Klappentext:
„Schiffsmeldungen“ fürs Lokalblatt soll Quoyle jetzt schreiben. Quoyle, der ewige Versager und Pechvogel, den es aus dem Staat New York auf die Felseninsel Neufundland im Osten Kanadas verschlagen hat. Quoyle, der immer schon panische Angst vor dem Wasser hatte. Und doch findet er hier in dieser kargen Landschaft, wo seine Vorfahren siedelten, so etwas wie Glück und für sich und seine beiden Töchter so etwas wie ein Zuhause. (von der Verlagsseite kopiert)
Zur Autorin:
Annie Proulx, 1935 in Connecticut geboren, lebt heute in Wyoming. Für ihre Romane und Erzählungen wurde sie mit allen wichtigen Literaturpreisen Amerikas ausgezeichnet, dem PEN/Faulkner Award, dem Pulitzerpreis, dem National Book Award, sowie dem Irish Times International Fiction Prize. Vor kurzem wurde sie in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen. Die Verfilmung ihrer Kurzgeschichte »Brokeback Mountain« (2005) wurde mit drei Oscars ausgezeichnet. (von der Verlagsseite kopiert)
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: The shipping news
Erstmals erschienen 1993 im Verlag Charles Scribner’s Sons, New York
39 Kapitel auf 392 Seiten.
Jedem Kapitel ist ein Abschnitt aus „Das Ashley-Buch der Knoten“ vorangestellt, meist mit der Zeichnung eines bestimmten Knotens, auf den sich ein Detail oder ein Handlungsstrang des betreffenden Kapitels bezieht.
Die Geschichte wird in der personalen Perspektive Quoyles erzählt.
Das Buch erhielt 1993 den Pulitzer-Preis.
Inhalt:
Quoyle, 36 Jahre alt, unbeholfen, dick und schüchtern. So wurde es ihm vom Vater eingeredet, so glauben es die anderen, so sieht er sich selbst.
Nach sechs trostlosen Ehejahren, während denen seine Frau ihn ständig betrügt, bleibt er nach ihrem Unfalltod mit seinen beiden Töchtern zurück. Eine Tante nimmt ihn mit nach Neufundland, wo seine Familie seit Jahrzehnten ein altes Haus besitzt, eine Bruchbude, die Quoyle und die Tante nach und nach instand setzen.
Wider Erwarten gelingt das neue Leben. Quoyle wird Redakteur beim „Gammy Bird“, einer Lokalzeitung, wo er für Auto- und Schiffsunfälle, also „Schiffsmeldungen“ zuständig ist, und seine Töchter gewöhnen sich schnell an die neue Umgebung und die Menschen.
In ihrem ersten Winter erleben sie, was es wirklich heißt, auf Neufundland zu leben, und mitten in Eis, Schneestürmen und beißendem Wind erfahren sie Freundschaft und Liebe.
Eigene Meinung / Bewertung:
Das Buch erzählt in ungewöhnlicher Weise die Entwicklung Quoyles: Vom armen Würstchen, betrogen, ausgenutzt und ohne Selbstbewusstsein, zum Mann, der sich in seinem Leben wohl, von seiner Umgebung geschätzt und geachtet fühlt.
Man lernt ihn als Memme kennen, dem man allenfalls Mitleid entgegenbringt. Dass er mit der Tante nach Neufundland übersiedelt, ist weniger eine Entscheidung für ein neues Leben als vielmehr ein gleichgültiges Geschehen-lassen. Denn schlimmer kanns nicht werden.
Treibende Kraft ist die Tante, Quoyle lässt sich ziehen. Doch schon mit der ersten Aufgabe, aus der Ruine ein bewohnbares Haus für sich, Tante und Töchter zu machen, wächst Quoyle. Obendrein verhalten sich Nachbarn und Kollegen ihm gegenüber nicht wie einem Fremden, sondern nehmen ihn auf, ebnen den Weg, stehen mit Rat und Tat zu Seite. Auch wenn er im persönlichen Kontakt mit anderen immer noch zurückhaltend reagiert, in Halbsätzen stottert oder schweigt, lesen sich seine Artikel spannend und lebendig. Er meistert das Leben eines alleinerziehenden Vaters, und auch als das Haus im Winter unbewohnbar wird, findet er eine Lösung. Würde er nicht noch mit all seiner Liebe an seiner verstorbenen Frau hängen, hätte er vielleicht sogar den Mut, sich der ebenfalls alleinerziehenden Wavey zu nähern.
Nein, mit einer großen fesselnden Handlung dient das Buch nicht. Und man liest – zumindest anfangs – stolpernd, sprunghaft, man kämpft mit der eigentümlichen Sprache der Autorin: Halbe Sätze, Sätze ohne Verb, ohne Subjekt, einzelne Worte, Nebensätze ohne Hauptsatz. Aber irgendwann passen sie zusammen, die Sprache mit dem Geschehen, das sie schildert. Denn das, was passiert, ist nichts anderes als eine knappe, schnelle Abfolge kleiner Szenen und Vorfälle, die sich zu einem Gesamtbild fügen.
Auch die Personen entsprechen diesem Bild. Sie wirken allesamt wie mit geringen Variationen aus demselben Stamm geschnitzt, hart arbeitende Menschen, bestimmt von der Unwirtlichkeit ihrer Umgebung und dem Meer, das gleichzeitig Leben spendet und Leben nimmt.
Erstaunlich ist der Reichtum der Bilder und die immer wieder neuen und anderen bildlichen Vergleiche, die die Autorin für das Eis, das Meer, den Wind, den Schnee und die Wellen findet.
Warum die Knoten, die Zeichnungen und Beschreibungen, wozu man den jeweiligen Knoten braucht? Es dauert eine Zeitlang, bis man die Verbindung zur Handlung findet, aber dann beginnt man sie in jedem Kapitel aufs Neue zu suchen. Knoten – das ist Schifffahrt, das ist eine Verknüpfung zweier Gegenstände, die nicht von selbst aneinander halten.
Oder: Ein Knoten platzt, meistens im Kopf. Sollte man das Bild auf Quoyle deuten? Oder interpretiert man damit zuviel? Auf alle Fälle sagt die Autorin in der Danksagung, dass das „Ashley-Buch der Knoten“ entscheidend für ihr Schreiben war.
Ein empfehlenswertes Buch für geduldige Leser, die auch eine Passage der Langsamkeit aushalten, und denen es nicht schwer fällt, auch leere Passagen zu füllen.
Fazit:
Ein lohnendes, wenn auch anfangs gewöhnungsbedürftiges Buch.