Klappentext:
Nino Sorokin ist dabei, als der Unfall geschieht. Seine Eltern sterben, ihm bleibt eine besondere Gabe: Er sieht den Tod eines jeden Menschen voraus. Auch den eigenen. Von nun an ist er besessen von der Frage, wie man das Schicksal überlisten kann. Er weiß, er wird nur 24 Jahre alt – und sein Geburtstag rückt immer näher. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Ninos Suche führt ihn zu einem geheimen Zirkel von Mentoren, die Seelen sammeln. Und er begeht den größten Frevel, den der Zirkel kennt: Er verliebt sich in eine der Seelenlosen. In die geheimnisvolle Noir, die bereits auf der Schwelle zum Jenseits steht ...
Wie ist es, wenn man weiß, dass man jung sterben wird? Wenn man weiß, dass man mit 24 Jahren sterben wird? Wenn man aber den Tag seines Todes nicht kennt?
Nino weiß, dass er im Alter von 24 Jahren sterben wird. Er hat sich selbst bewiesen,dass es so ist, indem er sich einmal die Pulsadern aufschnitt und überlebte. Aber er hängt am Leben - je näher sein Tod rückt, umso mehr. Und so sucht er nach Antworten auf Fragen wie "Warum?", "Was kommt danach?" und später auch "Kann ich zurückkehren?"
Auf seiner Suche kommt es, wie es kommen muss - er gerät in okulte Kreise, die Geister aus dem Jenseits befragen. Nino glaubt nicht daran, aber die Stimmen sagen Dinge, die außer ihm niemand weiß. Aber er lernt einiges über sich. Macht sich bewusst, dass er sich in anderer Leute Gedanken denken kann, sie sogar beeinflussen kann. Aber dann begegnet er Noir, die ihm ein Rätsel ist, die er aber Gefühle in ihm weckt, die er noch nicht kannte. Und plötzlich ist ihm ihr Leben wichtiger als seins, ist er bereit, sie bis zur Selbstaufgabe zu lieben. Aber kann ein Geist ins Leben zurückkehren?
Meine Meinung:
Jenny-Mai Nyuen ist erwachsen geworden! Keine Spur mehr von der kindlichen Fantasy in "Nijura". "Noir" ist düster, okult und höchst philosophisch. Ich habe mich streckenweise gefragt, woher eine 24jährige junge Frau solche tiefgreifenden Gedanken - ja Weisheiten hat. Ob es um Leben und Tod, um Beziehungen und Freundschaft oder um die Liebe geht - sie hat mich immer wieder verblüfft und vor allem zum Nachdenken angeregt.
Hier nur 2 kleine Kostproben:
Zitat"Ein Fötus wird im Mutterleib erst beseelt, wenn er von der Mutter geliebt wird. Die Liebe der Mutter ist ein Magnet, der das Leben anzieht und dem Ungeborenen eine Seele verleiht. Selten gebiert eine Frau ein Kind, für das sie keinerlei Liebe empfindet. Geschieht das doch, wartet viel Düsterkeit auf das neugeborenen Wesen."
Zitat"Zynismus ist ein Charakterzug, den man sich durch langjährige Verbitterung erst verdienen muss. Gemeinheit dagegen kann angeboren sein und ist, wie das Wort schon impliziert, einer breiten Masse beschieden."
Noch einmal sei die Frage gestattet: was hat Frl. Nuyen schon erlebt, um solche Gedanken zu Papier zu bringen?
Die Handlung gliedert sich in 2 Stränge. Die im JETZT spielenden Abschnitte haben mich anfangs ziemlich verwirrt, aber gegen Ende läuft dann alles zusammen. Und damit wäre ich dann auch bei meinem einzigen Kritikpunkt angelangt: Das Ende. Es hat sich mir nicht ganz erschlossen. Waren das Phantasien eines drogenbenebelten Hirns? Ist das alles wirklich passiert? Fakt ist wohl die Überdosis, aber alles andere lässt viel Spielraum für weitere Überlegungen. So wie die leeren Seiten am Ende des Buches - sind sie Absicht, um dem Leser zu vermitteln, dass Ninos Geschichte nun ganz von vorn und neu beginnt? (Oder ist es doch einfach nur ein Fehldruck / Fehlbindung? )
Selten habe ich mir so sehr ein Nachwort der Autorin gewünscht...
Fazit:
"Noir" ist anders. "Noir" ist keine leichte Fantasykost. Es geht um Geister und eine Welt jenseits der unseren. Es geht aber auch um Liebe, Verzweiflung, Drogen und Gewalt. Jenny-Mai Nyuen vermittelt dem Leser die Botschaft: "Liebe ist Leben". (Aber keine Angst - von kitschiger Romantik ist hier wirklich keine Spur!)
Lange Zeit war das Buch auf dem Weg, ein 5-Sterne-Buch zu werden. Der Schluss war dann aber doch ein wenig zu verwirrend und kann an die toll gesponnenen Fäden der Geschichte nicht ganz anknüpfen. Aber für alle, die vor Übersinnlichem, das uns im Alltag begegnen könnte, nicht zurückschrecken und sich auch auf philosophische Gedanken einlassen möchten, spreche ich eine klare Leseempfehlung aus. "Noir" ist mir wert.