen Jahren lese ich regelmäßig Brunetti Krimis. Bei den ersten, die ich gelesen habe, kann ich mich sogar noch an Inhaltliches erinnern: "Venezianisches Finale", "Acqua Alta" oder "Die dunkle Stunde der Serenissima" würden mich jederzeit wieder bestens unterhalten und zum Nachdenken anregen .
    Aber seit einigen Jahren freue ich mich zwar jeweils, wenn ich ein neues Buch in der Bücherei leihen kann. Aber irgendwie habe ich die Geschichten sehr schnell vergessen, sie sind in meiner Erinnerung schall- und klanglos untergegangen. Ich fürchte dieses Schicksal wird auch "Schöner Schein" ereilen.
    Die Thematik Müllentsorgung im Zusammenhang mit organisiertem Verbrecher ist zwar ein Dauerbrenner und sicher imemr wieder ein lohnenswertes Motiv. Die familiäre Situation der Familie Brunettis ist wiederum angenehm vertraut dargestellt. Und doch fehlt irgendwie der Kick. Die Lösung des Falles bleibt irgendwie schwammig. Man weiß am Ende zwar, weshalb die Opfer umgebracht wurden, die Details der Morde sind aber nicht Thema des Buches.


    Der deutsche Titel bedient das beliebte Motiv des Gegensatzes Schein - Sein und wurde vom Verlag wahrscheinlich gewählt, weil der Leser ziemlich lange bezüglich einer Person in die Irre geführt wird. Aber eigentlich trifft es der Originaltitel "About Face" besser.


    Liebhaber von Cicero und anderer klassischer römischer Literatur kommen in diesem Buch voll auf ihre Kosten. Dem Nicht-Lateiner bleibt der Eindruck, dass alles eigentlich schon mal in der Literatur beschrieben ist. Wozu braucht es denn noch mehr Bücher?


    Ich schwanke ein bisschen zwischen der Ansicht, dass sich der Protagonist Brunetti langsam etwas abgenutzt hat und andererseits der Bewunderung, dass Donna Leon diesem Charakter solange treu geblieben ist und im Vergleich zur Regiokrimi Schwemme, die wir gerade erleben, immer noch sehr hohe Qualität abliefert. Ich denke mal, ich werde auch die weiteren Brunetti-Fälle lesen, auch wenn sie vielleicht nicht so nachhaltig wirken, wie sie es früher taten.


    Ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude. Ich erwachte und sah, das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht ist Freude!
    Rabindranath Tagore (1861-1941)


    Lha gyal lo - Free Tibet!

    Wir sind grüüüüüün!!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Felicitas18 ()

  • Stil & Sprache
    Wer die Bücher von Donna Leon kennt, weil was ich meine, wenn ich sage, ich liebe Ihre kultiviert Ausdrucksweise. Die Dialoge zwischen Brunetti und seiner Frau Paola sind kultiviert, gut geschrieben und auch Argumentativ auf höchsten Niveau.
    Das ist ein großer Bestandteil der Bücher und warum ich sie gerne lese.
    Ein andere Schwerpunkt sind die „Wanderungen“ mit Brunetti durch Vendig.
    Der Verlag hat einen Stadtplan von Venedig herausgeben, in dem die Schauplätze nachvollzogen werden können, was das Lesen noch Eindrucksvoller macht.
    Und krönender Abschluß bei den Büchern ist immer noch der Stil der Autorin brisante Themen anzusprechen, ob es nun Giftmüll ist oder in diesem Fall Schönheitsoperationen.


    Figuren
    Ich lese die Bücher immer wieder gerne, weil ich die Personen in den Büchern gerne mag:
    Paola für ihr klaren Ansichten, Brunetti der im um Gerechtigkeit kämpft und seinen Umgang mit seinem unkompetenten Chef, Vice-Questore, weil er immer so herrlich dramatisch sich um Dinge versucht zu drücken und dabei nicht das Gesicht zu verlieren, Signora Elletra für ihr unerschütterliche Art Recherchen auszuführen, die an den Regel vorbei sind….



    Fazit
    Ein schönes Buch, was wiedermal vielschichtig, aufrüttlerisch und athmosphärisch geschrieben ist.
    Donna Leon zu lesen, ist für mich immer wieder wie Urlaub bei Freunden in Venedig.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

  • "Schöner Schein" kenne ich noch nicht, aber das Buch steht schon auf meinem Wunschzettel.
    Ich liebe Donna Leon, weil ich ein Italienfan bin und schon sehr oft meinen Urlaub dort verbracht habe.

  • Längst haben die Brunetti-Filme den Büchern den Rang abgelaufen, auch wenn sie sich nicht immer ganz an die Vorlage halten.


    Während Uwe Kockisch in Würde und Schönheit altert, bleibt sein literarischer Alter Ego immer gleich, ebenso wie dessen Ehefrau, Kinder, Sekretärin, Chef, usw. Das einzig Überraschende in diesem Band: Signorina Elettra hinterlässt bei ihrer illegalen Hackertätigkeit Spuren. die vom Betroffenen bemerkt werden. Und Brunetti zeigt Interesse für eine Frau, die weder seine Ehefrau noch seine Sekretärin ist. Bleibt aber dennoch im treuen Bereich.
    Ansonsten gepflegte Langeweile. Das Thema Müll zum dritten Mal wiedergekäut.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)