Arezu Weitholz. - Wenn die Nacht am stillsten ist

  • Kurzmeinung

    Marie
    Auch wenn man das Verhalten nicht nachvollziehen kann: Exzellent geschrieben und aufgebaut
  • Klappentext


    "Am Ende geht es um den Moment. Wie das Mondlicht durch die Ritze der Jalousie auf den Parkettfußboden fällt. Wie das Auto unten vorbeifährt. Wie es wieder still wird. Du atmest. Ich sitze an deinem Bett."


    Es ist dieser Moment, den Anna wahrnimmt, um Ludwig, mit dem sie seit acht Monaten zusammen ist, ohne dass jemand davon weiß, zu sagen, was sie ihm nie gesagt hat. Von den Brüchen in ihrem Leben hat sie nie gesprochen, nicht von dem Selbstmord des Vaters, nicht von der depressiven Mutter im Altersheim, nicht von Südafrika, wo sie lange gelebt hat, den Drogen, den Partys, der Gewalt, dem Schmerz. Das alles passte nicht in Ludwigs Welt, die sich um Macht und Erfolg, um den richtigen Style und die angesagte Musik drehte und aus der alles ausgeblendet wurde, was den schönen Schein der Oberfläche störte. Aber jetzt ist auch in Ludwigs System etwas aus dem Ruder gelaufen und er, der Überflieger, Redakteur für besondere Aufgaben bei einem Hamburger Gesellschaftsmagazin, der immer eine Antwort hat, der einsam, verschroben, fleißig und elitär ist, hat Schlaftabletten genommen, vielleicht eine Überdosis, Anna weiß es nicht. Sie sitzt wie Scheherazade an seinem Bett und erzählt.
    Hört er es?


    Die Autorin


    Arezu Weitholz wurde 1968 in Niedersachsen geboren und lebt heute in Berlin. Sie arbeitet als Journalistin, Illustratorin und als Textdichterin u. a. für Herbert Grönemeyer, Die Toten Hosen, Udo Lindenberg, 2raumwohnung und Madsen. Sie hat bisher 2 Lyrikbände veröffentlicht,Mein lieber Fisch und Merry Fishmas.


    Persönlicher Eindruck


    Arezu Weitholz hat einen Roman geschrieben, der in seiner Ruhe dennoch von einer emotionalen Wucht war, die mich tief berührt hat.


    Ihre Protagonistin ist Anna Born.
    Anna, das ist eine seelenkranke Mutter, ein weinender Großvater, eine Großmutter im Krankenhaus.
    Anna, das ist Drogen und Parties und DJs und Koks in Kapstadt.
    Anna, das ist das Meer.
    Anna ist so anders als Ludwig.


    Die Geschichte beginnt damit, dass Anna Ludwig in seiner Wohnung findet, in der er Schlaftabletten genommen hat. Ihr Gespräch mit ihm ist ein Monolog von ihr, in dem sie ihm alles erzählt, was sie ihm in den acht Monaten zuvor nicht sagen konnte, denn es hätte nicht in Ludwigs perfekte Welt gepasst. Ihre Themen wären nicht die richtigen Turnschuhe gewesen, nicht Popmusik, nicht die angesagten Clubs und die dazugehörigen VIP-Tickets. Sie hätte von ihrer Mutter erzählt, die den Selbstmord des Vaters nie ganz verkraftet hatte und nun krank und alt war und keine andere Möglichkeit aus ihrer Ausweglosigkeit mehr sah, als mit Sparkassenkalendern nach ihren unfähigen Pflegern zu werfen. Sie hätte Ludwig von ihrem Großvater erzählen können, dessen Liebe sie so tief geprägt hatte:


    "Meine Großeltern waren Bauern, das habe ich dir auch nie erzählt. Kein Urlaub. Keine Etagenheizung. Ein Zylinderhut, ein goldenes Armband, ein leerer Ziegenstall. Bei uns gab es die Bild, nicht den Spiegel. Mein Opa war der Einzige im Dorf, der auf die Oberschule hätte gehen können. Aber erst war Krieg, und dann war es zu spät. Er ist Hufschmied geworden, dann Zimmerer. Wenn ich später in Länder gefahren bin, die er nur aus Büchern kannte, hat er in der Stube gesessen mit seinem Globus und hat geschaut, wo ich war, und konnte nicht ahnen, dass ich auch von dort immer nur wegwollte."


    Ich glaube, ich mochte Anna so sehr, weil sie das komplette Gegenteil von Ludwig war. Dieser wäre im wahren Leben die Sorte Mensch, die für alles steht, was ich nicht mag oder bin. Anna war liebevoll, Ludwig blieb für mich grausam und herzlos, auch wenn seine Beweggründe im Verlauf der Geschichte Schicht für Schicht freigelegt wurden. Anna war innerlich zerrissen, Ludwig ließ es erst gar nicht soweit kommen. Davor entledigte er sich der Dinge, auch der Menschen. Anna fühlte, Ludwig dachte. Anders als er war sie für mich echt:


    "Es ist unerheblich, was die anderen wollen. Es geht nur darum, dass man in allem, was man tut, ehrlich mit sich ist. Dass nichts Falsches in einem ist, wenn man spricht, wenn man handelt. Alles andere ist mir egal. Ich will wahr sein."


    Ich wollte nach den ersten paar Seiten vor allen Dingen wissen, warum sich eine Frau wie Anna in einen Mann wie Ludwig verliebte. Ich denke, ich habe es ein Stück weit verstanden, habe ihre Faszination zwischen den Zeilen gespürt, ihre Hingabe in ihren Worten gesehen, ihren Wunsch wahrgenommen, von ihm so zurückgeliebt zu werden, wie sie ihn selbst liebte. Dennoch blieb Ludwig für mich eine sehr sterile Figur. Lebendig, aber eher einer Maschine als einem Menschen ähnlich.


    Wenn die Nacht am stillsten ist war eine wunderbare Geschichte, melancholisch, ruhig. Vor allem Arezu Weitholz' Sprache berührte mich sehr, ich hätte mir am liebsten jeden zweiten Satz angestrichen, weil die Worte in ihm so schön und so schön angeordnet waren. Ihr Roman war eigentlich nicht mehr als eine Momentaufnahme, die Geschichte von nur zwei Tagen, immer wieder durchbrochen von Flashbacks und Annas Erinnerungen an die Zeit in Kapstadt, an Ludwig, an ihre Mutter, ihren Vater und ihre Großeltern. Aber Arezu Weitholz erzählte die Dinge so, dass es am Ende nur um den Moment ging.


    Für mich ein ganz, ganz großes Buch. Wundervolle Literatur, authentische Protagonisten. Und berührend, so wahnsinnig berührend.


    "Ich erinnere mich an eine Nacht im Herbst, als du mich gefragt hast, ob ich für das ganz Große sterben würde. Ich lief neben dir her, wir spazierten an der Elbe entlang, du wie immer mit verschränkten Armen, ich wie immer schweigend neben dir. Ich habe eine Antwort. Nein, das würde ich nicht.
    Ich würde dafür leben."


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    merveille.


    It was that kind of a crazy afternoon, terrifically cold, and no sun out or anything,
    and you felt like you were disappearing every time you crossed a road.


    Catcher in the Rye. ♥

  • Schöne Rezi :thumleft: , aber ich weiß nicht, ob man die schon veröffentlichen darf.
    Erscheinungstermin ist 5.9. und bis jetzt kann man auf amazon auch noch keine Rezensionen schreiben...

    :study: C L Wilson - Der Winter erwacht
    :) Gelesen 2013: 105 / 2014: 77 / 2015: 16
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  • Sperrfristen werden in der Regel von den Verlagen vorgegeben. Wenn dies nicht der Fall ist, dann wird eine vorlaufende Rezension wohl als Vorabwerbung gesehen. Was okay ist. Davon ab öffnet amazon manchmal die Rezensionsmöglichkeit für neue Titel auch erst bis zu einer Woche nach dem bei ihnen selbst angegebenen Ersterscheinungstermin. #-o

  • :-k Bei meinem Vorablesen- Exemplar war gar kein Brief dabei... im Grunde genommen war bei meinen Vorablesen- Gewinnbüchern noch nie ein Brief dabei, weshalb ich mich mit der Rezi immer an den Erscheinungstermin gehalten habe...



    Aber gut, dann hat die amazon- Sperrfrist gar keine Aussagekraft...

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  • Na dann, dann will ich auch mal, ich war mir einfach nur nicht sicher, ob die amazon- Rezensionssperre Bedeutung hat, da ja dort teilweise auch bereits unveröffentlichte Romane rezensiert werden können...



    Achtung lang 8-[ ... sorry :uups: ...


    Anna sitzt am Bett ihres Freundes Ludwig.
    Ludwig, der seine Kindheit und Jugend in einer wohlgeordneten schwäbischen Familie weit hinter sich gelassen hat, der schon in jungen Jahren promoviert hat und jetzt aufstrebender Redakteur eines angesagten Hamburger Gesellschaftsmagazines ist.
    Ludwig, dessen Leben sich um die richtige Musik dreht, die teuersten Klamotten, die angesagtesten Partys und Bars, die einflussreichsten Leute, die richtige Meinung.
    Ludwig, der ehrgeizig, fleißig, egoistisch, beherrscht und elitär ist, immer perfekt sein will, der jeden Schwächling, Feigling und Versager nennt, der nicht seinen Idealen entspricht.
    Ludwig, der seinem scheinbar perfekten, oberflächlichen Leben nun vermutlich ein Ende setzen wollte - vielleicht durch eine Überdosis Medikamente.
    Doch warum?


    Und Anna sitzt an seinem Bett - Ludwig bewusstlos - so spricht sie in der Stille der Nacht über sein und ihr Leben, ohne von ihm beurteilt und verurteilt zu werden.
    Über all die Dinge, die sie ihm vorher nie anvertraut hätte, weil er sie nicht verstanden hätte oder gar nicht hätte hören wollen, denn Ludwig wollte nie "Verlierergeschichten" hören.
    Sie spricht über ihre Kindheit in bescheidenen Verhältnissen, über ihren Vater, der Selbstmord begangen hat, ihre Mutter in der Psychiatrie, ihre kranken Großeltern, ihr schwieriges Uni- und Berufsleben, ihre Flucht in die weite Welt, ihre Flucht in Partys und Drogen, von der Armut und Gewalt, die sie gesehen hat.


    Ich war vom ersten Satz an in der Geschichte gefangen. Alleine der Schreibstil der Autorin fesselt einen nahezu an Ludwigs Bett.
    Man lauscht ganz gespannt, was Anna ihrem Ludwig an den Kopf wirft, was sie ihm zuflüstert, beichtet, auch, wenn man sich als Leser ganz praktisch fragt, warum sie nicht den Notarzt ruft...


    Während Annas 50seitigem Monolog habe ich jedes Wort, jeden Satz umgedreht, wie er sich wohl in einem melancholischen, aber auch wütenden Popsong machen würde. Nicht verwunderlich, da die Autorin Arezu Weitholz auch als Songschreiberin arbeitet.
    So fließen die Worte einfach so dahin, sie sprudeln aus Anna regelrecht heraus, ihre Gedanken springen hin und her:
    Gleichermaßen poetisch und ergreifend wie auch schonungslos.
    Jede kleine Geste wird bedeutend, jedes noch so einfache Wort besonders, sodass man als Leser nichts verpassen will und in einen regelrechten Sog hineingezogen wird.


    So nimmt einem zu Beginn Annas Monolog an Ludwigs Bett gefangen, um dann abrupt die Erzählperspektive zu wechseln und den letzten Tag vor Ludwigs Selbstmord(versuch) miterleben zu können.
    Und auch hier schweifen Annas Gedanken immer wieder ab, die Erzählung fließt dann einfach so dahin (genau so wie das ganze Buch mit nur zwei Kapiteln und wenigen Absätzen dahin fließt), während Anna auf dem Weg zu ihrer Mutter ins Altenheim ist und Momentaufnahmen ihres Lebens rekapituliert:
    Das Leben in Afrika, die Armut und Gewalt dort, ihre Rückkehr nach Deutschland, der Job in der Redaktion, wo sie sich so fehl am Platz fühlt, die oberflächlichen und missgünstigen Kollegen, Annas Eltern, das Kennenlernen von Ludwig und Ludwig selbst und wie er Anna während ihrer achtmonatigen Beziehung behandelt hat, die sie auf seinen Wunsch hin geheimhalten musste, und wie er die Beziehung am Tag seines Selbstmord(versuch)es beendet hat. Einfach so. Mit einem schlichten "Es ist aus".


    Und so lernt man als Leser Anna mit ihren Selbstvorwürfen, Komplexen und Ängsten kennen, aber auch ihre spontane, lebensbejahende und nachdenkliche Art, und Ludwig mit all seiner Selbstherrlichkeit, Diszipliniertheit und Gefühlskälte, der Anna nie wirklich kennen lernen wollte oder konnte.
    Doch auch Arezu Weitholz lässt nicht zu, dass der Leser Ludwig wirklich kennen lernt.
    Sie erlaubt uns nur wenige Momente, nicht länger als ein Augenzwinkern, die wir hinter seine Fassade aus harschen Worten, Arroganz, Unnahbarkeit, Zurückhaltung und Kontrolle werfen dürfen. Unter der scheinbar eiskalten, fast herzlosen Oberfläche scheint er verletzlich, einsam, enttäuscht, in sich gefangen zu sein.
    So lernt man ein gegensätzliches Paar kennen, in dem sie vermutlich zu viele Schritte auf ihn zugegangen ist und er zu viele von ihr weg. Sie, der gefühlsbetonte Mensch, er, der das Rationale, die Kontrolle braucht.


    Ein Roman über das Leben, die Liebe und den Tod und all das, was sich dazwischen befindet,
    Missgunst und Ehrgeiz im Berufsleben, Konsum, Oberflächlichkeiten und Belanglosigkeiten - Turnschuhe, Musik, Partys, teure Uhren- wichtige und unwichtige Kleinigkeiten, die unser Leben bestimmen, hinter denen wir uns verstecken können, mit denen wir uns hervorheben können.


    Es geht um die Momente, die unser Leben bestimmen, die Momente, die Annas Leben bisher bestimmt und geleitet haben:
    Was war der Auslöser für den Selbstmord ihres Vaters, warum hat sie damals nicht gehandelt? Hätte sie handeln können?
    Wann war der Moment, in dem sie sich in Ludwig verliebte? Doch wann hatte er beschlossen, dass es "aus" ist mit ihr und seinem Leben?
    Doch gibt es überhaupt diesen einen Moment, in dem man sich bewusst oder einfach nur das Leben, das Schicksal, der Zufall sich für oder gegen etwas entscheidet? Kann man diesen Augenblick benennen, auf Tag, Zeit und Ort bestimmen?
    Denn genau diese Momentaufnahmen versucht Anna im nachhinein zu finden.


    Trotz der zentralen Themen - Depressionen, Suizid, Drogen, dem Loslösen, dem Abkapseln vom Elternhaus, obwohl die Eltern ihre Kinder noch bräuchten - liest sich "Wenn die Nacht am stillsten ist" aufgrund des Schreib- und Erzählstils flüssig.
    Und ist dennoch keine leichte Kost, weil den Leser viele Sätze, die wie dahin geworfen wirken, aber genau platziert sind, nachdenklich stimmen werden.


    Und wenn dann noch zusätzlich der trostlose Alltag in einem Pflegeheim geschildert wird, in dem sich Annas Mutter befindet, das Älterwerden, das Abhängigwerden, das Abgeschobenwerden, wird man als Leser unausweichlich auf den Boden der Tatsachen geworfen.


    Über 200 Seiten, die nachklingen werden, auch, wenn die Seiten so modern, elitär und durchgestylt wirken wie Ludwig selbst und gleichzeitig so spontan und ungeordnet wie Anna.


    Und so liest sich "Wenn die Nacht am stillsten ist" wie ein nicht ganz eingängiger Song über die Liebe und das Leben:
    Melancholisch, traurig, wütend, zornig, zeitkritisch, intensiv und schonungslos und doch irgendwie poetisch.


    Auf jeden Fall ein Roman, aus dem man tausend Zitate schneiden könnte, um sie immer mit sich zu tragen, aber auch ein Buch, das man lieben oder hassen wird, das man spannend und interessant finden wird oder einfach nur langweilig, gut gemacht oder überkonstruiert.


    Ich habe "Wenn die Nacht am stillsten ist" immer nur ungerne aus der Hand gelegt und nicht nur, weil ich wissen wollte, warum Ludwig diesen einen letzten Schritt gewagt hat und ob er es schaffen wird, sondern auch weil ich Anna näher kennen lernen wollte, ihre Beziehung, ihre Liebe zu Ludwig erfassen wollte.
    Das Ende wird nicht so sein, wie es sich viele Leser erhoffen werden (inkl. mir), aber es passt eben zur Geschichte.
    Ich hab dem Ende entgegen gefiebert und hatte gleichzeitig Angst davor, weil ich schon so eine Ahnung hatte, während die letzten Seiten dahin geflogen sind. Und dann habe ich die Sätze der letzten Seite immer und immer wieder gelesen, den letzten Absatz, um ihn zu verstehen, und dann wars plötzlich vorüber. Aus.
    Und dann denkt man über die Geschichte nach und nach und versucht sie immer und immer wieder umzudrehen, neu auszuleuchten und zu verstehen...


    Eindeutig :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: !

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  • Und hier noch zwei Zitate:


    Zitat

    Dabei hattest du es mir so schön erklärt.
    Warum du nicht lieben kannst, es nicht können willst und es nicht wollen kannst, und warum alle in deiner Nähe leiden, und dass das früher oder später jeder täte, weswegen es für mich das Beste wäre, wenn ich zügig meine Fanta austrinken und meinen Mantel nehmen würde, ein schönes Piece, nebenbei, und deine Wohnung und dich überhaupt verließe, denn würde ich es nicht tun, wäre das mein Untergang, meine Vernichtung, und das dürftest du niemandem antun.
    Ich habe dir zugehört und meine Fanta getrunken und habe mich mit Absicht im falschen Moment umgedreht.
    (S. 34)


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  • Zusammenfassung Cover:


    “Am Ende geht es um den Moment. Wie das Mondlicht durch die Ritze der Jalousie auf den Parkettfußboden fällt. Wie das Auto unten vorbeifährt. Wie es wieder still wird. Du atmest. Ich sitze an deinem Bett.”


    Es ist dieser Moment den Anna wahrnimmt, um Ludwig, mit dem sie seit acht Monaten zusammen ist, ohne dass jemand davon weiß, zu sagen, was sie ihm nie gesagt hat. Von den Büchern in ihrem Leben hat sie nicht gesprochen, nicht von dem Selbstmord ihres Vaters, nicht von der depressiven Mutter im Altersheim, nicht von Südafrika, wo sie lange gelebt hat, den Drogen, den Partys, der Gewalt, dem Schmerz. Das alles passte nicht in Ludwigs welt, die sich um Macht und Erfolg, um den richtigen Style und die angesagte Musik drehte und aus der alles ausgeblendet wurde, was den schönen Schein der Oberfläche störte. Aber jetzt ist auch in Ludwigs Sytem etwas aus dem Ruder gelaufen und er, der Überflieger, Redakteur für besondere Aufgaben bei einem Hamburger Gesellschaftsmagazin, der immer eine Antwort hat, der einsam, verschroben, fleißig und elitär ist, hat Schlaftabletten genommen, vielleicht eine Überdosis, Anna weiß es nicht. Sie sitzt wie Scheherazade an seinem Bett und erzählt. Hört er es?



    Über den Autor:


    Anna Weitholz wurde 1968 in Niedersachsen geboren und lebt heute in Berlin. Sie arbeitet als Journalistin, Illustratorin und als Textdichterin u.a. für Herbert Grönemeyer, Die Toten Hosen, Udo Lindenberg, 2raumwohnung und Madsen. Sie hat bis jetzt zwei Lyrikbände veröffentlicht: Mein lieber Fisch” und “Fishmas”.



    Eigene Meinung:


    Eine fantastische Geschichte und Lebenssituation, die die Autorin grandios beschreibt und den Leser viel zum Nachdenken ermutigt. Anna erzählt das erste Mal Ludwig ihre Lebensgeschichte, die sie die ganze Beziehung lang vor ihm verborgen hatte. Sie erzählt über ihre Probleme in früheren Zeiten und über die schwierigen Momente. Nie konnte sie mit ihm darüber reden, nie wollte er das hören. Und nun, da er nicht antworten kann, ist er gezwungen ihr Gehör zu schenken.


    Die Autorin beschreibt die Protagonistin so lebhaft, dass man jederzeit ihre Gefühle und Gedanken vollkommen verstehen kann. Die zwei Tage, in denen die Geschichte handelt, kann man ihre Gefühlslage detailliert nachverfolgen und auch fantastisch nachvollziehen. Grade der Schreibstil der Autorin regt zum Nachdenken an. Es wird so viel in diesem Buch erzählt, was man so gut auf sich beziehen kann, dann nur mit dem Kopf nicken kann und sich denken, ja sie hat vollkommen recht oder so habe ich die Dinge vielleicht nie gesehen. Ein wirklich fantastischer Schreibstil.


    Das Buch ist 221 Seiten lang und auch schneller guter Lesegenuss.


    Das Ende war aber leider ein bisschen enttäuschend. Es ist leider offen… Aber vielleicht ist es manchmal ja auch besser, sich sein eigenes Ende dazu auszudenken.


    Das Buch empfehlen würde ich eher Erwachsenen, die gerade gerne über verschiedene Lebenssituationen lesen und auch gerne etwas zum Nachdenken dazubekommen.


    Fazit: Ich kann es wirklich weiterempfehlen.

  • Kurzbeschreibung lt. Amazon:


    Am Ende geht es um den Moment. Wie das Mondlicht durch die Ritze der Jalousie auf den Parkettfußboden fällt. Wie das Auto unten vorbeifährt. Wie es wieder still wird. Du atmest. Ich sitze an deinem Bett. Es ist dieser Moment, den Anna wahrnimmt, um Ludwig, mit dem sie seit acht Monaten zusammen ist, ohne dass jemand davon weiß, zu sagen, was sie ihm nie gesagt hat. Von den Brüchen in ihrem Leben hat sie nicht gesprochen, nicht von dem Selbstmord des Vaters, nicht von der depressiven Mutter im Altersheim, nicht von Südafrika, wo sie lange gelebt hat, den Drogen, den Partys, der Gewalt, dem Schmerz. Das alles passte nicht in Ludwigs Welt, die sich um Macht und Erfolg, um den richtigen Style und die angesagte Musik drehte und aus der alles ausgeblendet wurde, was den schönen Schein der Oberfläche stört. Aber jetzt ist auch in Ludwigs System etwas aus dem Ruder gelaufen und er, der Überflieger, Redakteur für besondere Aufgaben bei einem Hamburger Gesellschaftsmagazin, der immer eine Antwort hat, der einsam, verschroben, fleißig und elitär ist, hat Schlaftabletten genommen, vielleicht eine Überdosis, Anna weiß es nicht. Sie sitzt wie Scheherazade an seinem Bett und erzählt. Hört er es?


    Rezension:


    Die Geschichte fing am Krankenbett Ludwigs an. Anna seine Ex-Freundin ist an seiner Seite und überlegt laut wie es zu seinem Selbstmordversuch am Vortag kommen konnte, während dieser Überlegungen erläutert sie auch immer wieder ihren eigenen Lebensweg. Ludwig registriert dies nicht, er ist nicht bei Bewusstsein, oder hört er es doch?
    Das nächste (letzte) Kapitel widmet sich dem Tag bevor der Selbstmordversuch geschah…


    Das Buch ist in zwei Kapitel unterteilt, und erzählt die Geschichte aus der Sicht von Anna. Es ist eine sehr abgehackte Erzählweise, welche mir nicht ganz so gut gefallen hat. Des Weiteren wird Ludwigs Leben, Annas Geschichte und das Schicksal ihrer Mutter erläutert, allerdings zum Teil wirr durcheinander gemischt, so dass mir am Anfang der Anschluss nicht sehr leicht fiel.
    Anna und Ludwig wurden nicht wirklich detailliert beschrieben, beziehungsweise wurde die Hauptaufmerksamkeit auf die Gegensätze der Beiden gelegt. Wie bestreiten sie ihre Leben, welche Charaktereigenschaften haben sie, usw.


    Eigene Meinung:


    Die Thematik an sich finde ich sehr interessant, jedoch sagte mir der Schreibstil der Autorin nicht zu und somit viel es mir sehr schwer das Buch zu lesen.
    Des Weiteren störte mich, dass die Frage nach dem „warum“ nie geklärt wurde. Man kann zwar diverse Thesen dazu aufstellen, eine Gewissheit gibt es jedoch nicht. Zurück blieb bei mir ein nicht befriedigtes Gefühl einfach nur einen Ausschnitt eines Lebens erzählt bekommen zu haben, aber ich denke darum ist es der Autorin auch gegangen. Ich hätte mir einfach ein anderes Ende gewünscht.
    Der letzte Satz "Am Ende ging es um den Moment." ist zwar sehr poetisch, verstärkte bei mir allerdings das Gefühl nichts zu wissen.

  • Ich denke, genau diese Offenheit macht die Geschichte aus. Manchen gefällt sie vielleicht nicht so sehr, mir hätte es aber den Zauber genommen, wenn die Autorin am Ende alle Fragen beantwortet hätte.

    merveille.


    It was that kind of a crazy afternoon, terrifically cold, and no sun out or anything,
    and you felt like you were disappearing every time you crossed a road.


    Catcher in the Rye. ♥

  • Auf jeden Fall ein Roman, aus dem man tausend Zitate schneiden könnte, um sie immer mit sich zu tragen, aber auch ein Buch, das man lieben oder hassen wird, das man spannend und interessant finden wird oder einfach nur langweilig, gut gemacht oder überkonstruiert.

    Oh ja, normalerweise schreibe ich mir schöne Zitate immer heraus, aber hier hätte ich wohl 2/3 des Buches übernehmen müssen.


    Ich muss das erst einmal sacken lassen und schreibe morgen meine Rezi. Für mich auf jeden Fall mein Jahreshighlight! Kommt in das Regal für meine Lieblingsbücher.


    Jetzt trotzdem noch 3 Fragen


    Normalerweise mag ich so offene Bücher nicht und ich grübele da auch sehr darüber nach, aber hier passt es einfach. Aber vielleicht gibt es ja doch den ein oder anderen Gedanken von euch. :)

  • Oh ja, ich hätte wohl auch 2/3 des Buches abschreiben müssen...


    War für mich auch ein Buch, das ich erstmal sacken lassen muss, weil irgendwie so viele Themen angerissen worden sind und sicherlich war da für jeden Leser etwas dabei, dass ihn besonders angesprochen hat.
    Für die einen das Altern, die anderen das Abkapseln vom Elternhaus etc.


    Über das Ende habe ich auch sehr viel nachgegrübelt, was es wohl wirklich bedeutet...




    Eigentlich müsste man die Autorin fragen, was sie mit dem Ende bezweckt... aber vermutlich das, was wir hier tun... uns fragen, das Gehirn zermattern, miteinander reden, alles umwälzen. Sie wollte uns einfach keine konkrete Antwort geben. Vielleicht kann sie es auch einfach nicht?!?!?

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  • Anna ist anders. Nicht etwa weil sie anders aussieht, sondern weil sie in einer Gesellschaft lebt die nicht zu ihr passt. Ihr Vater hat sich umgebracht, ihre Mutter ist in einem Pflegeheim und unsere Protagonistin ist, nachdem sie aus Südafrika wiedergekehrt ist, mit dem schnöseligen Journalisten und Arbeitskollegen Ludwig zusammengekommen, der eigentlich gar nicht zu ihr passt und der die Beziehung aber lieber geheimhalten möchte.
    Annas Leben ist nicht perfekt, und sie tut auch nicht so als wäre es auch nur annähernd perfekt.


    Der Roman “Wenn die Nacht am stillsten ist” von Arezu Weitholz erscheint am 05. September im Kunstmann Verlag und beginnt mit einem Monolog, welcher aufzeigt wie wenig Anna und Ludwig doch zusammen passen. Anna redet, Ludwig liegt bewusstlos (oder vielleicht doch schlafend) neben ihr, nachdem er versucht hat sich umzubringen.
    Sie hat schon so vieles erleben müssen, ist durch die Welt gezogen, hat Leute sterben sehen, hat immer Verantwortung tragen müssen – das passt einfach nicht in Ludwigs heile Welt, der von Annas Eskapaden am liebsten gar nichts hören würde, denn bei ihm muss alles perfekt sein.


    Der Tag vor Ludwigs Selbstmordversuch wird beschrieben – er trennt sich von Anna, woraufhin sie einfach geht, weil sie sowieso kurze Zeit später einen Anruf vom Pflegeheim bekommt…ihre Mutter habe mit einem Buch nach einem Pfleger geworfen. Anna besucht ihre Mutter und geht abends noch weg, und lässt durch einzelne Details ihr Leben retroperspektivisch an sich vorbeirauschen, sodass dem Leser hier klar wird, wieso sie mit Ludwig zusammengekommen ist, was sie alles schon für Sachen durchmachen musste, und dass sie in einer Welt arbeitet, die so von Oberflächlichkeiten regiert wird, in welche sie einfach nicht hineinpasst.


    Die Autorin Arezu Weitholz die hier ihren ersten Roman vorlegt hat bisher für einige überregionale Tageszeitungen geschrieben, ist Texterin für Musiker wie beispielsweise Herbert Grönemeyer (man merkt ihr auch an, dass sie im Beruf viel mit Musik zu tun hat) und hat bereits zwei Lyrikbände – “Mein Lieber Fisch” und “Merry Fischmas” – publiziert (in ihrem aktuellen Roman taucht übrigens auch ein Fisch auf). Sie kommt ursprünglich aus Niedersachsen, sodass der Leser in “Wenn die Nacht am stillsten ist” mit Anna auch durch einige niedersächsische Örtchen fährt.


    Wer sich mit dem anfänglichen Monolog schwertut wird nach einigen Seiten “erlöst”, dennoch lohnt es sich diesen zu lesen, denn hier erfährt man eigentlich das, was Anna wirklich über Ludwig denkt. Sie wirkt viel ernster und erwachsener als im nachfolgenden Teil des Romans, in welchem dann in dritter Person weitererzählt wird. Der Roman begeistert nicht nur durch seine Optik sondern auch durch den Schreibstil der Autorin, welcher zwar locker und gut verständlich aber dennoch anspruchsvoll ist. Die Thematik ist gleichzeitig eine, in welche sich sicher manch einer hineinversetzen kann – eine Welt in die man einfach nicht passt, und in die ein ungeregeltes, ungezwungenes Leben einfach nicht passt, anschaulich dargestellt durch Annas Alltag, der zum Ende des Tages in einem Desaster enden wird.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Anna sitzt neben Ludwig, der sich nach einer Überdosis Schlaftabletten in einem komatösen Zustand befindet.
    Der einsame, elitäre, verschrobene und oberflächliche Ludwig passt eigentlich so gar nicht zu Anna, er ist das genaue Gegenteil von ihr und trotzdem liebt sie ihn.
    Anna sitzt neben Ludwig und denkt über ihr Leben nach. Über ihr gemeinsames Leben, das sie 8 Monate geteilt haben. Und über ihr eigenen Leben von dem Ludwig nie etwas wissen wollte.
    Ich weiß gar nicht wie ich Arezu Weitholz’ Buch „Wenn die Nacht am stillsten ist“ beschreiben soll, denn es ist schwer in Worte zu fassen.
    Anna ist ein Charakter mit dem man sich identifizieren kann. Ihre Gefühle für Ludwig mögen nicht für jeden nachvollziehbar sein, aber man spürt in der Erzählung regelrecht ihre Faszination für den nicht ganz einfachen Kerl, der arrogant und selbstverliebt wirkt. Allerdings ist diese Faszination so real, so greifbar, dass sie während des Lesens auch auf mich übergriff.
    Weitholz schafft es einfach von Anfang an so real und authentisch zu erzählen, dass man zu einem Teil von Annas Geschichte wird, wissen will wie zwischen ihr und Ludwig alles begann und letztlich endet. Endet es überhaupt?
    „Wenn die Nacht am stillsten ist“ ist eine Momentaufnahme in der Anna sich an ihre Vergangenheit als DJ mit Drogen in Südafrika erinnert, an den Selbstmord ihres Vaters, ihre depressive Mutter, die sie regelmäßig im Pflegeheim besucht und an ihre Begegnung mit Ludwig, als alles begann.
    Arezu Weitholz bedient sich dabei einer sehr poetisch und sehr berührenden Sprache mit vielen Stellen, die nachdenklich machen. Man reflektiert über das eigene Leben und fragt sich was man mit Anna gemein hat, hat man überhaupt etwas mit ihr gemeinsam.
    Für mich ist die ganze Handlung sehr schwer in Worte zu fassen und es ist kein Buch, das man mal eben so schnell weg liest. Es ist ein Buch das berührt, nachhaltig prägt und dessen dichte Atmosphäre und ausgewählte Sprache einem in Atem hält. Ein Buch über Einsamkeit, Liebe und das Erwachsenwerden. Ein ganz besonderes Buch.


    Es ist wie die Nacht von 3 bis 5 Uhr, wenn man denkt die Welt steht still. Das trifft es wohl am ehesten.


    Mein Jahreshighlight.



    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: von :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :love: :applause: :love: :pray: :love: :thumleft: :love: :drunken: :love:

  • Die Journalistin Anna ist mit dem Redakteur Ludwig, welcher immer In
    sein möchte und das Äußere am Wichtigsten ist, zusammen, bis er
    plötzlich Schluss macht. Während Anna mit dem Schmerz kämpft und sich
    gleichzeitig um Probleme mit ihrer dementen Mutter kümmern muss,
    versucht sich Ludwig umzubringen, wobei Anna ihn findet.


    Der Aufbau des Buches ist sehr gut gelungen. Zuerst kommt der Monolog
    von Anna, als sie bei Ludwig sitzt, welcher gerade mit dem Leben kämpft.
    Dieser ist sehr bewegend und sie erzählt dem bewusstlosen Ludwig unter
    anderem von ihrem Vater, der sich erhängt hat und von ihrer Mutter, die
    den Selbstmord ihres Mannes nie verkraftet hat und im Altenheim ist.
    Danach wird wiedergegeben, was kurz vor dem Selbstmordversuch von Ludwig
    passiert ist, wobei immer wieder Begebenheiten aus der Vergangenheit,
    welche auch schon vorher im Monolog vorkamen, eingestreut werden. Auch
    wenn der komplizierte Aufbau manchmal etwas verwirrend ist, kommt immer
    wieder ein Aha-Effekt zu Tage und betont die wichtigsten Aspekte durch
    Wiederholungen.


    Inhaltlich stehen neben Liebe und Drogen die Themen Altenheim bzw. alt
    werden und Selbstmord im Vordergrund. Dabei kritisiert die Autorin die
    Zustände, wie Personalmangel und fehlende Zuwendung der Pfleger, in
    Altenheimen, aber auch die mangelnde Akzeptanz des Altwerdens in der
    Gesellschaft. So hat Anna zuerst Angst Ludwig von ihrer dementen Mutter
    zu erzählen und macht dies erst, als er sich nicht mehr "wehren" kann.
    Auch die Problematik Selbstmord zieht sich wie ein roter Faden durch das
    Buch, zum einen erhängt sich Annas Vater und zum anderen schluckt
    Ludwig eine Überdosis Schlaftabletten. Auch hier reflektiert die Autorin
    über die Konsequenzen dieser endgültigen Handlung. So leidet Anna nach
    dem Tod ihres Vaters stark unter Schuldgefühlen und ihre Mutter
    zerbricht an dieser schrecklichen Tat.


    Negativ aufgefallen ist die komplizierte Schreibweise, welche in sehr
    langen Sätzen resultiert. Dies macht es dem Leser oftmal schwer zu
    folgen. Auch die depressive und negative Grundstimmung lässt einem doch
    öfters Pausen einlegen, bis man wieder weiterliest.


    Ansonsten ist dieses ernste und an manchen Stellen traurige Buch sehr
    gelungen und gibt dem Leser die Möglichkeit sich über diese zuvor
    erwähnten Themen Gedanken zu machen und daraus Rückschlüsse zu ziehen.

  • Inhalt

    Anna sitzt am Bett ihres Liebhabers Ludwig und hält einen Monolog. Sie sagt dem Bewusstlosen all das, was sie ihm bisher nie sagen konnte und was er vermutlich ungern hören wollte. Ludwig könnte einen Selbstmordversuch unternommen haben. Zunächst ist noch unklar, ob er Überlebenschancen hat und ob er Annas Ansprache überhaupt hören kann. Gleich auf den ersten Seiten ihres Romans hat Arezu Weitholz mich fest im Griff. Anna Born wirkt wie eine kluge Frau, die sich auszudrücken versteht. Wie konnte sie in die Beziehung zu einem Mann geraten, der sich auf einem Podest räkelt und die Frau an seiner Seite immer nur klein macht? Allmählich kann ich mir eine Vorstellung von Anna und Ludwig als Paar machen. Anna ist Journalistin und Fotografin, die nach einem längeren Aufenthalt in Südafrika in Ludwigs Redaktion zu arbeiten beginnt. In Kapstadt, wo Anna als Disc Jockey arbeitete, muss jeder sorgfältig auf sich aufpassen, um nicht ausgeraubt oder ermordet zu werden. Annas Überlebensinstinkte und ihre Kenntnis der Musikbranche sind in Hamburg nutzlos. Hier muss eine Frau darauf achten, dass sie die richtige Schuhmarke kauft. In der Redaktion fühlt sich Anna behandelt wie ein Kind aus der Provinz. Wer braucht schon Reportagen über kugelsichere Büstenhalter?, fragt sie sich. Wie Anna eine Beziehung zu Ludwig erträgt, der keine Gefühle zulassen kann und seine Freundin verleugnet, bleibt mir lange ein Rätsel. Annas platonischer bester Freund Hannes hatte sie gewarnt "Lass die Finger von Ludwig, der hat eine Meise." Hinterher ist man ja immer schlauer.


    Ein zweites Kapitel erzählt aus der Perspektive eines neutralen Beobachters, was am Tag vorher geschah. Immer deutlicher wird, dass Anna, deren Mutter dement und schwer krank in einem Altenheim lebt, schon jetzt mehr vom Leben versteht als Ludwig je kennenlernen wird. Annas Themen und Interessen blendet Ludwig aus seinem wichtigen Leben aus. Doch dem prominenten Journalisten, der anderen gern kluge Vorträge über das Leben hielt, scheint die Kontrolle über seine Angelegenheiten entglitten sein, sonst würde Anna jetzt nicht an seinem Bett sitzen. Es schleicht sich beinahe ein Unterton der Verachtung für Ludwig in Annas Worte ein, je länger man ihr zuhört.


    Fazit

    Anna zeigt sich im Laufe der Geschichte als kluge, tatkräftige Frau, die es seit ihrer Kindheit nicht einfach im Leben hatte. Arezu Weitholz hat mich mit den Ereignissen an zwei Tagen im Leben eines ungleichen Paares gefesselt, weil ich unbedingt wissen wollte, wer Anna ist und wie sie in ihre sonderbare Beziehung zu Ludwig geraten ist. Leserinnen empfohlen, die Annette Pehnt gern gelesen haben und sich ein wenig für Südafrika interessieren.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:


    (31.8.2012)

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow