Stefan aus dem Siepen - Das Seil

  • Kurzmeinung

    javaline
    Eine Erzählung, die wie eine Parabel anmutet. Und jede Menge Interpretationsspielraum bietet. Dunkel. Genial.
  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Lesenswerte Geschichte, bei der man ins Grübeln geraten kann
  • Der Autor:
    Stefan aus dem Siepen wurde 1964 in Essen geboren, studierte Jura in München und trat in den Diplomatischen Dienst ein. Über Stationen in Bonn, Luxemburg, Shanghai und Moskau führte ihn sein Weg nach Berlin, wo er seit 2009 im Planungsstab des Auswärtigen Amtes arbeitet. Nach ›Luftschiff‹ (2006) und ›Die Entzifferung der Schmetterlinge‹ (2008) ist ›Das Seil‹ sein dritter Roman. Stefan aus dem Siepen lebt mit seiner Frau und vier Kindern in Potsdam.
    (Quelle: Verlagswebsite)


    Klappentext:
    Ein abgelegenes, von Wäldern umschlossenes Dorf. Einige Bauern führen hier ein einsames und zufriedenes Dasein, das von Ereignissen kaum berührt wird. Eines Tages geschieht etwas vermeintlich Belangloses: Einer der Bauern findet auf einer Wiese am Dorfrand ein Seil. Er geht ihm nach, ein Stück in den Wald hinein, kann jedoch sein Ende nicht finden. Neugier verbreitet sich im Dorf, ein Dutzend Männer beschließt, in den Wald aufzubrechen, um das Rätsel des Seils zu lösen. Ihre Wanderung verwandelt sich in ein ebenso gefährliches wie bizarres Abenteuer: Das Ende des Seils kommt auch nach Stunden nicht in Sicht – und die Existenz des ganzen Dorfes steht auf dem Spiel.


    Inhalt:
    Eigentlich ist das Leben im Dorf sehr ruhig und sehr klar geregelt. Nur zweimal im Jahr verlassen die Menschen es überhaupt, um zum nahegelegenen Markt zu reisen, Waren zu verkaufen und sich mit Dingen zu versorgen, die sie selbst nicht herstellen. Die Frauen versorgen den Haushalt und die Kinder, die Männer kümmern sich um die Arbeiten im Wald und auf den Feldern. Der einzige Außenstehende, den sie überhaupt regelmäßig zu Gesicht bekommen, ist der Lehrer Rauk, der den Kindern Lesen und Schreiben beibringt. Und am Abend sitzt man gemeinsam unter der jahrhundertealten Eiche am Waldrand und trinkt selbstgebrautes Bier oder Most.
    Keiner im Dorf hätte je gedacht, dass sich daran mal etwas ändern würde. Doch dann ist es eines Tages da – das Seil. So ein gutes Seil hat niemand hier im Dorf, und es führt vom Waldrand in den Wald hinein. Neugierig versuchen die Bauern herauszufinden, was es damit auf sich hat, aber mit einer kurzen Suche ist es nicht getan – das Seil ist unheimlich lang… und es lässt den Dorfbewohnern keine Ruhe. Schließlich ziehen alle Männer bis auf einen, der die Frauen beschützen, und einen, der schwer krank ist, los, um das Rätsel des Seils zu ergründen. Es beginnt eine Reise, die ganz anders ist als erwartet, und auch das Leben im Dorf für immer verändern wird…


    Meine Meinung:
    “Das Seil” ist ein Roman, der auf seinen 176 Seiten mehr erzählt als andere Bücher auf 400 oder mehr. Es ist ein Roman, der nachklingt, über den man sich Gedanken macht, gerade auch wegen seines Endes, das der Autor einerseits schonungslos offen lässt, das andererseits aber auch der einzig passende Schluss ist, wenn man über die Geschichte nachdenkt.
    Vieles erzählt Stefan aus dem Siepen seinen Lesern nicht: wo das Dorf liegt, erfahren wir ebenso wenig wie die Zeit, zu der der Roman spielt. Wir lernen einige Figuren etwas genauer kennen, aber keine wird richtig stark ausgearbeitet, keine dient zur Identifikation. Und so soll es ganz sicher auch sein, denn “Das Seil” erzählt eine Geschichte, die nicht am Einzelnen festzumachen ist, sondern an dem, was mit Menschen passiert, wenn sie in bestimmte Umstände geraten. Wie Menschen sich verändern, wenn ihnen dies und jenes geschieht. Das ist sehr gut gemacht und genau das ist es, was meiner Meinung nach auch nach dem Lesen noch nachwirkt.
    “Das Seil” lässt sich aufgrund des Erzählstils des Autors und der wenigen Seiten natürlich recht schnell lesen, doch an manchen Stellen habe ich innehalten müssen, um das Geschehen zusammenzupuzzlen. Der Lehrer als Figur bringt den Leser unweigerlich ins Stocken, und ein verlassenes Dorf bekommt im Verlauf der Geschichte plötzlich eine Erklärung, die man sich zunächst nicht geben kann.
    Ich war überrascht, wie gut mir das Buch gefallen hat, da ich ehrlich gesagt eine Geschichte erwartet habe, die sich ähnlich wie im Film “The Village” verhalten würde (der Klappentext gibt diese Fehlinterpretation durchaus her, finde ich), aber Stefan aus dem Siepen hat mit seinem Roman etwas ganz Eigenes geschaffen, ein tolles Buch, das ich wirklich empfehlen kann. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke für die Rezi, Strandläuferin. Du hast mich jetzt total neugierig auf dieses Buch gemacht, es wandert jetzt gleich mal auf meine Wunschliste.

    :study: Die Shannara Chroniken - Elfensteine - Terry Brooks
    2016 gelesen: 20
    Aktueller SuB: 248




  • So schnell ist selten ein Buch auf meine Wunschliste gerutscht :lol: . Ich mag die Bücher gern, die so viel erzählen, aber so wenige Seiten dafür benötigen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)




  • Mit einer wunderbaren, dichten, reichen und ausdrucksstarken Sprache erzählt der im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland arbeitende Autor Stefan aus dem Siepen eine Geschichte aus einer fernen Zeit, die doch als Parabel gelesen werden will und versteckt angedeutete Hinweise auch auf gegenwärtige Phänomene gibt.

    Da ist ein kleines Dorf. Versteckt, inmitten großer, schier unendlich scheinender Wälder führen die wenigen Menschen, die dort mit ihren Familien wohnen, eine eher kärgliche Existenz. Sie scheinen aus der Zeit gefallen. Es gibt keine Angabe darüber, wo das Dorf sich befindet und zu welcher Zeit die ganze Handlung spielt. Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie diese Bauern und Jäger ihr Feld bestellen (sie ernten das Getreide mit Sensen) und wie sie jagen (mit Pfeil und Bogen), dann schreiben wir vielleicht irgendein Jahr im 19. Jahrhundert.

    Doch während man, von der ersten Seite an, nicht nur durch die Handlung, sondern vor allem auch durch die anspruchsvolle und reiche Sprache gefesselt, sich in kurzer Zeit durch das dünne Buch liest, werden diese Informationen immer unwichtiger.

    Denn es ist nicht wichtig für die Aussage des Buches, wann die Menschen gelebt haben, sondern wie sie sich in einer bestimmten Situation verhalten und welche Rolle einzelne Protagonisten, die es sehr wohl gibt, spielen.



    Sehr geschickt wechselt Stefan aus dem Siepen mit jedem neuen Kapitel die Perspektive. Einmal ist er bei der Gruppe, die unter dem immer stärkeren ideologischen Einfluss Rauks dem Seil nachhetzen und alles vergessen, was einmal ihr Leben ausgemacht hat, dann bei dem nachdenklichen und kritischen Bernhard, der als einziger wagt, Rauk die Stirn zu bieten und dann wieder bei den Zurückgelassenen im Dorf.



    Es ist eine gelungene Parabel, die erzählt von menschlichen Obsessionen, und welches Verhängnis es über Menschen bringt, wenn sie mit einer Idee oder einem Vorhaben einfach nicht aufhören können. Und von dem bösen Einfluss, den Menschen mit ihrer Sprache auf andere ausüben können.

    Dieses Buch hat eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2012 verdient.

  • Ein Buch, was in jedem Fall zum Nachdenken anregt


    Mein Lesespektrum ist breit gefächert. So erregte der im letzten Amazon Vine Newsletter angebotene Roman "Das Seil" meine Aufmerksamkeit. Die Kurzbeschreibung interessierte mich und ich war sehr gespannt, was der mir bislang unbekannte Autor


    Stefan aus dem Siepen


    zu sagen hat. "Das Seil" ist bereits der dritte Roman des 1964 in Essen geborenen und heute mit seiner Familie in Potsdam lebenden deutschen Schriftstellers. Er studierte Jura und trat in den Diplomatischen Dienst ein und arbeitet seit 2009 in Berlin im Planungsstab des Auswärtigen Amtes.


    Das Dörfchen irgendwo im Nirgendwo


    In einem Dorf mitten im Wald, weitab vom Schuss jeder weiteren Zivilisation, leben die Bewohner in geregeltem friedlichen Miteinander und täglichem Einerlei. Sie verrichten tagein, tagaus ihre Arbeit und sitzen am Abend oft gemeinsam unter der alten Eiche. Ihr Dorf verlassen sie maximal 2x im Jahr um auf dem nächsten Markt ihre Produkte zu verkaufen und sich mit Waren einzudecken, die bei ihnen nicht hergestellt werden. Hin und wieder kommt ein Lehrer ins Dorf, um die Kinder zu unterrichten. Das sind ihre einzigen Kontakte zur Außenwelt. Eines Tages finden die Dorfbewohner ein Seil. Dieses führt in den Wald hinein und sein Ende ist nicht auszumachen. Das lässt den Männern im Dorf keine Ruhe und alle bis auf einen brechen auf, um das Ende des Seils zu finden...


    Sehr schnell hatte ich die insgesamt nur knapp 180 Seiten ausgelesen. Der sehr flüssige Schreibstil und die angenehme Sprache machten mir das leicht. Einzig über die ungewöhnliche Darstellung der wörtlichen Rede mit Anstrichen statt Ausführungszeichen stolperte ich anfangs. Aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier. Den Ansatz der Geschichte an sich finde ich auch nach wie vor interessant, geringe, harmlos scheinende Anlässe aus denen sich Katastrophen entwickeln und das wiederholt sich wieder und wieder, weil Menschen entweder zu gierig sind oder einfach nicht aus dem Gewesenen lernen.


    Die Figuren sind allesamt blass, so dass man sich mit keiner richtig identifizieren kann. Das wöllte ich jedoch auch nicht, denn ich will mich weder einem permanent geregeltem sturen Einerlei hingeben, noch möchte ich unüberlegt, plan- oder verantwortungslos vorgehen und alle die mir lieb und teuer sind, einfach ihrem Schicksal überlassen. Andererseits wohnt auch in mir eine natürliche Neugier und ich möchte in meinem Leben noch einiges entdecken, dies allerdings mit kalkulierbarem Risiko.


    Die Figur des Rauk erinnerte mich sowohl an den Rattenfänger von Hameln, als auch an den Mann, der Deutschland im vorigen Jahrhundert in einen tiefen Abgrund gerissen hat. Auch diesen Beiden folgten blinde Massen ohne nachzudenken. Der einzige Protagonist in diesem Buch, der einigermaßen verantwortungsbewusst handelte, musste das aber auch bereuen. Wenn ich persönlich auf mein bisheriges Leben zurückblicke, kann ich nicht behaupten immer und überall von Anfang an alles richtig gemacht zu haben. Allerdings haben mich meine Fehler auch geprägt, denn ich habe aus ihnen gelernt.


    Für mich kommt die Message der Geschichte, irgendwie zu negativ, zu einseitig raus. Wenn Du einmal im Leben einen Fehler gemacht hast, ist das nicht korrigierbar? Wären die Männer nicht losgegangen, wäre das alles nicht passiert? Wenn in unserer Menschheitsgeschichte aber nie jemand losgegangen wäre, wo bliebe dann der Fortschritt, die Entwicklung? Irgendwie weiß ich nicht so recht, was der Autor mir mit diesem Buch sagen will oder ich verstehe es nicht. Sollen wir immer nur dort stehen bleiben wo wir gerade sind und bloß nicht nach mehr Streben? Mir hat die Geschichte nicht gefallen, wahrscheinlich, weil ich zwar ganz bestimmt auch die Herkunft des Seils hätte ergründen wollen, aber schon im Ansatz wohl so ziemlich alles anders angepackt hätte, als die Figuren in diesem Buch.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Für mich kommt die Message der Geschichte, irgendwie zu negativ, zu einseitig raus. Wenn Du einmal im Leben einen Fehler gemacht hast, ist das nicht korrigierbar? Wären die Männer nicht losgegangen, wäre das alles nicht passiert? Wenn in unserer Menschheitsgeschichte aber nie jemand losgegangen wäre, wo bliebe dann der Fortschritt, die Entwicklung? Irgendwie weiß ich nicht so recht, was der Autor mir mit diesem Buch sagen will oder ich verstehe es nicht. Sollen wir immer nur dort stehen bleiben wo wir gerade sind und bloß nicht nach mehr Streben? Mir hat die Geschichte nicht gefallen, wahrscheinlich, weil ich zwar ganz bestimmt auch die Herkunft des Seils hätte ergründen wollen, aber schon im Ansatz wohl so ziemlich alles anders angepackt hätte, als die Figuren in diesem Buch.

    Ich werde mich morgen an meine Rezi setzen, kann dir aber hier schon zustimmen. Mir ging es beim Lesen auch öfters so, dass mir die Message so vor kam wie "nur nichts wagen", "schön im alten und zufriedenen Trott bleiben", "sei froh mit dem was du hast" .... Aber wenn man dann immer darauf bedacht ist, dass alles gleich bleibt, ist dann das Leben nicht sehr einseitig? Und wenn die Männer so zufrieden gewesen wären, warum sind sie nicht einfach zu Hause geblieben? Dann braucht man doch gar keine Abenteuerlust?


    Nun gut ich muss nun erst etwas meine Gedanken ordnen und morgen meine Rezi verfassen. Aber ich habe mir schon mehr erwartet nach der positiven Resonanz.

  • Mir ging es beim Lesen auch öfters so, dass mir die Message so vor kam wie "nur nichts wagen", "schön im alten und zufriedenen Trott bleiben", "sei froh mit dem was du hast" .... Aber wenn man dann immer darauf bedacht ist, dass alles gleich bleibt, ist dann das Leben nicht sehr einseitig?

    Das habe ich überhaupt nicht so empfunden... aber jetzt, wo ihr es so schreibt, verstehe ich schon, dass man den Eindruck haben kann. Darum wiederum ging es für mich gar nicht, als ich das Buch gelesen habe. Bin auf deine Rezension gespannt. :thumleft:

  • Das kommt gleich auf die Wunschliste.
    Ich finde das Cover total gelungen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Denn es ist nicht wichtig für die Aussage des Buches, wann die Menschen gelebt haben,


    Wozu sich dann Gedanken machen um solche Unwichtigkeiten:


    Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie diese Bauern und Jäger ihr Feld bestellen (sie ernten das Getreide mit Sensen) und wie sie jagen (mit Pfeil und Bogen), dann schreiben wir vielleicht irgendein Jahr im 19. Jahrhundert.


    Was soll denn das für ein Buch sein? Robin Hood meets Mr. Darcy?
    Wenn im 19. Jahrhundert noch mit Pfeil und Bogen gejagt worden wäre, hätten doch all die feinen Edelmänner in den Jane Austen-Romanen ihre Flitzebögen im Köcher mitgenommen, wenn sie ihrem Jagdvergnügen nachkamen. 19. Jahrhundert also wohl definitiv nicht.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ein kleines Dorf im nirgendwo. Zufriedene Bauern mit ihren Familien mitten im Wald und ein Seil, dass das alles verändern wird.
    Als eines Tages einer der Bauern ein loses Seil am Boden liegen sieht wird er stutzig, denn das Seil scheint endlos zu sein und das Seilende ist nicht in Sicht.
    Bald schon beschließt ein Dutzend Männer in den Wald aufzubrechen um das Ende des Seiles zu finden und dadurch das Rätsel zu lösen. Doch wissen sie nicht, dass dieses Seil sie weiter von ihren Familien weg führen wird als ihnen lieb ist.
    „Das Seil“ von Stefan aus dem Siepen war für mich zunächst ein sehr vielversprechendes Büchlein, das mich sofort thematisch ansprach.
    Leider konnte es mich nicht so wie andere begeistern.
    Der Anfang war zunächst sehr vielversprechend, da nur ein kleiner Einblick in das Geschehen gewährt wurde und vieles offen war. Mit der Zeit wurde die Geschichte aber immer zäher, vor allem die Dorfgeschehnisse waren meines Erachtens sehr langatmig geschildert, und auch vorhersehbarer, zumindest was einige Stellen des Buches betraf und auch bezüglich des Endes.
    Sprachlich war der Anfang auch etwas gewöhnungsbedürftig, vor allem die Tatsache, dass wörtliche Reden ohne Anführungszeichen eingeleitet wurden. Mit der Zeit gewöhnt man sich zwar daran, aber zu Beginn war das schon sehr irritierend.
    Ein deutlicher Pluspunkt war aber Siepens anschaulicher und ausführlicher Schreibstil, der eine dichte Atmosphäre schuf und so die Geschichte für mich zumindest etwas zugänglich machte, die Figuren waren mir hier nämlich zu blass und farblos, sodass ich durch sie keinen rechten Draht zu den Geschehnissen und der Handlung fand und sich dadurch eher Distanz aufbaute.
    Was mich dann trotz der Zähe im größten Teil der Geschichte hinderte das Buch abzubrechen war die Frage nach dem „Seilende“. Diese Frage zieht sich ja durch die ganzen 184 Seiten und die Aufklärung, wenn man überhaupt von solch einer sprechen kann, fand ich unbefriedigend und zu abrupt, vor allem, wenn man die Geschehnisse betrachtet, die sich davor und durch diese Odyssee ereignet hatten.
    Die finalen Ereignisse waren aber das Mitreißendste und Berührendste der Geschichte und wobei ich nicht weiß, ob ich mit diesem offenen Ende wirklich zufrieden bin. Einerseits bin ich kein Fan davon, wenn der Autor einen so hängen lässt, andererseits war es stimmig zur Geschichte und rundete sie in gewisser Weise ab.
    Was mich dann aber das ganze Buch über richtig gestört hat, war die Message, die es auf mich hatte. Der Aufbruch der Männer wurde als Unglück für das Dorf und ihre Frauen vermittelt. Immer wieder wurde suggeriert – zumindest kam es so bei mir an – das ein Ausbruch aus dem Alltagstrott schlecht ist, man solle mit dem zufrieden sein was man hat und keinesfalls nach mehr, geschweige denn nach Abenteuer streben. Wenn ja, dann handelt man egoistisch und verantwortungslos und muss mit seinen Fehlern leben. Aber gerade das ist es doch was man tun muss. Wenn jeder Tag gleich ist, man Angst vor Veränderung und deren Konsequenzen hat, dann hat man auch Angst vorm Leben und kann es unmöglich in all seinen Facetten genießen.
    Für mich war „Das Seil“ hier einfach zu negativ und einseitig und die Botschaft ist alles andere als nachvollziehbar.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: von :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • :lol: Die Zeit, in der der Roman spielt, ist für den Roman selbst vollkommen unwichtig; ich denke, darum kann man das Ganze auch zeitlich nicht festmachen, nur in eine moderne Kulisse hätte die Geschichte einfach nicht gepasst.


    Guten Morgen Strandläuferin,
    was Du sagst, ist mir schon klar, das habt Ihr gut klar gestellt - meine Bemerkung "Robin Hood meets Mr. Darcy" in Bezug auf Hrn. Stanzicks Beitrag war sarkastisch gemeint - im 19. Jahrhundert wurde nicht mehr mit Pfeil und Bogen gejagt (es gab Winchesters, Remingtons, Westley Richards etc. etc.). Punkt.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Was soll denn das für ein Buch sein? Robin Hood meets Mr. Darcy?

    :totlach:
    Darüber habe ich mich auch gewundert. Vielleicht lehnen die Dorfbewohner die Errungenschaften der neueren Zeit (wie z.B.Schusswaffen) kategorisch ab?
    Auf jeden Fall reizt diese merkwürdige Konstellation zur Lektüre des Buchs, da man ich versuchen möchte, Hinweise auf die ungefähre Epoche zu finden.

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    (Francis Bacon)
    :study:
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  • Heute habe ich mir das Büchlein ausgeliehen und gleich ausgelesen. Im Moment kann ich dem Buch beim besten Willen nicht mehr als drei Sterne geben, weil ich beim Lesen habe feststellen müssen, dass nicht mehr allzu viel Spannung für mich übrigblieb, denn aus Herrn Stanzicks Beitrag hatte ich viel zu viel vom Inhalt erfahren. Aufgrund des geschmälerten Lesegenusses kann ich das Buch im Moment nicht so würdigen, wie ich mir gewünscht hätte.


    Von den dreizehn Absätzen aus Ihrem Beitrag, Herr Stanzick, würde ich gerne von den Moderatoren Absatz 5 bis 8 und Absatz 10 spoilern lassen, wenn Sie damit einverstanden sind. Diese Absätze haben das Lesevergnügen für mich merklich reduziert - schade.
    Möglicherweise bin ich jedoch im Moment etwas zu sehr negativ diesem Aspekt gegenüber eingestellt - könnte jemand anders, wie z.B. Strandläuferin, hasewue oder antjemue, einen kritischen Blick auf Herrn Stanzicks Inhaltsangabe werfen? Wenn ich zu empfindlich bezüglich der gelieferten Information reagiert haben sollte, bitte ich das zu entschuldigen, aber ich hätte solche Detailinformation bzw. wichtige Information zum Fortgang der Erzählung gerne selbst beim Lesen erfahren. Der Zauber, den das Buch evtl. für mich hätte haben können, war mir auf diese Weise vorenthalten.


    Meiner Meinung reicht die Information zum Inhalt, wie sie Strandläuferin gibt, völlig aus, ohne zuviel preiszugeben:

    Inhalt:
    Eigentlich ist das Leben im Dorf sehr ruhig und sehr klar geregelt. Nur zweimal im Jahr verlassen die Menschen es überhaupt, um zum nahegelegenen Markt zu reisen, Waren zu verkaufen und sich mit Dingen zu versorgen, die sie selbst nicht herstellen. Die Frauen versorgen den Haushalt und die Kinder, die Männer kümmern sich um die Arbeiten im Wald und auf den Feldern. Der einzige Außenstehende, den sie überhaupt regelmäßig zu Gesicht bekommen, ist der Lehrer Rauk, der den Kindern Lesen und Schreiben beibringt. Und am Abend sitzt man gemeinsam unter der jahrhundertealten Eiche am Waldrand und trinkt selbstgebrautes Bier oder Most.
    Keiner im Dorf hätte je gedacht, dass sich daran mal etwas ändern würde. Doch dann ist es eines Tages da – das Seil. So ein gutes Seil hat niemand hier im Dorf, und es führt vom Waldrand in den Wald hinein. Neugierig versuchen die Bauern herauszufinden, was es damit auf sich hat, aber mit einer kurzen Suche ist es nicht getan – das Seil ist unheimlich lang… und es lässt den Dorfbewohnern keine Ruhe. Schließlich ziehen alle Männer bis auf einen, der die Frauen beschützen, und einen, der schwer krank ist, los, um das Rätsel des Seils zu ergründen. Es beginnt eine Reise, die ganz anders ist als erwartet, und auch das Leben im Dorf für immer verändern wird…

    Das ist voll und ganz ausreichend. Mehr braucht man meiner Meinung nach vor dem Lesen des Buches nicht zu wissen.


    ... gerade auch wegen seines Endes, das der Autor einerseits schonungslos offen lässt, das andererseits aber auch der einzig passende Schluss ist, wenn man über die Geschichte nachdenkt.

    Dieses Ende hat mir im Nachhinein am besten vom ganzen Buch zugesagt; der Schluss ist außerdem der Punkt gewesen, über den ich vorher am wenigsten Kenntnis besaß. Obwohl er auf den ersten Blick sehr abrupt wirkt, kann ich mit diesem Ausgang sehr viel anfangen, er lässt sich unwahrscheinlich gut auf unzählige Fragen des privaten Lebens sowie auf Situationen des aktuellen internationalen Geschehens anwenden. Zudem gefällt mir der Mut des Autors, genau dieses Ende zu wählen - es erscheint mir merkwürdig konsequent. :applause:


    Ich habe jedoch den Eindruck, dass mich die Sprache im Buch nicht sonderlich anspricht. Herr aus dem Siepen scheint Aspirationen auf eine gehobene Sprache zu hegen, wenn er Ausdrücke wie "tauig", oder das landschaftliche "schnobern" verwendet. Ich glaube, das Wort "pruschen" ist mir bisher ein einziges Mal untergekommen, und das war in einem Werk von Thomas Mann (wenn ich mich recht erinnere). Allerdings bringt der Autor keinen einheitlichen Sprachstil zustande; aus dem Siepens Sprache wirkt auf mich oft unrhythmisch und uneinheitlich, oft sogar unschön.
    In Kapitel 16 gibt es eine sehr schöne Stelle:

    Zitat

    Alles im Haus schien jetzt mit einem feinen Hauch beschlagen, hüllte sich mit jedem Tag mehr in die zerfließenden Farben der Erinnerung. Die Dinge sprachen noch von Bernhardt, doch taten sie es leiser und in einer Sprache, die nicht mehr so leicht zu verstehen war. :applause:


    Dagegen gibt es bsw. gegen Ende von Kapitel 5 den Satz

    Zitat

    Agnes setzte sich neben Ulis Bett, knöpfte ihr Kleid auf und legte sich den Säugling, der bereits in wissender Erwartung seine Zunge spielen ließ, an die Brust. :puker:

    Das klingt für mich unschön, und war bei weitem nicht der einzige Satz, der mich ähnlich in der Sprache gestört hat.


    Gegen Ende von Kapitel 11 ist dem Autor (und dem Lektorat) dann auch noch ein Rechtschreibfehler bei einem dieser Worte unterlaufen: "fläzen" schreibt man laut Duden mit "ä" und nicht mit "e". :vielefehler:
    Aus meiner jetzigen Sicht würde ich aus dem Siepens Sprache als ein kleines bisschen zu überheblich bewerten.


    Wie gesagt, aus meiner momentanen Sicht reicht es für nicht mehr als drei Punkte, vielleicht kann ich dem Buch mehr abgewinnen, wenn meine Enttäuschung abgeklungen ist (Seltsamerweise scheine ich mir das sogar zu wünschen :-k ).

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

    Einmal editiert, zuletzt von Hypocritia ()

  • Von den dreizehn Absätzen aus Ihrem Beitrag, Herr Stanzick, würde ich gerne von den Moderatoren Absatz 5 bis 8 und Absatz 10 spoilern lassen, wenn Sie damit einverstanden sind. Diese Absätze haben das Lesevergnügen für mich merklich reduziert - schade.
    Möglicherweise bin ich jedoch im Moment etwas zu sehr negativ diesem Aspekt gegenüber eingestellt - könnte jemand anders, wie z.B. Strandläuferin, hasewue oder antjemue, einen kritischen Blick auf Herrn Stanzicks Inhaltsangabe werfen? Wenn ich zu empfindlich bezüglich der gelieferten Information reagiert haben sollte, bitte ich das zu entschuldigen, aber ich hätte solche Detailinformation bzw. wichtige Information zum Fortgang der Erzählung gerne selbst beim Lesen erfahren. Der Zauber, den das Buch evtl. für mich hätte haben können, war mir auf diese Weise vorenthalten.

    Ich muss dir zustimmen, dass hier definitiv zu viel verraten wird. Ich lese ja Inhaltsangaben grundsätzlich nicht bzw. nur die Klappentexte, da ich was solche Zusammenfassungen betrifft schon schlechte Erfahrungen gemacht habe, deswegen wurde mir der "Lesespaß" dadurch nicht vermiest, das hat das Buch schon allein geschafft. :lol: :wink:

  • könnte jemand anders, wie z.B. Strandläuferin, hasewue oder antjemue, einen kritischen Blick auf Herrn Stanzicks Inhaltsangabe werfen?

    Ich bin zwar keine der Angesprochenen und habe das Buch noch nicht gelesen, aber ich habe es auch so empfunden, dass es stellenweise zuviel Information war.
    Dies z.B.

    Zitat

    gehört zu den Dingen, die der Leser definitiv vorher nicht wissen sollte.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
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  • n den dreizehn Absätzen aus Ihrem Beitrag, Herr Stanzick, würde ich gerne von den Moderatoren Absatz 5 bis 8 und Absatz 10 spoilern lassen, wenn Sie damit einverstanden sind. Diese Absätze haben das Lesevergnügen für mich merklich reduziert - schade.


    Ob einverstanden oder nicht, ich habe die gewünschten Absätze "gespoilert"... :wink:

  • Wieso schaue ich eigentlich erst jetzt in diesen Thread? Das scheint ja ein ganz interessantes und polarisierendes Buch zu sein. Ab damit auf die Wunschliste! :lol:

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • Hypocritia - Vollkommen richtig die Bitte um Spoilerwarnung, auch wenn ich die Rezension erst gelesen hatte, als schon gewarnt war. Danke Brigitte.


    Die Meinungen über dieses Buch gehen wirklich gewaltig auseinander. Ich finde es in jedem Fall sehr interessant zu lesen, wie verschieden die Empfindungen der Leser sind :wink:

  • Der Lehrer als Figur bringt den Leser unweigerlich ins Stocken, und ein verlassenes Dorf bekommt im Verlauf der Geschichte plötzlich eine Erklärung, die man sich zunächst nicht geben kann.


    Hab ich da was Bedeutendes überlesen? Was ist denn die Erklärung dafür? ?(


    Ich finde eure Interpretationen von wegen Fortschritt und so sehr interessant, wäre da von selbst nie drauf gekommen.


    Das Ende

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de