J.J. Voskuil: Das Büro - Direktor Beerta (Orig.Titel: "Het Bureau I: Meneer Beerta")

  • Kurzbeschreibung lt. amazon:


    Als Maarten Koning eine Stelle als wissenschaftlicher Beamter in einem volkskundlichen Büro antritt, ändert sich sein Leben schlagartig. Von nun an beschäftigt er sich mit Wichtelmännchen - und mit den lieben Kollegen. Der graue Büroalltag wird aufgelockert durch ergebnislose Sitzungen, nutzlose Dienstreisen und feuchtföhliche Kongresse. Und bei alledem versteht es Direktor Beerta meisterhaft, immer neue Pojekte und Stellen zu schaffen ....
    Was Joanne K. Rowling für England war, war J.J. Volskuil für die Niederlande: Sein monumentaler Büro-Roman löste eine wahre "Büromanie" aus mit Fanklubs und langen Schlangen im Morgengrauen vor den Buchhandlungen. Mit seinen knappen Schreibtischdialogen, lakonischen Schilderungen von Arbeitsabläufen und einem bitterbösen Gespür für die urkomischen Aspekte des Bürolebens hat Voskuil den Nerv unserer arbeitswütigen Zeit getroffen. Während der Leser wie bei einer Soap-Opera atemlos einer Szene nach der anderen folgt, wird er unmerklich in das Leben des Maarten Koning hineingezogen.
    Ein Trostbuch für alle, die jeden Morgen ihren Kaffee kochen und ins Hamsterrad der Projekte und Konferenzen steigen.


    Der Autor:


    Johannes Jacobus Voskuil, 1926 - 2008, war als Beamter an einem volkskundlichen Institut in Amsterdam beschäftigt. Seinen Durchbruch als Schriftsteller erlebte er mit seinem Roman "Het Bureau", der in den Jahren 1996 bis 2000 in sieben Bänden erschien. Der Bestseller mit Kultstatus wurde u.a. mit dem F.Bordewijk-Preis und dem Libris-Literaturpreis ausgezeichnet.


    Roman, 848 Seiten


    Meine Meinung:


    Der Roman ist unterteilt in Abschnitte, die mit der entsprechenden Jahreszahl versehen, jeweils ein Arbeitsjahr im reichhaltigen Arbeitsleben des Protagonisten Maarten Koning beschreiben. Er beginnt seine Karriere im Jahr 1957 und ist im Jahr 1965 (dem letzten geschilderten Jahresabschnitt dieses ersten Bandes) bereits Abteilungsleiter. Sein sehr geschätzter :wink: unmittelbarer Vorgesetzter, Direktor Beerta, hat nun sein Pensionsalter erreicht und wird in den Ruhestand verabschiedet. Sicherlich, so wird bereits angedeutet, wird Beerta wohl noch einige Male einen Auftritt im Büroalltag haben und wohl noch an einigen Kommissionen und Sitzungen teilnehmen. Das bleibt aber noch abzuwarten. Denn in diesem ersten Band ist jetzt erst einmal Sendepause. Der gesamte Zyklus ist schließlich auf sieben Bände mit ca. 5000 Seiten angelegt und kann es damit, wie der Übersetzter des Romans ,Gerd Busse, in seinem Nachwort ausführt, vom Umfang her mit Marcel Prousts Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" aufnehmen. Dieses Nachwort, eigentlich ein Essay zum vorliegenden Werk, sowie ein Grundriss des Büros und eine Aufstellung sämtlicher wichtiger Personen befinden sich im Anhang und sind sehr hilfreich.


    Obwohl ich nun wahrhaftig nicht zu den Liebhabern von Soaps und schon gar nicht zu den Stromberg-Fans gehöre (ist mir zu albern) habe ich diesen Roman mit Begeisterung gelesen. Der Autor besitzt einen unnachahmlichen trockenen Humor und beschreibt mit viel Ironie und immer treffend den Büroalltag des Maarten Koning. Aber auch der Alltag, das Verhältnis zu seiner Frau, seinem Vater und einigen Arbeitskollegen, die er außerhalb der Dienstzeit trifft, nimmt seinen Platz ein. Dabei erinnern die Dialoge, die einen Großteil des Romans ausmachen, ein wenig an Szenen, die sich ein Loriot ausgedacht haben könnte. Einfach herrlich.


    Was macht aber der Romanheld eigentlich? Woran arbeitet er? Tja, das zu beschreiben, ist nicht einfach und Maarten Koning bringt es auch immer wieder deutlich auf den Punkt. Das ganze Vorhaben des Instituts bleibt für ihn vollkommener Unsinn. Es geht dabei um das großartige Projekt der Erstellung eines volkskundlichen Atlasses, der auf Karten sogenannte "Kulturgrenzen" aufzeigen soll. Diese Grenzen ergeben sich aus Erzählungen und Überlieferungen, für die einige freiwillige Helfer, die Korrespondenten, angestellt werden und die in einer Art Volksbefragung diesen Überlieferungen auf die Spur kommen sollen.


    Der Autor hat sich in der Figur des Maarten Koning sein Dasein als "wissenschaftlicher Beamter" an einem Amsterdamer Institut für Volkskunde von der Seele geschrieben. So berichtet es Gerd Busse in seinem Nachwort unter dem Titel "Das Büro - ein Buch des Trostes". An diesem Ort hatte J.J. Voskuil selbst dreißig Jahre seines Lebens zugebracht. Wenn man davon ausgeht, dass in dem vorliegenden Band "nur" neun Jahre abgehandelt werden, darf man sich noch auf einige weitere Bürojahre in Buchform freuen. Ich zumindest hoffe, dass eine deutsche Fortsetzung folgen wird. Mich würde schon interessieren, wie es weitergeht mit Maarten Koning und den lieben Kollegen, die auch so alle ihre Eigenarten haben. Wie verändert sich im Laufe der Jahre der Arbeitsablauf. Wer bleibt dabei und wer wechselt frustriert den Job. Das alles und auch das außerbüroliche Leben der Hauptfigur, die man einfach ins Herz schließt, machen Lust auf mehr.


    Mein Fazit: Ein Entwicklungsroman, der in einem einfachen und gut lesbaren Stil geschrieben ist. Eine Aneinanderreiung von Szenen aus dem Leben eines Beamten, die großteils an seinem Arbeitsplatz spielen. Sehr gut gefallen haben mir die Ironie und die lakonische Sprache, die der Autor verwendet. Ich hoffe auf das Erscheinen der restlichen Bände auf Deutsch, damit ich die Lebensgeschichte Maarten Konings weiterverfolgen kann. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht. :lol:
    Meine Bewertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!