Maria Langstroff - Mundtot?!

  • Amazon~Beschreibung:
    Im Jahr 2006 kommt Maria Langstroff in den Rollstuhl. Grund ist eine seltene Muskelkrankheit, die lange nicht diagnostiziert werden kann und so rapide verläuft, dass sie heute fast am ganzen Körper gelähmt ist. Trotz dieses Schicksalsschlags, der die Zukunftspläne der engagierten Studentin zunichte zu machen droht, versucht sie, ihre Ziele zu verfolgen und weiter aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dabei wird Maria Langstroff immer wieder mit Behindertenfeindlichkeit konfrontiert, ob es sich nun um handgreifliche und verbale Angriffe auf der Straße handelt oder um Diskriminierungen im Krankenhaus, wo man sie wie eine Unmündige behandelt. Während sie vorerst geschockt und depressiv auf diese Erfahrungen reagiert, entwickelt sie nach und nach eine beeindruckende Stärke und lernt, sich gegen Diskriminierung zu wehren und ihre Stimme zu erheben. Maria Langstroffs Buch »Mundtot!?« erzählt die berührende persönliche Geschichte einer mutigen jungen Frau, die vor allem aufrütteln will. Zugleich ist es ein Zeichen der Solidarität, da es für all jene spricht, die keine Stimme (mehr) haben.

    Meine Meinung:

    Es ist nicht ganz einfach zu beschreiben, welche Emotionen dieses Buch in mir hervoregerufen haben. Ganz vorne steht wohl erst einmal die Hochachtung vor der Autorin und dann folgen direkt darauf Sprachlosigkeit, Wut, Entsetzen und völlige Ungläubigkeit über das, was Menschen mit einer Behinderung in unserer ach so sozialen Gesellschaft Tag für Tag erleben müssen.
    Mir war zu Beginn des Buches schon klar, dass mich die ein oder andere wirklich haarsträubende Tatsache erwarten würde, denn ich halte mich nicht für naiv und weiß durchaus dass gehandicapte Menschen in unserer Gesellschaft eher Schmähungen als Hilfe oder Toleranz zu erwarten haben - aber das, was Maria Langstroff geschrieben hat, hat mir dann doch die Schuhe ausgezogen.
    Die absichtliche Bösartigkeit, die viele Menschen ihr gegenüber an den Tag gelegt haben, ist dann doch noch ungleich schlimmer als die unbewussten Diskriminierungen, die ich eigentlich erwartet hatte.


    Schade, dass dieses Buch wohl kaum seine eigentliche Zielgruppe erreichen wird, denn jemand, der einem Rollstuhlfahrer absichtlich Stöcke zwischen die Speichen wirft, wird wohl kaum zu einer solchen Lektüre greifen. Aber vielleicht hilft es ja dabei, die Zivilcourage der Menschen zu schüren, die ohnehin schon anders denken und empathiefähig sind.
    Absolut lesenswert ist "Mundtot?!" auf jeden Fall. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: von mir.

  • Ich hab dieses Buch heute ebenfalls zu Ende gelesen und kann Hiyanha da nur beistimmen.
    Mich schockierte vor allem das unhöfliche und untätige Personal in den Kliniken und Pflegeheimen, da ich selbst in diesem Bereich arbeite. Niemand sollte als bettlägriger Mensch darum betteln müssen gewaschen oder gelagert zu werden. Untergekommen sind mir solche Menschen, die in diesen Berufen absolut nichts zu suchen haben, in den Heimen in denen ich tätig war jedoch noch nicht. Gott sei Dank.
    Leider ist mir die Behindertenfeindlichkeit auf der Straße und in öffentlichen Verkehrsmitteln nur zu sehr bewusst. Ich erlebe es fast täglich und sehe wie Menschen daran zerbrechen können. Umso bewundernswerter finde ich wie Maria Langstroff mit ihrer Situation umzugehen weiß, die Stärke die sie zeigt und dass sie sich mitteilt um andere wachzurütteln.

  • Danke für deine schöne Rezension, Hiyanha.


    Ich finde es so wichtig, dass diese Geschichten aufgeschrieben werden. Ich habe selbst mehr als 1 Jahr in einer Schule für Jugendliche mit einer körperlichen Behinderung gearbeitet und ich habe mich im Alltag wirklich oft über das Verhalten mancher Menschen aufgeregt, war fassungslos, war wütend. Aber das waren oft nicht mal Fremde oder Menschen von der Straße, sondern eigene Mitarbeiter oder sogar Hauptamtliche. Was ich damals viel schlimmer fand. Wie sollte man von Menschen, die mit dem Thema Behinderung noch nie in Kontakt gekommen sind und deswegen einfach nicht wissen können, wie sie sich verhalten sollen, einen natürlichen und adäquaten Umgang mit dem Thema Behinderung erwarten, wenn selbst Chefs und Ausbilder - ich habe in einer Schule gearbeitet, wo die Jugendlichen eine berufliche Ausbildung absolvierten - der Meinung sind, bevormunden zu dürfen?


    Zitat

    Leider ist mir die Behindertenfeindlichkeit auf der Straße und in öffentlichen Verkehrsmitteln nur zu sehr bewusst. Ich erlebe es fast täglich und sehe wie Menschen daran zerbrechen können.


    Das stimmt. Schön finde ich es, dass ich selbst aber oft auch andere Erfahrungen gemacht habe. Viele sind freundlich und zuvorkommend und packen kurz mit an, ohne dass man sie darum bitten müsste. Als ich z. B. das erste Mal mit einer Rollifahrerin mit dem Bus in die Stadt wollte, hab ich noch nicht gewusst, dass die Rampen in den Boden eingelassen sind. Stand da etwas hilflos herum und ein junger Mann ist einfach aufgestanden und hat sie für mich / uns ausgeklappt.

    merveille.


    It was that kind of a crazy afternoon, terrifically cold, and no sun out or anything,
    and you felt like you were disappearing every time you crossed a road.


    Catcher in the Rye. ♥

  • Ich kann Eure Posts unterschreiben. Ich fand es erschreckend, von der Behandlung durch die Mitmenschen zu lesen, auch wenn man vieles eventuell schon weiss oder zumindest erahnt.
    Die Autorin zeigt aber in ihrem Buch, wieviel Kraft sie in sich trägt, bzw wieviel Kraft diese Behandlung auch aufzehrt.
    Ein Buch, dass wichtig ist. Weil es auch über die Schattenseiten berichtet und Einblicke in unbekannte Dinge erlaubt.
    sehr lesenswert.