Iain Levison, Hoffnung ist Gift / The Cab Driver

  • Ein wahrer Fall hat den in den USA lebenden schottischen Schriftsteller Iain Levinson zu einem Buch inspiriert, das nicht nur spannend geschrieben ist, sondern seinen Leser packt von der ersten Seite bis zum Ende.


    Das hängt sicher auch damit zusammen, dass er seinen Protagonisten selbst erzählen lässt. Das gibt dem Buch eine Authentizität und Dichte, die fesselt und stellenweise regelrecht unter die Haut geht. Denn das, was da dem Taxifahrer Jeff Sutton geschieht, könnte auf die eine oder andere Weise jedem von uns passieren. Ohne irgendetwas getan zu haben, gerät er in die Mühle der Justiz und landet im Gefängnis.


    Als Jeff Sutton, der seit Ewigkeiten Taxi fährt, eines Tages am Flughafen eine Frau als Fahrgast aufnimmt, um sie nach Hause zu fahren, wittert er einen guten Auftrag, und ahnt nicht, dass diese Fahrt sein Leben zerstören wird. Als er die Frau vor einer Villa in einem vornehmen Viertel absetzt, bittet diese ihn noch kurz mit hinein, da sie Geld holen muss. Während er wartet, sieht er im offenstehenden Kinderzimmer der Tochter des Hauses ein Fenster, das sein ehemaliger Arbeitgeber eingebaut hat. Neugierig geht er hin, öffnet das Fenster und hinterlässt seine Fingerabdrücke. Dabei wollte er nur nachschauen, ob auch die Initialien des Fensterbauers zu sehen sind.


    Auf der Rückfahrt erbarmt er sich trotz Feierabend und nimmt zwei betrunkene Mädchen mit, die ihm nichts zahlen, dafür aber sein Auto vollkotzen. Nachdem er es mit dem Volldruckreiniger gesäubert hat, geht er nach Hause.


    Am nächsten Tag steht die Polizei vor seiner Tür. Jeff wird verhaftet. Die Tochter des weiblichen Fahrgastes von gestern ist spurlos verschwunden, man hat Jeffs Fingerabdrücke am Fenster des Kinderzimmers gefunden. Auch die Reinigung des Autos macht ihn verdächtig. Jeff wandert sofort in die Todeszelle. Für die Polizei ist alles klar: Jeff hat das Mädchen entführt und getötet.


    Nur der mehrfache Mörder Robert, ein harter Bursche, den Jeff im Knast kennenlernt, ist von Jeffs Unschuld überzeugt. Es sind letztlich die Gespräche mit ihm, die ihn über Wasser halten. Denn auch sein Pflichtverteidiger agiert lustlos.


    Entsprechend einseitig wird auch die Gerichtsverhandlung geführt, wichtigen Hinweisen wird nicht nachgegangen. Gebannt blättert der von dem Buch in einen regelrechten Sog genommene Leser eine Seite nach der anderen um, um möglichst bald herauszufinden, ob es für Jeff Sutton noch eine Chance gibt, ob sich das Blatt wenden kann und die Wahrheit ans Licht kommt.


    Die wird natürlich hier nicht verraten. Nur dass Jeffs Geschichte spannend und bedrückend bleibt bis zum Ende. „Die Wahrheit ist, dass du in dem Augenblick, wo dir bewusst wird, dass andere Menschen dich in einen Käfig stecken können, zur Erkenntnis kommst, dass deine Freiheiten und alles, was du im Leben bis dahin als so selbstverständlich erachtet hast, den Launen von anderen, mächtigeren Menschen unterworfen sind. Und wenn du mal gelernt hast, wie gefährdet dein Platz in der Gesellschaft ist, kannst du diese Erkenntnis nicht einfach wieder vergessen. Das Wissen darum bleibt dir. Du hast hinter den Vorhang geblickt und bleibst auf immer gezeichnet.“


    Dieser Schrecken hallt auch im Leser noch lange nach, nachdem er das Buch aus der Hand gelegt hat in dem Bewusstsein, schon lange nicht mehr so ein Buch gelesen zu haben - spannend und aufwühlend zugleich.

  • Das Buch klingt echt total spannend und auch ganz nach meinem Geschmack. Aber leider ist es ja wieder nur so ein dünnes Büchlein... :-? Hat die Geschichte denn überhaupt genügend Raum, um sich zu entfalten, und hat sie genügend Tiefgang? Oder wirkt die Handlung gerafft und oberflächlich? Das Buch klingt so, als gäbe es viel zu erzählen, aber reichen die knapp 240 Seiten dafür aus?

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Hat die Geschichte denn überhaupt genügend Raum, um sich zu entfalten, und hat sie genügend Tiefgang? Oder wirkt die Handlung gerafft und oberflächlich?


    gaensebluemche: Was verstehst du eigentlich unter dem Raum, in dem sich eine Geschichte entfaltet? Außerdem glaube ich, wenn die Handlung gerafft und oberflächlich wäre, würde Winfried sie doch eher nicht als "spannend und aufwühlend zugleich" bezeichnen, oder? Mich hat die Geschichte auch neugierig gemacht.


    Liebe Grüße, Birgit :winken:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!

  • @ birgit:


    In diesem Fall meine ich mit Raum eindeutig die Seitenzahl des Buches. :wink: Ich liebe einfach dicke Wälzer und bin immer etwas traurig, wenn ein Buch nur so dünn ist. Vielleicht tue ich damit dem ein oder anderen Buch total unrecht, aber dünne Bücher kaufe ich eigentlich nur, wenn ich wirklich weiß, dass sie gut sind, zum Beispiel weil ich den Autor bereits kenne und einfach alles von ihm lese.


    Und wie die Handlung auf den Leser wirkt, ist ja von Person zu Person verschieden. :wink:

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  • Mittlerweile habe ich das Buch auch gelesen und muss sagen: Ja, die Handlung hat genug Raum und auch genügend Tiefgang. :wink:


    Das Buch ist sehr spannend, auch wenn man von Anfang an weiß, dass Jeff unschuldig ist. Spannend ist daher vielmehr, zu beobachten, wie er aus dieser Misere wieder rauskommt. Dabei philosophiert Jeff oft über sich und das Leben und es werden einige interessante Fragen angesprochen, wenn auch nicht immer beantwortet. Zum Beispiel die Frage, was man tun kann, wenn niemand einem mehr glaubt. Oder die Frage danach, was im Leben wirklich wichtig ist.


    @ Winfried:


    Wie hast du das Ende interpretiert? Das würde mich wirklich interessieren, da es mich im ersten Moment ziemlich verwirrt hat.

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