Kurzbeschreibung von Amazon.de:
Sie ist beliebt, privilegiert und talentiert. Sie ist Teil eines Systems, das sie schützt und versorgt. Und sie hat eine glänzende Zukunft vor sich Rias Leben könnte nicht besser sein. Doch dann wendet sich das Blatt: Mit einem Mal sieht sich Ria einer ihr feindlich gesinnten Welt gegenüber und muss ums Überleben kämpfen. Es beginnt ein Versteckspiel und eine atemlose Flucht durch eine karge, verwaiste Landschaft. Verzweifelt sucht Ria nach einer Erklärung, warum ihre Existenz plötzlich in Trümmern liegt. Doch sie kann niemandem mehr vertrauen, sie ist ganz auf sich allein gestellt.
Über die Autorin (von Amazon.de):
Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren, studierte sich einmal quer durch das Angebot der dortigen Universitäten und landete schließlich als Redakteurin bei einem medizinischen Fachverlag. Nach dem fulminanten Erfolg ihres Jugendromans "Erebos" widmet sie sich dem Schreiben. Sie lebt mit ihrer Familie im Süden von Wien.
Handlung:
Die Zukunft in Deutschland. Das Leben, wie wir es heute kennen, ist schon lange Vergangenheit. Einzig einige Städtenamen haben noch Bestand, allerdings in anderer Form, z.B. beim Schauplatz dieses Buches: Neu-Berlin. Die 18jährige Ria ist eine hervorragende Studentin und bestrebt, im Leben etwas zu erreichen. Sie nimmt einen hohen Platz in der hiesigen Studentenrangliste ein und mit Aureljo, dem unangefochtenen Spitzenreiter, verbindet sie mehr als nur Freundschaft. Doch eines Tages trifft es sie wie ein Schlag: Sie belauscht ein Gespräch hochrangiger Männer und wird dort zusammen mit Aureljo als Teil einer Verschwörung genannt und schon bald soll sie die Todesstrafe ereilen. Sie ist völlig außer sich, würde sie doch niemals das System, dem sie so viel zu verdanken hat, hintergehen. Da sie befürchtet, abgehört zu werden, kann sie sich nur unter erschwerten Umständen Aurelio anvertrauen, der das Ganze nicht so wirklich ernst nimmt. Von nun an geht sie mit weit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Wie lange wird es noch dauern bis das schreckliche Urteil vollstreckt wird? Wird es wie ein Unfall aussehen oder wird es ein heimlicher Anschlag? Und wer steckt dahinter? Etwa gar der ziemlich radikale Tudor, die Nummer 2 unter den Studenten, den sie noch nie leiden konnte und der mit Aurelio in einem Wettstreit um die Führung liegt? Und wenn, warum sollen dann noch einige ziemlich unbedeutende Studenten, die sie noch nicht einmal kennt, mit an der Verschwörung beteiligt sein? Als kurz darauf bekannt gegeben wird, dass einige verdiente Studenten den Präsidenten besuchen durfen, und "die Glücklichen" rein zufällig genau die angeblichen Verschwörer sind, beginnt Ria, sich auf das Schlimmste einzustellen. Mit einer Magnetbahn sollen sie dorthin befördert werden und unterwegs kommt es zu einem Zwischenfall, der Ria und ihre Freunde endgültig aus dem behüteten Schoß der Sphäre reisst und sie in eine schneebedeckte, kalte und freudlose Welt zieht...
Meine Meinung:
Nun ist also auch Ursula Poznanski, die bisher ausschließlich sehr gute Bücher veröffentlicht hat, auf den unaufhaltsamen Dystopie-Zug aufgesprungen und hat mit „Die Verratenen“ den ersten Teil einer Trilogie vorgelegt. Im Normalfall hätte mich der Klappentext nicht vom Hocker gerissen, aber ich muss zugeben, dass ich hier wegen der Autorin zugeschlagen habe und sehr gespannt war, wie sie ihren Teil zu diesem momentan boomende Genre beiträgt. Und soviel soll schon gesagt sein: Die Autorin hat hier ein weiteres Mal ein absolut geniales Buch vorgelegt.
Auffallend ist zunächst mal das sehr einfach gehaltene, fast komplett schwarz-weiße Cover. Ich kann mich nicht wirklich entscheiden ob diese Schlichtheit retromäßig gut aussieht oder ob es eher einfallslos und langweilig ist. Gespannt bin ich jedenfalls wie die Folgeteile aussehen werden, die ja vermutlich ähnlich gestaltet sein werden.
Zuerst muss man sich einmal einen Überblick über die Welt, die hier dargestellt wird, verschaffen. Sie wirkt auf den ersten Blick sehr friedliebend. Die Sphären sind überdachte, kuppelartige Lebensräume, die Schutz, Nahrung und Wärme geben. Die Menschen, die das Vorrecht haben in den Sphären zu leben, sind gebildet, redegewandt und haben ein gepflegtes Äußeres. Es gibt noch Menschen, die außerhalb des zivilisierten Wohngebiets in Armut und Not hausen, manchmal abschätzend Prims genannt, aber von offizieller Seite wird viel Mitleid und Nächstenliebe an die weniger Privilegierten vergeben und gehofft, dass man sie eines Tages alle aufnehmen kann und das obwohl es regelmäßig Überfälle incl. toter Sphärenbewohner auf Lebensmitteltransporte und Erkundungsteams gibt. Wenn man allerdings genauer hinsieht, sieht es schon wieder ein wenig anders aus und man fragt sich ob hier mehr Schein als Sein ist und inwiefern die Welt dieser Zukunft einem Überwachungsstaat gleicht: Es gibt einen Wettstreit unter den Studenten mit einer Rangliste, die an Tafeln angebracht ist. Umso weiter man oben steht, umso größer ist die Chance, im späteren Leben vorwärts zu kommen und eine hohe Stellung einzunehmen. Ein Großteil der hier lebenden Menschen kam nicht auf natürliche Weise auf die Welt, sondern wurde im Reagenzglas gezeugt. Eine Familie zu haben gilt nicht als Vorteil, um sich stattdessen durch die Erziehung des Staates besser auf die Bildung konzentrieren zu können. Um ansprechend würdevoll auszusehen gibt es sogar Operationen, bei denen Gesichtszüge verändert oder Muttermale weggemacht werden.
Die Studenten sind geschult darin, Körpersprache einzusetzen und auch darin, diese bei anderen Menschen richtig zu deuten.
Als Leser wird man ohne jegliche Erklärungen direkt in diese Welt geworfen und man muss sich erst einmal einen Überblick verschaffen über einige neue Begrifflichkeiten und den Ablauf des täglichen Lebens der Sphärenbewohner. Oft würde ich mir für solche Fälle so etwas wie eine kurze Einführung wünschen, aber Ursula Poznanski hat es sehr gut geschafft, dass man sich schnell zurechtfindet. Aber kaum hat man sich eingewöhnt, wird einiges schon wieder über den Haufen geworfen. Ria belauscht ein Gespräch, in dem es darum geht, dass eine Verschwörung im Gange sein, die mit dem Tode bestraft werden soll und als unter anderem ihre Nummer und die ihres Freundes Aurelio, die Nummer 1 in der Rangliste der Studenten in Neu-Berlin, genannt werden, bleibt ihr fast das Herz stehen. Zudem wird darüber gesprochen, dass die Gespräche der Studenten abgehört werden. Dies bringt ordentlich Feuer in die Geschichte, denn Ria weiß nicht, auf welche Weise sie bespitzelt wird und muss somit immer damit rechnen, dass jemand mithört. Sie weiht heimlich Aureljo ein und von nun an können sie nur Andeutungen darüber machen und sich kryptisch über dieses Thema unterhalten. Somit war von Anfang an für große Spannung gesorgt und als es bald zum Besuch beim Präsidenten kommen soll, sind nicht nur Ria und Aureljo angespannt, sondern auch der Leser. Man rechnet ja damit, dass etwas passieren wird, nur weiß man nicht, wann genau und auf welche Weise. Schon nach diesem furiosen Beginn war ich absolut begeistert. Ich will nicht zuviel verraten, aber dann beginnt eigentlich erst die Haupthandlung und jede Seite, die darauf folgt, war einfach nur ein Lesegenuss voller Spannung, Unterhaltung und Mitfiebern, so dass man die Zeit vergisst wenn die Seiten nur so vorbeifliegen.
Die Hauptpersonen waren sehr gut gezeichnet und ihren Charakter konnte man schon nach sehr kurzer Zeit verinnerlichen. Die 18jährige Ria ist sehr sympathisch. Einerseits ist sie dem System treu ergeben, sehr pflichtbewusst und will in ihrem späteren Leben etwas erreichen, aber andererseits könnte man sie durchaus auch als Querdenker bezeichnen, der hinterfragt und sich seine eigenen Gedanken macht. Ihr Freund Aurelio ist die unangefochtene Nummer 1 unter den Studenten und quasi ein Musterbeispiel eines jungen Menschen, der in der Gemeinschaft einmal eine sehr wichtige Rolle einnehmen wird. Die angeblichen Mitverschwörer lernt man erst später besser kennen und auch hier war jeder einzelne ein Gewinn für das Buch.
Der Schreibstil Ursula Poznanskis ist gewohnt flüssig, schnell zu lesen und mit angenehmen Formulierungen, die einem manchmal auf der Zunge zergehen, z.B. „Die beiden nächsten Tage verstreichen zäh und träge, als wären sie zu erschöpft, um die Zeit in normalem Tempo ablaufen zu lassen.“ Die Welt, die die Autorin geschaffen hat, ist sehr interessant, vielschichtig, detailreich und hat Hand und Fuß. Schon nach wenigen Seiten kommt es einem vor als ob man sich schon viel länger in ihr bewegen würde. Trotzdem werden noch genügend Geheimnisse und Hintergründe aufgespart, die man erst nach und nach erforschen wird.
Fazit: Ich kann nur hoffen, dass die Fortsetzung bald erscheint, denn die Spannung wie es weitergehen wird, ist kaum zu ertragen. "Die Verratenen" ist die beste Jugenddystopie, die ich jemals gelesen habe und für Poznanski-Fans ein absolutes Muss. "Die Verratenen" wird definitiv eins meiner Jahres-Highlights werden!