Hörbuchdaten
Titel: Der sixtinische Himmel
Autor: Leon Morell
Anzahl CDs: 6
Hördauer: 509 Minuten, gekürzte Lesung
Erschienen: Juni, 2012
Verlag: DAV – Der Audio Verlag
ISBN: 978-3862311545
Preis: 19,99 € (Verlagspreis Juli 2012)
Sprecher: Wolfgang Condrus
Meine Inhaltsangabe
Der junge Aurelio wächst mit seiner Familie im ländlichen Forlí auf. Sein Vater Tommaso ist Bauer und fährt regelmäßig nach Bologna, wo er seine Erzeugnisse, Wein und Olivenöl, gewinnbringend verkaufen kann. Als Aurelio etwa 7 Jahre alt ist, darf er seinen Vater begleiten. Im Seitenschiff einer Basilika, vor einer Engelstatue kommt es zu einer folgenschweren Begegnung. Aurelio trifft den Bildhauer Michelangelo Buonarroti persönlich. An diesem Tag beschließt der junge Aurelio, Bildhauer zu werden und bei Michelangelo in die Lehre zu gehen.
Das Leben von Aurelios Familie wird wiederholt überschattet von Überfällen von Söldnern, die sich an den Bauernfamilien schadlos halten. Da Aurelio als jüngerer Sohn den Hof nicht übernehmen kann, verlässt er Forlí und macht sich auf, in Richtung Rom, wo Michelangelo für Papst Julius ein riesiges Julius-Grabmahl in Arbeit hat.
Er trifft tatsächlich auf Michelangelo und nach anfänglicher Skepsis nimmt in dieser als Lehrling in seine „Botega“ auf. Allerdings arbeitet er nicht wie geplant am Julius-Denkmal. Der etwas launische Papst Julius hatte eine neue Idee: Michelangelo soll an der Decke der Sixtinischen Kapelle ein Fresko gestalten. Obwohl Michelangelo eigentlich Bildhauer ist und zuvor noch kein großes Werk gemalt hat, nimmt er den Auftrag, zwar etwas widerwillig, an. Er entwickelt dann aber doch eine unglaubliche Schaffenskraft, deren Ergebnis man ja heute wieder in neuem Glanz bewundern kann.
Meine Meinung
Leon Morell lässt den Leser Rom zur Zeit der Renaissance an der Seite Michelangelos erkunden. Die verschiedenen, teilweise völlig gegensätzlichen Stadtteile erwachen durch anschauliche Erklärungen und Beschreibungen zum Leben. Man erlebt einerseits die zermürbenden Streitigkeiten von Michelangelo mit seinem Widersacher, dem Baumeister Bramante, andererseits die Kämpfe, die der Künstler Michelangelo mit sich selber ausficht bis er die optimalen Lösungen für seine Darstellungen findet. Ganz nebenbei erfährt man auch einiges über Kunstgeschichte, über die einzelnen Arbeitsschritte zur Erstellung eines Freskos und die Schwierigkeiten mit denen die Künstler zu kämpfen hatten.
Die Charaktere sind ausgesprochen sorgfältig ausgearbeitet und in meinen Augen sehr gelungen. Papst Julius erscheint als sehr starker und kämpferischer Papst, der aber durchaus sehr menschliche Schwächen hat und auch echte Bewegtheit und Gefühle zeigen kann. Michelangelo ist einerseits der Künstler, der ganz in seinen künstlerischen Figuren aufgeht, noch bevor sie geschaffen sind. Er steht aber doch mit beiden Beinen im Leben und muss sehr viele praktische, auch bauliche Entscheidungen treffen, die vorerst mit Kunst wenig zu tun haben. Das überaus arbeitsintensive und anspruchsvolle Werk erfordert neben handwerklichem Geschick auch unternehmerische Fähigkeiten. Oft kämpft er gegen wirtschaftliche Probleme an, sei es, weil der Papst mehr bestellt, als er bezahlt oder sei es, weil ihn seine Familie durch riskante Spekulationsgeschäfte fast in den Ruin treibt.
Aurelio macht eine große Reifeentwicklung durch. Er reist als noch sehr kindlicher junger Mann nach Rom und wird dort mit sehr vielen Aspekten des Lebens konfrontiert, auf die er aufgrund seiner bäuerlichen Herkunft überhaupt nicht vorbereitet ist. Im Gegensatz zu den Charakteren von Michelangelo und Papst Julius hätte ich mir bei Aurelio etwas mehr Ecken und Kanten gewünscht. Er wird als rundum gutherziger, neugieriger junger Mensch dargestellt. Erst gegen Ende findet er zu sich selber, trifft eigene, nicht unbedingt weise Entscheidungen und stellt sich auch gegen seinen Lehrmeister.
Es gibt auch noch zahlreiche weitere sehr interessante Nebencharakteren, sie weiter auszuführen würde aber zuviel vom Inhalt vorwegnehmen.
Meine Lieblingsszene in diesem Buch war die Enthüllung der ersten Hälfte des Freskos. Das war echtes Gänsehautgefühl! Morell hat es wunderbar geschafft die Anspannungsgeladene Stimmung und das darauf folgende erlösende Staunen in Worte einzufangen. Allein dafür, lohnt es sich das Buch zu lesen beziehungsweise dem Hörbuch zu lauschen.
Wolfgang Condrus verleiht mit seiner reiferen Stimme Michelangelo einen sehr würdevollen Auftritt in diesem Hörbuch. Er schafft es auch, die anderen Charaktere lebendig und glaubhaft zu intonieren, ohne bei den weiblichen Figuren ins Lächerliche abzudriften, wie das bei Hörbüchern manchmal der Fall ist. Ich habe ihm in diesem Hörbuch sehr gerne zugehört und ich finde, er wird im Verlauf des Buches immer besser.
Condrus liest sehr ruhig und relativ langsam. Er wird an passenden Stellen auch mal sehr leise bis zu einem Flüstern, was die Stimmung im Buch sehr gut verdeutlicht.
Das Hörbuch kommt aus ohne musikalische Hintermalungen oder Geräuschkulissen.
Auf der Verlagshomepage steht eine Hörprobe zur Verfügung:
http://dav2.juni.com/details.php?p_id=1368
Sie ist dem Prolog entnommen, wird aber meiner Meinung nach dem Hörbuch nicht wirklich gerecht. Ich fand, dass Condrus im Verlauf der Geschichte einiges lebhafter liest.
Mein Fazit
Für mich war diese Geschichte um die Entstehung des Deckenfreskos der Sixtinischen Kapelle eindeutig ein Buchhighlight in diesem Jahr. Ich konnte herrlich in die Zeit der Renaissance eintauchen, obwohl ich jetzt in dieser Geschichte eigentlich keine direkte Identifikationsfigur gefunden habe. Ich fand es auch mal entspannend, einen historischen Roman zu lesen, mit Männern als Hauptfiguren.
Von mir gibt es für dieses Werk eine eindeutige Lese- beziehungsweise Lauschempfehlung
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