Inhalt
„Die Tote aus Charlottenburg“ ist nach „Leo Berlin“ und „ Tod in Blau“ der dritte Teil der Serie mit Kommissar Leo Wechsler als Ermittler. Die Krimis spielen zur Zeit der Weimarer Republik in Berlin. Der vorliegende Roman beginnt im Sommer 1923, ein Jahr in dem sehr vieles passiert ist. Unter anderem leidet die Bevölkerung unter der galoppierenden Geldentwertung. Wenn man Bargeld hat, muss man es möglichst gleich ausgeben, weil man sich abends schon kaum mehr was dafür leisten kann. In Berlin glimmt Judenhass auf. Jüdische Geschäfte werden boykottiert und überfallen.
In dieser turbulenten Zeit nähern sich Leo Wechsler und seine Freundin, die Bibliothekarin Clara Bleibtreu immer mehr an. In einem Urlaub auf Hiddensee lernt Clara eine interessante Frau kennen. Sie heißt Henriette Strauß, ist Ärztin und leitet einen Frauengesprächskreis zu dem sie Clara einlädt.
Kurze Zeit später stirbt Henriette an einer Lungenentzündung. Ihr Neffe Adrian, der sehr eine enge Beziehung zu ihr pflegt, kann nicht glauben, dass seine Tante wirklich so plötzlich erkrankt ist. Er bittet den Hausarzt sowie die Polizei Henriettes Tod zu untersuchen.
Henriette Strauß war eine sehr engagierte Frau. Neben ihrem Beruf, hat sie sich sehr für die Belange der Frauen eingesetzt und hat unter anderem ungewollt schwangere Frauen beraten und sie an Ärzte verwiesen, wo sie einen sicheren Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen konnten. Es war also anzunehmen, dass sie durchaus Feine hatte.
Leo Wechslers Privatleben gelangt in eine neue Phase. Seit dem Tod seiner Frau lebt er zusammen mit seinen zwei Kindern und seiner unverheirateten Schwester, die der Familie den Haushalt führt und sich um die Erziehung der Kinder kümmert. Da Leos Beziehung zu Clara immer enger wird, und Clara auch sehr oft in der Familie zu Besuch ist, spürt Ilse, dass eine Frau zu viel ist.
Auf dem Präsidium arbeitet Leo mit einem neuen Kollegen namens Sonnenschein zusammen. Da dieser Jude ist und sein Vater in seinem Fleischerladen bedroht wird, erlebt man als Leser den aufkeimenden Judenhass sehr anschaulich mit.
Die Ermittlungen bestehen aus grundsolider Polizeiarbeit, die aus vielen Befragungen von Bekannten und Nachbarn sowie gerichtsmedizinischen Untersuchungen besteht.
Meine Meinung
Für mich war dieses Buch der erste Krimi mit Leo Wechsler, ich hatte jedoch keinerlei Verständnisprobleme. Susanne Goga hat alle Figuren sehr sorgfältig eingeführt und glaubhaft charakterisiert. Das Leben einer ganz normalen Familie in dieser schwierigen Zeit wird sehr anschaulich dargestellt. Man erhält ein Gefühl, wie die rapide Geldentwertung den Alltag erschwert hat. So nimmt beispielsweise Ilse für einen Ausflug mit den Kindern in den Zoo eine ganze Einkaufstasche voller Geldscheine mit und hat am Abend alles ausgegeben.
Neben den Protagonisten treten auch historisch verbürgte Personen im Krimi auf. Hinten im Buch sind sie aufgeführt mit den wichtigsten Informationen.
Ein Progrom, das 1923 im Scheunenviertel stattfand, ist sehr geschickt in die Geschichte eingewoben, was bei mir einen sehr intensiven Eindruck hinterlassen hat. Weiter ist die Abtreibungsproblematik der Frauen sensibel aufgegriffen.
Inhaltlich zeichnet sich der Roman durch sorgfältig strukturierte Polizeiarbeit aus, erzählt vorwiegend aus Leo Wechslers Perspektive in der allwissenden Erzählweise. In kursivem Druck ist anhand von Tagebucheinträge von Adrian das Leben des Opfers nachgezeichnet. Am Ende fügen sich diese Schilderungen mit dem Lauf der Geschichte zusammen, sodass keine Fragen offen bleiben.
Die sprachliche Ausdrucksweise hat mir sehr zugesagt. Susanne Goga schreibt sehr flüssig in heutigem Deutsch, das aber durchwegs glaubwürdig rüberkommt. Die Spannung ist durch das ganze Buch hinweg subtil da. Allerdings ist es jetzt nicht ein Gänsehaut Pageturner, sondern eher ein leiser Krimi, der auf angenehme Art den Blick des Lesers auf einen kleinen Ausschnitt der neueren Geschichte lenkt.
Mein Fazit
Ich habe mich mit diesem Krimi gut unterhalten gefühlt und habe in paar angenehme Stunden damit verbracht. Da ich mich sehr für geschichtliche Themen interessiere habe ich sehr eindrucksvoll Einblick in den Alltag während dem „heißen“ Jahr 1923 gewonnen. Ich empfehle dieses Buch Liebhabern von ruhigeren Krimis vor historischem Hintergrund.
Von mir