Über die Autorin:
Naomi Alderman ist Absolventin der Oxford University. Sie hat als Lektorin und Spieledesignerin gearbeitet, mehrere Jahre davon in New York. Heute lebt sie in der orthodoxen Gemeinde von Hendon, in der sie aufgewachsen ist. Für „Ungehorsam“, ihren ersten Roman, wurde sie mit dem Orange Award for New Writers ausgezeichnet.
(Klappentext)
Buchinhalt:
Ronit führt ein unbeschwertes Leben in New York. Sie arbeitet erfolgreich als Investmentbankerin, schläft mit diversen Frauen und hat ein Verhältnis mit ihrem Chef. Als ihr Vater, ein strenggläubiger Rabbi und Führer einer orthodoxen Gemeinde, stirbt, kehrt sie widerstrebend in die enge Welt ihrer Kindheit zurück: In die jüdisch-orthodoxe Gemeinde von Hendon im Nordwesten Londons. Mit ihren Pumps, hochgeschlitzten Röcken und ihrer ständigen Bereitschaft zur Provokation sorgt sie schon bald für Aufsehen. Doch dann trifft sie auf Esti, einstmal engste Freundin/Vertraute und mehr und heute Ehefrau des ehemals besten Freundes Dovid. Und sie merkt, dass sie ihre Wurzeln und Vergangenheit nicht wirklich verdrängen und verleugnen konnte und kann...
Meine Meinung:
Naomi Alderman bietet mit diesem Roman Einblicke in eine mir unbekannte Welt: wir lernen das Leben in einer heutigen jüdisch-orthodoxen Gemeinde kennen, ihre Regeln, Vorschriften, Bräuche, Gepflogenheiten, Alltag und Gottesdienst; Einblicke, die man sonst nur gewinnen kann, wenn man persönlichen Kontakt zu einer jüdisch-orthodoxen Gemeinde hat. Ich hatte die gesamte Erzählung hindurch nicht einmal das Gefühl, das dem vielleicht doch nicht so sein könnte....Aber so fremd diese Welt auch scheint, so vertraut ist sie auch in ihren kleinlichen Konflikten, "Macht"gefügen, Rangeleien....
Ihre Protagonistin kehrt zurück aus der 'freien' Welt Amerikas in eine eng verwobene Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt und jeder jeden beobachtet. Sie wird mit alten Konflikten konfrontiert, mit Veränderungen von denen sie nichts mitbekam, mit alten Freunden, Erinnerungen... kurz mit allem, womit sie abgeschlossen glaubte. Aber wie wir alle kann auch Ronit die Prägung ihrer Kindheit nicht wirklich einfach abschütteln. Wir alle sind wer wir sind auch durch unsere Kindheit und Erziehung. Und so muß sie sich aufs Neue mit der engen Welt ihrer Kindheit auseinandersetzen, geprägt durch den dominanten Vater, der eine herausragende Rolle als Rabbi in der Gemeinde und als religiöser Führer („Rav“) vieler Juden spielt. Und erneut muß sie sich abgrenzen ohne vollends auszuschließen, teilnehmen ohne sich vereinnahmen zu lassen. Ein schwieriger Balanceakt zwischen den Welten, um endgültig ihre Position im Leben zu finden.
Die Autorin hat wohl autobiografische Erlebnisse in diesen Roman eingearbeitet oder vielleicht sogar aufgearbeitet - das kann ich jetzt nicht beurteilen. Aber sie selbst kehrte ja aus Amerika nach Hendon zurück und hat sich in ihre alte Heimatgemeinde zurückbegeben. Und für mich persönlich scheinen diese Welten doch ziemlich weit auseinander zu liegen.
Die Erzählsicht wechselt immer zwischen der Ich-Erzählerin Ronit und einem Erzähler, der von außen die Geschehnisse in Hendon und um Ronit herum beschreibt. Diese Wechsel sind auch durch unterschiedliche Schriften kenntlich gemacht. Aldermans Stil empfand ich als angenehm unaufgeregt ohne distanziert zu wirken. Mich persönlich hat die Geschichte in dieser mir so fremden Welt von Beginn an gefesselt und bis zum Ende nicht mehr losgelassen.
Mein Fazit:
Wer sich für eine fremde Welt interessiert, die vielleicht ja nur ein paar hundert Meter entfernt besteht, der ist hier bestens aufgehoben. Der nur kurze 238 Seiten umfassende Roman macht einfach Spaß zu lesen und entführt uns in eine andere Gesellschaft parallel zu unserer.