Kurzbeschreibung von Amazon.de:
Ein aufsehenerregender Mordfall, eine Mediensensation: Der Berliner Stararchitekt Julian Götz ist angeklagt, seine Frau und seine beiden kleinen Töchter bestialisch ermordet zu haben. Nachts, im Schlaf. Alle Indizien deuten auf ihn als Täter, doch er beschafft sich ein Alibi. Der junge Drehbuchautor und Journalist Ben Lindenberger wittert seine Chance, mit einem spektakulären Buch über den Fall zu Bestseller-Ruhm zu gelangen, und stellt Nachforschungen an. Doch bald schon ist er nicht mehr Herr des Geschehens und gerät in einen Sog aus Machtgier, Intrigen, dunklen Geheimnissen und Begierden.
Über den Autor (von www.droemer-knaur.de):
Jonas Winner, geboren 1966 in Berlin, promovierter Philosoph, arbeitete nach dem Studium in Berlin und Paris als Journalist, Redakteur für das Fernsehen und als Drehbuchautor (ARD, ZDF, Sat 1). 2011 startete er, als ePub-Original, seinen siebenteiligen Fortsetzungsthriller Berlin Gothic, der im Netz ein sensationeller Erfolg ist. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
Handlung:
Der Drehbuchautor Ben Lindenberger hat langsam genug von seinem Job. Jedes seiner Schriftstücke wird verstümmelt, geändert, verkürzt. Als er von einem aktuellen Kriminalfall hört, trifft ihn ein Geistesblitz. Er entscheidet sich, seine aktuellen Projekte beiseite zu liegen um ein Buch über diesen Fall zu schreiben. Der sehr erfolgreiche Architekt Julian Götz wurde angeklagt, seine Frau Christine und seine beiden kleinen Töchter Svenja und Pia brutal ermordet zu haben. Eindeutige Beweise exisitieren nicht, jedoch gibt es auch keine Spuren eines Einbruchs und Julian Götz behauptet zum Tatzeitpunkt mitten in der Nacht einen Spaziergang gemacht zu haben. Ben glaubt an die Unschuld von Götz und kann ihn für das Projekt gewinnen. Er lernt dessen Schwägerin Sophie kennen, die ihn auch mit dem Rest der seltsamen Familie bekanntmacht. Der Fall nimmt Ben regelrecht gefangen, so dass er außer seinem Projekt kaum mehr etwas anderes von seiner Umwelt wahrnimmt. Sowohl die außergewöhnlichen und Angst einflößenden Bauprojekte des charismatischen Architekten als auch dessen Verhältnis zur Familie seiner Ehefrau ziehen Ben in eine Gewaltspirale, aus der er nicht mehr rauskommt. Hat er am Ende gar selbst etwas mit dem Mord zu tun?
Meine Meinung:
Jonas Winners letzter Thriller „Davids letzter Film“ hat mir sehr gut gefallen und deswegen habe ich mir „Der Architekt“ auch gleich zum Erscheinungstermin besorgt. Ging es im Vorgänger noch um einen außergewöhnlichen Filmemacher, ist dieses Mal ein Architekt der heimliche Star des Buches. Dadurch, dass beide Male die Werke eines Künstlers eine große Bedeutung für die Handlung haben, kann man durchaus Parallelen in den beiden Psychothrillern erkennen. Leider hat es dieses Mal mit der Spannung nicht ganz so gut geklappt.
Wirklich gut hat der Autor einen Mythos um den Angeklagten Julian Götz aufgebaut. Warum sollte ein erfolgreicher und berühmter Architekt, in dessen Leben anscheinend alles gut gelaufen ist und der nie Anzeichen von Gewaltausbrüchen gezeigt hat, plötzlich seine Familie ermorden? Wenn man allerdings mehr von seinen Projekten erfährt, ist der Leser trotzdem geneigt, dessen geistige Gesundheit zu hinterfragen. Schon in Jugendtagen war es sein Ziel, Gebäude zu erschaffen, die eine große Auswirkung auf die Psyche von Menschen, die diese betreten, haben sollten. Außerdem kam es mir immer so vor als ob ihn der Tod seiner Familie nicht so viel ausmachen würde und er größtenteils damit beschäftigt ist, nur seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Das Rätselraten ob er es denn nun wirklich war oder doch jemand anders, macht einen wichtigen Teil des Buches aus und diese Frage ist von der ersten bis zu letzten Seite omnipräsent.
Die Hauptfigur Ben war nie so wirklich mein Fall. Ich fand ihn weder besonders sympathisch, noch konnte ich richtig mit ihm mitfiebern. Er ist zwar schon auf eine gewisse Weise interessant, aber auch sehr von sich selbst überzeugt, immer auf seinen eigenen Vorteil bedacht und seine Anziehungskraft auf die Damenwelt konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Wie er allerdings durch seine Nachforschungen in Julians Vergangenheit, den Kontakt zu dessen Schwester Sophie und schließlich durch das Auftauchen einer schönen Frau, die im Begleitservice arbeitet und plötzlich den Fall wieder anders aussehen lässt, immer tiefer in dunkle Geheimnisse und an die Grenzen seines Verstandes gerät, war durchaus atmosphärisch und gänsehauterzeugend.
Der Schreibstil von Jonas Winner lässt mich ebenfalls etwas zwiegespalten zurück. Manchmal geht es wirklich flott und spannend voran, die Seiten flogen nur so vorbei, aber zwischendurch stockt die Handlung auch mal etwas und das sogar obwohl das Buch nicht einmal 400 Seiten hat. Einiges wurde mir sprachlich auch zu sehr ausgeschmückt und wirkte gewollt künstlerisch. Störend fand ich, dass sehr oft inmitten von Gesprächen eingefügt worden ist, was Ben am Liebsten gesagt hätte und was ihm durch den Kopf gegangen ist. Dies hat den Lesefluss ein ums andere Mal unterbrochen und mich ziemlich genervt.
Schon von Anfang an werden immer wieder Kapitel aus der Sicht einer jungen Frau namens Mia eingefügt, die surreal wirkende Erlebnisse durchmacht. Sie wird von einer Freundin zu einem geheimen Treffen mitgenommen, bei dem alle Wachsmasken tragen und ziemlich absurde Orgien feiern. Irgendwie wurde Mias Verstand beeinflusst, denn anders konnte ich mir die oft wirren und absurd wirkenden Ausführungen nicht erklären. Sie wird anschließend in einem Raum festgehalten und darf das Etablissement nicht verlassen. Dass durch die extreme Bauart der Räume bei dem Treffen Julian Götz irgendetwas damit zu tun hat, begreift man ziemlich schnell, aber man wird lange auf die Folter gespannt wie diese Nebengeschichte im Gesamtkonstrukt einzuordnen ist. Dies hört sich zwar ziemlich interessant an, richtig gepackt hat mich dieser Handlungsstrang jedoch auch nicht oder zumindest so lange nicht bis der Groschen gefallen war.
Das Ende fand ich dann nicht einmal schlecht. Zur Erklärung sei noch gesagt, dass „Der Architekt“ eigentlich eine Geschichte in einer Geschichte ist. Im allerersten Kapitel gibt ein verwirrter junger Mann ein Päckchen bei einem Anwalt ab, in dem sich ein Schriftstück befindet. Der Anwalt beginnt zu lesen und hier beginnt die eigentliche Geschichte. Am Ende wird dies dann nochmals aufgegriffen und auch wenn vieles im Dunklen bleibt, werden einem doch in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet.
Fazit: Ein mittelmäßiges Buch, das trotz des interessanten Plots leider nicht immer fesselt und Jonas Winner nicht in die Reihe der besten deutschen Psychothriller-Autoren aufsteigen lässt.