Morton Rhue: Über uns Stille / The Bomb

  • Klappentext:


    Scotts Vater hat einen Bunker im Garten bauen lassen. Seitdem stellt Scott sich quälende Fragen: Wird er es rechtzeitig in den Bunker schaffen, wenn der Krieg kommt? Und was, wenn dort kein Platz mehr für ihn ist, weil die Nachbarn schneller waren? Hätten sie überhaupt eine Chance zu überleben, wenn draußen alles verseucht wäre?


    Der Autor:


    Morton Rhue wurde 1950 in New York City geboren und wuchs in Long Island auf. Nach seinem Studium arbeitete er vornehmlich als Journalist. Heute widmet er sich fast ausschließlich seiner schrifstellerischen Tätigkeit, neben Lesungen und Workshops in Schulen. Rhue schrieb zahlreiche Kinder- und Jugendromane und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. "Die Welle" war sein erster in Deutschland veröffentlichter Roman, der in den vergangenen Jahrzehnten Millionen Leser bewegt hat, und 2007 als Graphic Novel erschienen ist. Seine Romane schockieren und berühren gleichermaßen durch ihren ungeschminkten Blick auf die amerikanische Wirklichkeit und durch ihre direkte Sprache. Wenn Morton Rhue nicht liest oder schreibt, reist er gern - besonders mit seinem Surfboard im Gepäck.
    Morton Rhue veröffentlicht auch unter dem Namen Todd Strasser.


    Roman, 241 Seiten


    Meine Meinung:


    Der Roman spielt vor dem Hintergrund der Kubakrise 1962, als die Sowjets Abschussrampen für zwei Sorten Raketen auf Kuba errichten und die Amerikaner ihre Raketen in der Türkei stationieren. Es herrscht eine Pattsituation. Es handelt sich um Massenvernichtungswaffen. Die Angst vor einem Atomkrieg greift um sich. Der Präsident Kennedy hält eine Ansprache und ruft zum Bau von Schutzbunkern auf. In den Schulen werden Alarmübungen durchgeführt und Verhaltensmaßnahmen für den Ernstfall geprobt.


    In dieser angespannten Lage beschließt der Vater des Ich-Erzählers Scott, in seinem Garten einen Bunker zu bauen. Die Nachbarn machen sich über ihn lustig und auch Scott und sein Bruder Edward (Sparky) bekommen den Spott ihrer Kameraden zu spüren. Denn einmal ehrlich, wenn es wirklich zu einem Atomkrieg kommen würde, gäbe es doch keine Gewinner. Dann wäre doch alles vernichtet, die Menschheit weitestgehend ausgelöscht. Wer würde das denn wollen. So dämlich können die Politiker doch nicht sein, oder? Anscheinend doch!


    Denn es kommt, wie von Scotts Vater befürchtet. Der Krieg bricht aus und Scotts Familie hat gerade noch Zeit, ein paar Sachen zusammenzuraffen und in ihren Bunker zu flüchten. Aber bevor sie die Klappe schließen können, verschaffen sich noch ein paar Nachbarn unter Gewaltanwendung Zutritt. Allerdings nicht allen, die auch noch mit hineinwollen, gelingt es. Und als die Schotten endgültig dicht gemacht werden, befinden sich in dem Bunker, der für vier Personen errichtet wurde, bereits zehn Menschen. Das stellt höchste Anforderungen an die grundlegendsten Verrichtungen. Nahrungsmittel- und Wasserknappheit, ganz zu schweigen von den hygienischen Bedingungen wie Toilettengebrauch (das Toilettenpapier geht zur Neige und wohin mit den Hinterlassenschaften?) und Waschgelegenheiten sind noch nicht einmal die einzigen Schwierigkeiten. Hinzu kommen die Spannungen, die enstehen, wenn zu viele Menschen über mehrere Tage auf zu wenig Raum zusammengepfercht sind.


    Die Nachbarn, die vorher gelästert haben, fangen an, Forderungen und Ansprüche geltend zu machen. Sie nörgeln, dass Scotts Vater nicht an alles Notwendige gedacht hat und verlangen, dass die Zahl der unnützen "Esser" und "Luftverbraucher" reduziert werden soll. Offenbar ist da besonders an Scotts Mutter, die beim Abstieg in den Bunker von der Treppe gefallen und sich so schwer verletzt hat, dass sie seitdem nicht mehr ansprechbar ist und an die schwarze Haushälterin von Scotts Familie, Janet, gedacht worden. Das zu lesen, macht wirklich wütend und gibt einen guten Überblick über das menschliche Verhalten. Und das ist kein sehr schönes Miteinander!


    Erzählt wird hier in sehr kurzen Kapiteln (65) in abwechselnder Reihenfolge von den Ereignissen im Bunker (hier wird als Zeitform das Präsens verwendet) und den Geschehnissen aus der jüngsten Vergangenheit, beginnend im Sommer 1962 bis kurz vor dem Atomangriff (dies in der Zeitform Präteritum). Die Sprache ist einfach, klar und anschaulich. Die Schilderungen sind wirklich eindruckvoll.


    Das Fazit des Autors ist in seinem Schlussabsatz sehr gut deutlich gemacht:


    Zitat

    Wie kommt es, das es seit Beginn der Menschheitsgeschichte ein paar wenigen mächtigen Männern immer wieder gelungen ist, Massen friedliebender Menschen aufzuhetzen und dazu zu bringen, gegeneinander Krieg zu führen? Hat das denn je zu etwas anderem geführt als zu Leid, Tod und Zerstörung?
    Seit jener Woche im Oktober 1962, in der die Welt so nah wie nie zuvor am Abrund stand, sind fünfzig Jahre vergangen. Kriege werden immer noch geführt.
    Werden wir es denn niemals lernen?


    Morton Rhue im Dezember 2011


    Mein Fazit: Ein sehr gut zu lesender Roman, der mich von der Thematik her überzeugen konnte und nachdenklich machte. Der Handlungsaufbau ist wirklich gelungen. Die kurzen Kapitel vermitteln durch den Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit an den spannendsten Stellen, dass man den Roman nicht so schnell aus der Hand legen kann. Ein Thema, dass immer wieder aktuell ist, vorgetragen von einem Autor, der sein Handwerk versteht.
    Meine Bewertung: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!

  • Kurzbeschreibung


    Kubakrise 1962. Im Leben des jungen Scott Porters dreht sich momentan alles um den potentiellen Angriff der Sowjets auf die USA. Sein Vater lässt einen Bunker unter dem Haus bauen - es ist der einzige in der gesamten Nachbarschaft. Was ist, wenn sie es nicht schaffen, sich noch vor dem Abwurf der Bombe in Sicherheit zu bringen? Was ist, wenn auch noch die Nachbarn versuchen, in den Bunker zu kommen? Und was ist, wenn sie die einzigen Überlebenden in einem Meer aus Zerstörung und Tod sind...?


    Meine Meinung


    Als ich begann, dieses Buch zu lesen, wurde mir eines ziemlich bewusst: wie wenig ich doch über diese Kubakrise wusste. Doch ich merkte auch schnell, dass es gar nicht so schlimm war, denn Morton Rhue hat es geschafft, auch mich als "unwissenden" Leser abzuholen, die Situation klar, aber nicht geschichtstrocken darzustellen und sie kritisch zu hinterfragen.


    Scott, der Protagonist und Ich-Erzähler, ist zwölf Jahre alt und hat furchtbare Angst vor einem Atomkrieg. Er ist sehr klug und aufmerksam, auch wenn er sich leicht von seinem besten Freund Ronnie zu unsinnigen Sachen überreden lässt, bei denen er schon im Vorwege Scham und Reue empfindet. Er stellt sehr viele Fragen zur jetzigen (politischen) Situation und auch zu möglichen zukünftigen Szenarien (vor allem nach einem Bombenangriff der Russen).


    Der Bau des Bunkers stößt bei den Nachbarn auf viel Spott oder wird einfach belächelt. Niemand glaubt so richtig an einen Angriff der Sowjets oder zumindest will das so recht niemand glauben.


    An den Schulen finden Sicherheitsübungen statt, es wird für den Ernstfall geprobt, auch wenn diese Schutzmaßnahmen etwas lächerlich und wirkungslos klingen... Was soll es schon bringen, dass man die Fenster verdunkelt, sich unter die Tische verkriecht und sich mit dem Rücken zum Bombeneinschlag drehen. Aber was sollte man auch sonst damals machen? Es klingt weniger nach Schutz und mehr nach Abmilderung.


    Scotts bester Freund Ronnie, der auch so um die zwölf oder dreizehn Jahre alt ist, hat mich in dieser Geschichte wirklich SEHR genervt. Er gehört zu dieser Sorte von Kindern, die ich nicht ausstehen kann: verwöhnt und frech. Ständig hat er bescheuerte Ideen und zieht andere mit rein, lügt extrem viel und tut so, als hätte er von allem eine Ahnung. Zum Teil liegt das wohl auch an seiner Erziehung, von der man so ein bisschen was mitbekommt.


    Es gibt zwei Handlungsstränge, die sich kapitelweise abwechseln. Alles beginnt mit dem Ernstfall: Die Sirenen heulen, Scott und seine Familie flüchten in den Bunker und es gibt ein gewaltiges Problem. Parallel dazu erzählt Scott, was es einige Wochen VOR der besagten Situation alles passierte, als der Bunker erst noch gebaut wurde.


    Der Wechsel zwischen Ausnahmesituation und Alltag entlastet ein bisschen die Nerven (wegen der Spannung), weil es als eine Art "kleine informative Pause" fungiert, und sorgt gleichzeitig auch dafür, dass man nicht aufhören kann zu lesen, weil man u n b e d i n g t wissen will, wie es im Bunker weitergeht.


    Neben dem allzeitpräsenten Thema "Kalter Krieg" spricht Rhue auch die Probleme von u.a. Rassismus, Vorurteilen und Ignoranz an. Es ist vielschichtig und verständlich aufgebaut, ohne belehrend zu wirken, aber trotzdem einen kritisierenden Unterton behaltend.


    Ein wirklich spannender und viele Fragen aufwerfender Roman, den ich zweifellos weiterempfehlen kann.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • 1962 in den USA. Die Angst vor einem Atomkrieg wächst. Als Vorsichtsmaßnahme lässt Scotts Vater einen Bunker in seinem Garten bauen, auch wenn ihn seine Nachbarn dafür eher müde belächeln. Scott fängt an sich näher mit der Thematik zu beschäftigen. Würde er es überhaupt rechtzeitig in den Bunker schaffen, wenn er beim Angriff gerade in der Schule säße? Wie lange müsste man in diesem Bunker ausharren? Wie wäre das Leben nach einem atomaren Angriff, wenn draußen alles verseucht und die Menschen ohne Bunker gestorben wären? Schon bald werden seine Gedankenspiele keine Theorie mehr sein und er wird die Antworten auf diese Fragen am eigenen Leib spüren.


    Morton Rhue wurde in Deutschland durch seinen Roman "Die Welle" bekannt. Da mir dieses Buch damals sehr gefallen hatte, wollte ich unbedingt wieder etwas von Rhue lesen und habe mich für "Über uns Stille" entschieden. Im Roman ist Scott der Protagonist und Ich-Erzähler. In zwei verschiedenen Zeitebenen berichtet er über die Zeit vor dem Angriff, in der er, seine Familie und seine Freunde sich Gedanken um einen möglichen Atomkrieg und seine Folgen machen, und über die Zeit im Bunker. Meiner Meinung nach wurden die Empfindungen der Charaktere glaubhaft geschildert. Besonders die unterschiedlichen Einstellungen: Die einen rüsten auf und bereiten sich auf einen atomaren Angriff vor, die anderen ziehen diese Vorbereitungen ins Lächerliche, sind beim Angriff jedoch auf einmal der Meinung auch ein Anrecht auf den Bunker einer anderen Person zu haben. Auch die Zeit im Bunker wird glaubhaft und erschreckend geschildert.


    Der einfache Schreibstil und die kurzen Kapitel sorgen dafür, dass man das Buch sehr zügig lesen kann. Des Weiteren ist man gespannt, was passiert, ob es sich tatsächlich um einen atomaren Angriff handelt und wie das Leben von Scott, seiner Familie und seinen Freunden weitergehen wird. Genau dort setzte für mich das Problem ein, welches ich mit dem Buch hatte. Der Roman endet an einer Stelle, wo für mich die Geschichte noch lange nicht zu Ende erzählt war. Ich wollte unbedingt wissen, wie es weiter ging und der Autor wählte einen einfachen Ausstieg, beendete das Buch und ließ damit die weiteren Geschehnisse offen. Dieses hat mich enttäuscht und unbefriedigt zurückgelassen.


    Wie bereits geschrieben, empfand ich die Schilderungen über das Verhalten der Figuren sehr authentisch. Besonders in der Enge und Dunkelheit des Bunkers ging Rhue gekonnt auf die einzelnen Charaktere ein und zeigte verschiedene Reaktionsmöglichkeiten auf. Beim Inhalt hingegen war ich mir teilweise nicht sicher, wie glaubwürdig das Geschehen tatsächlich ist. Der Bunker scheint recht einfacher Bauweise zu sein. Trotzdem ist es möglich Luft in den Bunker hineinzulassen, die nicht verstrahlt ist. Außerdem gab es plötzlich nicht verstrahltes Wasser...


    Fazit: Das Buch lässt sich toll lesen, die Charaktere und ihre Gefühle im Bunker werden sehr glaubwürdig präsentiert und das Thema ist interessant, wenig in Büchern thematisiert und auch heute "Dank" vorhandener atomarer Waffen noch aktuell. Trotzdem konnte es nicht komplett überzeugen, da mich das Ende sehr gestört hat. Das mag aber mein "persönliches Problem" sein, deshalb würde ich trotzdem nicht von dem Buch abraten wollen und werde sicherlich noch weitere Bücher des Autors lesen. 3/5 Sterne.


    • Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
    • Vom Hersteller empfohlenes Alter: 14 - 17 Jahre
    • Originaltitel: The Bomb
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