Louis de Bernières - Corellis Mandoline

  • Hmm, ein Buch, welches die gesamte Bandbreite menschlicher Empfindungen widerspiegelt und hervorruft. Ich habe oft schallend gelacht und genauso oft war ich kurz vor dem Weinen. Am Anfang hatte ich das Gefuehl, dass er ein wenig planlos durcheinanderschreibt. Aber irgendwann ergab der Wechsel der Hauptpersonen einen sehr fein abgestimmten Rhythmus den ich nicht mehr missen wollte. Waere nicht der humorvolle Schreibstil, haette ich die Geschichte wohl gar nicht lesen koennen, denn eigentlich ist es gar zu grauselig, was sich Menschen immer wieder gegenseitig antun.
    Irgendwo ist das ganze wohl auch ein Aufruf zu mehr Courage, weil wir von oben auch nicht sonderlich viel gutes zu erwarten haben.

  • So, ich hab's nun auch endlich gelesen und kann Eure Begeisterung voll teilen. Die wechselnden Perspektiven, die Fülle interessanter Personen - eine wirklich bewegende Geschichte :thumleft: Die tragischsten Gestalten sind für mich Mandras und Carlo:


    Die letzten 200 Seiten fand ich unbefriedigend, die Zeit rennt auf einmal dahin, Pelagia ist Großmutter bevor ich richtig umblättern konnte; das Buch wird zur Familiengeschichte, statt zum Zeitdokument, die weite Perspektive fehlt und die "Wiedergutmachung" nun ja...


    Aber: Ein tolles Buch, vielen Dank für die Empfehlung :dance:


    Katia

  • Zitat

    Original von Katia
    Die tragischsten Gestalten sind für mich Mandras und Carlo:


    Carlo ist für mich auch die tragische Figur dieses Romans, ich habe mit ihm gelitten und für ihn gezittert.


    Bei Mandras sieht es bei mir allerdings etwas anders aus:



    Gruß
    Wilaja

  • Das ich von diesem Buch beeindruckt bin, sehe ich vor allem daran, dass es nach wie vor in meinen Gedanken umher geistert.


    Wie ich schon in meinem vorigen Posting erwähnte, war der Einstieg in dieses Buch ein wenig schwierig. Die ständigen "Geschichtssprünge" (Wechsel der Erzählorte und der Personen) waren für mich sehr gewöhnungsbedürftig und teils auch ohne Sinn. Im nachhinein betrachtet, bildet aber genau dieses ein ganzes.


    Ich vergleiche Romane gerne mit Bildern. Bernières malt in kräftigen, satten Farben. Seine Geschichte bildet einen Sog, der den Leser unhaltbar mit sich reißt; die Geschichte umfängt einen mit seiner ganzen Kraft. Er möchte den Betrachter (Leser) nicht durch Pastellfarben zart berühren. Er möchte beeindrucken. Bernières bedient sich einer aussdrucksstarken, schonungslosen Sprache, die oft schockt und traurig stimmt, die aber genau so oft ein Lächeln und ein Lachen ins Gesicht zaubert.


    Was mich aber vor allem fasziniert und erstaunt hat, ist die Courage der Italiener gegenüber dem besetzten Land. Zutiefst erschreckt hat mich die Unmenschlichkeit der Kommunisten gegenüber den eigenen Landsleuten. Es lässt einen oft überlegen, wer denn nun der Feind und wer der Freund ist.


    Alles in allem ein sehr gelungener und bewegender Roman, wenn auch das Ende nicht ganz befriedigt.

    Grüßle


    Andrea


    Nichts ist gerechter verteilt als die Intelligenz. Jeder glaubt, er habe genug davon. - René Descartes



    Ich lese gerade:
    Owen Meany von John Irving

  • Zitat

    Original von jannmaat
    Hmm, ein Buch, welches die gesamte Bandbreite menschlicher Empfindungen widerspiegelt und hervorruft. Ich habe oft schallend gelacht und genauso oft war ich kurz vor dem Weinen. Am Anfang hatte ich das Gefuehl, dass er ein wenig planlos durcheinanderschreibt. Aber irgendwann ergab der Wechsel der Hauptpersonen einen sehr fein abgestimmten Rhythmus den ich nicht mehr missen wollte. Waere nicht der humorvolle Schreibstil, haette ich die Geschichte wohl gar nicht lesen koennen, denn eigentlich ist es gar zu grauselig, was sich Menschen immer wieder gegenseitig antun.


    Hallo @ll
    Ich traue mich beinahe gar nicht zu schreiben :uups: nach meiner ersten, nicht so positiven Meinung.
    Aber, nachdem nun wieder Ruhe bei mir eingekehrt ist, liess mich die Geschichte, die hier soviel Begeisterung ausgelöst hat, nicht los, und es ärgerte mich, nicht weitergelesen zu haben.
    Nun hat mich das Buch doch noch gepackt, und meine Empfindungen sind ähnlich wie die von jannmaat. Auch ich hatte am Anfang den Eindruck, das der Autor ein wenig planlos durcheinander schreibt, aber dann habe ich mich an den Rhythmus gewöhnt, und man versteht seine anfänglichen Bedenken überhaupt nicht mehr. #-o
    Wie Ute und Marie bereits sagten, von einer Seite zur anderen bleibt einem das Lachen förmlich im Halse stecken, wenn es dort mit der Beschreibung der Kriegsgeschehnisse weitergeht.
    Nun ist ja endlich auch (der sympathische) Hauptmann Corelli mit seiner Mandoline am Schauplatz der Geschichte angekommen, und ich bin schon gespannt , wie Louis de Bernières seine Protagonisten weiter agieren lässt.
    Alles in allem (bis jetzt) gesehen, ein ungewöhnliches Buch, wobei ich mich nicht erinnern kann, je etwas vergleichbares gelesen zu haben. Später folgt natürlich meine abschliessende Meinung.
    Gruss Bonprix :wink:

  • Zitat

    Original von Bonprix


    wobei ich mich nicht erinnern kann, je etwas vergleichbares gelesen zu haben


    Genau diesen Eindruck hatte ich auch! :wink: (Und habe ihn immer noch...)


    Gruß
    Wilaja

  • @ Bonprix, ich hatte es fast nicht für möglich gehalten, dass Du das Buch abgebrochen hast (die "Alten" hier kennen ja meist den Lesegeschmack der anderen "Alten"). Aber zwischen Umzugskartons und Malerpinseln bleibt nicht mehr viel Luft für ein Buch wie dieses.
    Umso mehr freut es mich, dass wir Dich im Kreis der Corellis Mandoline-Fans nun doch begrüßen können.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe "Corellis Mandoline" gerade zu Ende gelesen.
    Fast 3 Wochen habe ich dafür gebraucht!
    Ich wollte und konnte es irgendwie nicht einfach so runterlesen.
    Mein Fazit: Eines der schönsten Bücher,die ich bis dato gelesen habe!!!
    Es stimmte wirklich alles!Von den Charakteren angefangen ,bis hin zur Handlung und Kulissen.Einfach ein Traum von Buch.
    Ich glaube ich habe noch nie so viele Tränen vergossen beim Lesen....


    Unbedingt lesen!!!


    :-({|=

  • Hallo @ll
    Bereits am letzten Freitag habe ich das Buch beendet, aber direkt danach meinen Eindruck zu beschreiben, war mir einfach nicht möglich. Das Gelesene musste ich zuerst einmal verarbeiten.
    >Corellis Mandoline<, ein Buch, dass im Gedächtnis bleibt. Ein durchaus poetisches Buch, aber auch ein ungeschminktes Buch, dass die Greuel des Krieges klar erzählt.
    Für mich war und ist Carlo die bewegenste, aber auch die tragischste Person des Buches :cry: für die ich eigentlich die grösste Sympathie empfinde, und sein furchtbarer Tod, sein Begräbnis, auch die feierliche Rede von Dr. Iannis an seinem Grab haben mich wirklich "mitgenommen".
    Ich übertreibe nicht, wenn ich euch erzähle, die erste Stunde nach diesem Kapitel war es mir nicht möglich aus dem Haus zu gehen, mit meinen verweinten Augen..... :uups: Und auch während ich diese Zeilen schreibe, treibt es mir wieder die Tränen in die Augen.... #-o
    Ich möchte einige Sätze von Dr Iannis auf Seite 421 an dieser Stelle zitieren, damit man mich versteht:


    >Ich denke auch daran, dass der Dichter uns sagt, es gebe ein Zeit für lange Rede und eine Zeit für Schlaf. Schlafe lange und gut. Du wirst nicht vom Alter gebeugt werden, du wirst nicht schwach werden, du wirst weder neuen Kummer noch Gebrechlichkeit kennen. Solange wir deiner gedenken, wirst du uns als jung und schön in Erinnerung bleiben. Kephallonia ist es die grösste Ehre, sich als Hüter deiner Gebeine zu betrachten......


    Dieser Abschnitt hat mich sehr berührt, vielleicht auch, weil ich am Tag zuvor gehört habe, dass mein Schwager aus Berlin ganz plötzlich im Alter von 55 Jahren gestorben ist. Sekundentod, wahrscheinlich akutes Herzversagen...... :(
    Aber kommen wir zurück zum Buch! Was soll ich noch sagen, allen die in diesem Thread geschrieben haben, kann ich nur zustimmen, ich empfinde die gleichen Gefühle, habe die gleiche Meinung.
    Was ich nicht so nachvollziehen kann, ist Corellis Handlungsweise nach dem Krieg; jedes Jahr eine rote Rose zum Grab bringen, aber keinen Kontakt zu Pelagia aufnehmen, erscheint mir doch ein wenig unrealistisch, bzw. die Gründe für sein Verhalten eher vorgeschoben. :-k
    Leider wird das letzte Drittel dem Buch nicht gerecht, da das weitere Leben von Pelagia nur noch skizziert wird, die Zeit nach dem Krieg, dass grosse Erdbeben, der Wiederaufbau......es ist gerade so, als hätte der Autor beschlossen, ich habe lange genug geschrieben, nun muss ich die Geschichte beenden.
    Aber, grosses ABER, es bleibt ein wunderbares, ungewöhnliches Buch, dass ich allen, die auch vor einer (teilweise) schwierigen Geschichte nicht zurückschrecken, nur empfehlen kann. ***** =D>


    Gruss Bonprix :wink:

  • Jetzt bin ich aber wirklich froh, @ Bonprix.


    Als ich in Deiner Signatur gelesen habe, dass du inzwischen mit einem anderen Buch begonnen hast, und weil Du noch nichts zu Corellis Mandoline geschrieben hattest, befürchtete ich schon, dass Du es wieder weggelegt hast.


    Aber jetzt: Willkommen im Club (der hoffentlich noch viele neue Mitglieder bekommt).


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • @ Bonprix: Ja, Carlo ist in der Tat eine ganz besondere Figur, man kann einfach nur mit ihm fühlen und gezwungenermaßen auch weinen.
    Obwohl mir der Hauptmann Corelli sehr ans Herz gewachsen ist, bleibt für mich auch Carlo als der "wahre Held" in Erinnerung.



    Du hast Recht, Corellis Mandoline ist wirklich ein ungewöhnliches Buch, es ist nicht vergleichbar mir anderen Romanen und vielleicht macht es genau das so einzigartig.


    Und: Es freut mich wirklich sehr, dass Dir Corellis Mandoline doch noch so gut gefallen hat. :wink:


    Viele Grüße
    Wilaja

  • Das ärgert mich:


    Dieses Buch hieß, als es 1998 veröffentlicht wurde, "Marcellos Geige". Erst ab der Auflage von 2002 hieß es plötzlich "Corellis Geige". Hat hier jemand vom Erfolg von "Corellis Mandoline" profitieren wollen?


    Auch auf der Homepage des Autors erscheint der alte Titel http://www.andreas-liebert.de/index1.html.


    Ich habe dem Autor eine Mail geschrieben und ihn nach dem Grund für die Titeländerung gefragt.


    Marie

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  • Zitat

    Original von Marie


    Ich habe dem Autor eine Mail geschrieben und ihn nach dem Grund für die Titeländerung gefragt.


    DAS würde mich auch interessieren... :-k


    Gruß
    Wilaja

  • Da wollte wohl jemand auf der Rumeswelle von Corellis Mandoline mitschwimmen. Aber ich finde es echt daneben, wenn man sich solcher Dinge bedient. [-(

    Grüßle


    Andrea


    Nichts ist gerechter verteilt als die Intelligenz. Jeder glaubt, er habe genug davon. - René Descartes



    Ich lese gerade:
    Owen Meany von John Irving

  • Es fiel mir ein wenig schwer, mich in dieses Buch einzulesen und die Handlungsfäden aufzunehmen. Aber nach etwa 60 Seiten war ich gefangengenommen vom wunderschönen Stil, mit hervorragenden feinfühligen Beschreibungen von Land und Leuten, mit dem Louis de Bernières dieses Buch ausschmückt. Die Liebesgeschichte, die vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges mit Besatzern, Angriffen und Not spielt, ist weder kitschig noch schwülstig. Sie ist schön. Die Handlung ist nachvollziehbar und der historische Rahmen meines Erachtens auch sehr realitätsnah. De Bernières lässt Mussolini und Metaxa in diesem Roman überzeugend zu Wort kommen, das unterstreicht die gute Recherchearbeit des Autors. Für mich hat in diesem Buch die Liebesgeschichte von Pelagia und Antonio die Haupthandlung inne. Den Krieg gibt es zwar, aber er scheint beim Lesen nicht so vordergründig zu sein. Obwohl die Auswirkungen doch recht deutlich beschrieben werden. Aber etwa 100 Seiten vor dem Ende gab es leider einen Bruch in dem wunderschönen Stil. Ich hatte das Gefühl, der Autor schrieb das Ende der Geschichte im Zeitraffer. Auf diesen Seiten berichtete er vom Kriegsende bis in das Jahr 1993 hinein. Auch der Schluss selbst hat mich nicht so begeistert. Er machte die Geschichte rund, aber ein offenes Ende hätte mir deutlich besser gefallen.
    Ein Wort zu meiner Lieblingsfigur in diesem Roman möchte ich gern noch loswerden, das war Carlos, der Antonio Corelli auf eine sehr intensive, aber zurückhaltende Art liebte. Seine Abschiedsbriefe haben mich sehr berührt. Es wahren wohl die schönsten, die ich bisher gelesen habe.