Manfred Spitzer/Wulf Bertram(Hg.), Hirnforschung für Neu(ro)gierige

  • Die Bereiche, für die die bisherigen Ergebnisse der modernen Hirnforschung und Neurologie zu ungeahnten Folgen geführt haben, sind vielzählig. Zuletzt haben verschiedene Publikationen im Bereich der Pädagogik und in der Bewertung von Verhaltensauffälligkeiten wie etwa ADS und ADHS sich auf die neuen neurologischen Erkenntnisse bezogen. Genannt sei hier exemplarisch das Buch des Leipziger Philosophen Christoph Türcke mit dem Titel „Hyperaktiv! Kritik der Aufmerksamkeitsdefizitkultur“ (C.H. Beck 2012), in dem er die Rolle der mikroelektronischen Reizkultur auf die Gehirnentwicklung von kleinen Kindern beschreibt:

    „Statt dass lebendige Personen ihre Aufmerksamkeit für etwas teilen, teilt sich dann nämlich die Aufmerksamkeit zwischen lebendigen Personen und Bildmaschinen. Das Kind erlebt den Bildschirm zwar noch nicht als den Aufmerksamkeitsfänger, der er für die Großen ist; es kann mit dem Geflimmer und den Geräuschen dazu nicht viel anfangen. Aber es erlebt, wie der Bildschirm die Aufmerksamkeit seiner Bezugsperson absorbiert, wie die elterliche Zuwendung unter den Aufmerksamkeitsansprüchen, die diese Kulisse permanent erhebt, flach und unwirklich wird. Die Mutter (oder ihr Vertreter) mag viel beim Kind sein, es ansprechen und auf alles Mögliche hinweisen, aber wenn daneben etwas flimmert und dudelt, was das gemeinsame Aufmerken auf Dinge und das Verweilen bei ihnen ständig durchkreuzt, weil der Blick der Mutter zwischen Kind und Bildschirm hin- und herwandert, ihre Worte von der Geräuschkulisse überlagert werden, dann werden die ersten zarten Fäden der qualitativ neuen Gemeinschaft, die das Kind spinnt, ständig wieder gekappt.“

    Diese Menschen, irgendwann erwachsen geworden, so Türcke, haben nie die Fähigkeit entwickelt, bei einem Sachverhalt zu bleiben, sie können keine klaren Gedanken mehr fassen. Auch ihre Einbildungskraft, die Fähigkeit innere Bilder zu erzeugen (z. b. auch in Träumen) schwindet, und das beeinträchtigt die Fähigkeit der Menschen zu nachhaltiger Erfahrung.

    Auch diese Erkenntnisse werden im vorliegenden, von Manfred Spitzer mit herausgegebenen Buch behandelt. Spitzer selbst war einer der ersten, der vor dem frühen Fernsehkonsum kleiner Kinder gewarnt hat.

    Etwa 20 internationale Experten geben einen Überblick über die Forschungsfelder der Neurologie und ihre spannenden Ergebnisse. Die Texte sind, entsprechendes Interesse vorausgesetzt, nicht schwer zu lesen, weil sie immer wieder mit instruktiven und einleuchtenden Beispielen versehen sind.

    Ein wahrer Lesegenuss indes ist der Epilog von Eckart von Hirschhausen, den man zur Lesemotivation auch zu Gewinn lesen kann (sollte).




  • Danke schön für die Rezi,


    Manfred Spitzer erklärt sehr interessant und verständlich neurologische Sachverhalte, daher werde ich mir dieses Buch demnächst kaufen.

    "Ein Meisterwerk kann man auch schreiben, ohne tausend Seiten zu schwärzen"