Sue, Eugene - Die Geheimnisse von Paris

  • Der Autor



    Eugène Sue wurde am 10. Dezember 1804 in Paris geboren und wuchs als Sohn eines wohlhabenden Aztes auf. Er verließ mit 16 vorzeitig das Gymnasium. 1823 nahm er als Hilfschirurg am Spanienfeldzug der französischen Armee teil.
    1828 zurück in Paris interessierte Sue sich für Malerei, betätigte sich aber auch als Journalist mit Artikeln für die Zeitschrift La Mode.
    1830 erbte er von seinem Vater ein Vermögen und begann ein Dandy-Leben in besten Pariser Kreisen. Nachdem er 1838 das väterliche Erbe fast aufgebraucht hatte, machte er das Schriftstellern zum Beruf.
    1841 erlebte er eine Art Bekehrung vom unpolitischen Dandy zum engagierten Sozialisten, der sich für die Probleme des mit der Industrialisierung rasch wachsenden Pariser Proletariats zu interessieren begann und dieses Interesse literarisch umzusetzen versuchte.
    1843 schrieb er seinen Roman "Die Geheimnisse von Paris", dessen Fortsetzungen täglich in einer Tagezeitung erschien; deshalb kann man Sue als den Erfinder des Feuilletionsromans bezeichnen. Der Roman machte ihn schlagartig berühmt.
    Nach dem Staatsstreich von Louis-Napoléon Bonaparte 1851 wurde er kurz verhaftet und emigrierte ins Savoyen, wo er am 8. August 1857 in Annecy starb.


    Das Buch


    Hauptfigur des Romans ist der Großherzog Rudolf von Gerolstein, der ingoknito in der Altstadt von Paris lebt. Dort tritt er als Beschützer der Armen auf, wobei er offensichtlich nicht nur über Bärenkräfte, sondern auch über einen außergewöhnlichen Verstand verfügt.
    Das Buch beginnt mit einer Begegnung zwischen Rudolf und einer zwielichtigen Person mit Namen "Tschurimann". Rudolf besiegt natürlich diesen Mann, man freundet sich an und beschließt, die neue Freundschaft in einer Kneipe zu feiern. In dieser Kneipe begegnen sie einem wunderschönen Mädchen namens "Marienblume". Das Mädchen wird später von einem Gaunerpaar mit den Namen "Schulmeister" und "Eule" belästigt.
    Rudolf überwältigt den bärenstarken "Schulmeister" und läßt sich scheinbar auf ein Gaunerstück mit ihm ein. Doch das Haus, in das Rudolf den Schulmeister lockt, gehört ihm selbst und läßt ihn gefangennehmen. Im folgenden Verhör versucht Rudolf herauszufinden, wohin der Schulmeister seinen eigenen Sohn verschleppt hat. Da der Schulmeister Angst vor der Strafe hat, gesteht er, seinen eigenen Sohn Verbrechern zur Erziehung übergeben zu haben, er wisse im Augenblick aber nicht, wo sein Sohn sich jetzt befinde. Rudolf läßt den Schulmeister bestrafen, indem er ihn blenden läßt.
    Im weiteren Verlauf der Geschichte wird geschildert, warum Rudolf seine Heimat verließ.
    Das Mädchen Marienblume, jetzt Marie genannt, wird von Rudolf auf´s Land zu einer Madame Georges gebracht, die gleichzeitig die verlassene Ehefrau des Schulmeisters ist. Der Schulmeister, sein richtiger Name ist Anselm Duresnel, entstammt eigentlich einer reichen Familie. Doch er verspielte nicht nur sein eigenes Vermögen, sondern auch das seiner Frau. Völlig mittellos, verließ er sie und wurde kriminell, indem er Wechsel und Schriftstücke fälschte. Dafür kam er ins Bagno, brach aus, verübte mehrere Morde, wusch sich sein Gesicht mit Vitriol und tauchte anschließend in der Altstadt von Paris, der Cite, unter.
    Marie lebt eine Weile bei Madame Georges, wird aber auf dem benachbarten Gutshof einer Freundin von einer Milchverkäuferin aus der Cite wiedererkannt.
    In der Zwischenzeit verkehrt Rudolf immer wieder in Adelskreisen, um die Mutter seines unhehelichen Kindes, welche seinerzeit mit dem Kind nach Paris floh, wiederzufinden.
    Doch die Mutter hatte seinerzeit ihre Tochter an eine Straßenverkäuferin "Eule" verkauft, die das Kind mißhandelte. Das Kind floh später, wuchs in einem Heim auf und landete später auf den Straßen der Altstadt. Dort verdiente sie ihr Geld als Sängerin in einer Kneipe und als Prostituierte.
    Aber jetzt hat die Mutter, selbst eine Adlige, erfahren, dass Rudolf sie und das Kind sucht. Sie läßt die "Eule" ausfindig machen und gibt ihr den Auftrag, Marie zu suchen, zu entführen und ihr zu übergeben.
    Marie, die sich seit dem Wiedererkennen schuldig und schlecht fühlt, sucht oft die Gesellschaft des Pfarrers in der ähe des Gutshofs von Madame Georges. Sie begleitet ihn oft nach Hause und wird bei so einer Gelegenheit von der "Eule" und dem "Schulmeister" entführt. Der blinde "Schulmeister" ist jetzt so eine Art Gehilfe der "Eule", in der Hauptsache aber eher ein "Quälobjekt".
    Doch Marie gelingt die Flucht und sie landet in einem Erziehungsheim für junge Mädchen.
    Unterdessen hat die "Eule" ihre Auftraggeberin aufgesucht, um sie um Geld zu erpressen. Als diese ihr Geld geben will, sieht die "Eule" auf dem Schreibtisch den Schmuckkasten der Adligen stehen. Sie verletzt sie mit einem Messer schwer und raubt Geld und Schmuck.
    Unterdessen hat Rudolf in den Adelskreisen eine neue Frau kennengelernt, die sich an deer Suche nach der entführten Marie beteiligt, d.h. sie sucht alle Heime für junge Mädchen auf und wird fündig. Marie, krank und schwermütig, bekommt nun beste ärztliche Pflege.
    Rudolf hat unterdesse die schwerverletzte Mutter seines Kindes ausfindig gemacht und heiratet sie im letzten Augenblick, um Marie zu seiner ehelichen Tochter zu machen.
    Der "Schulmeister" ist unterdessen in einem Kneipenkeller angekettet und eingesperrt worden. Die "Eule", im Besitz von Geld und Juwelen, will ihn wieder quälen und nimmt dabei, er soll ihr auf den dunklen Treppen leuchten, den Sohn des Kneipenbesitzers mit. Der tritt ihr auf das Kleid und sie beißt ihm dafür die Wange blutig; der Junge beschließt, sich zu rächen. Er gibt der "Eule", als sie mit dem "Schulmeister" spricht, einen Stoß, so dass sie im nachtdunklen Keller landet. Noch bevor sie aufstehen kann, bekommt sie der "Schulmeister" zu fassen. Sie zieht ihr Messer, verletzt ihn leicht, aber kann sie erwürgen.
    Zur gleichen Zeit wird die Kneipe von der Geheimpolizei gestürmt, die dort befindlichen Gauner in Haft genommen und der "Schulmeister" in die Irrenanstalt, Bicetre, verbracht. Als er dort wieder zu sich kommt, belauscht er ein Gespräch, in dem er als stumm und tobsüchtig bezeichnet wird. Er beschließt, sich weiterhin stumm zu stellen, gelegentlich einen Tobsuchtsanfall zu heucheln um für immer in der Anstalt bleiben zu können; der Plan gelingt.
    Rudolf, dessen Vater unterdessen gestorben ist, reist mit Tochter und Freundin in seine Heimat zurück.
    Dort heiratet er seine Freundin, die bald schwanger wird.
    Seine Tochter geht ins Kloster und stirbt dort, weil sie ihre "schandvolle" Vergangenheit nicht vergessen kann.


    Meine Meinung


    Mir hat der Roman sehr gut gefallen, obwohl er als typischer "Tageszeitungsroman" auch seine Schwächen und Bruchstellen zeigt.
    Aber die Handlung ist ungemein farbig geschildert: die verkommene Altstadt vor Kaiser Napoleon III., die mittellosen Elendsgestalten, die dunklen Verbrechertypen, deren Existenz durch die Ausdrücke der Gaunersprache, bei uns "Rotwelsch" genannt, noch unterstrichen wird.
    Die Handlung zeigt immer wieder unerwartete Wendungen, in dessen Richtungen man sich gerne entführen läßt.
    Wer diese Art der Abenteuerromane mag, wird hier bestens bedient!

    Komm zu mir in der Stille der Nacht; komm zu mir in der beredten Stille eines Traums.


    Christina Rosetti, Echo