Kim Fupz Aakeson - Radieschen von unten / Paradis

  • Das Cover und auch die Zeichnungen innerhalb des Buches, die im gleichen Stil sind, waren für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Auf dem Cover befindet sich ein grauer Mann (der Bestatter) auf einem grauen Sessel, der auf einem grauen Sarg (!) steht. Die rechte Seite des Covers wird von einer grünen Wand eingenommen, vor der sich ziemlich einfach gezeichnete Blumen befinden. Auf dem Buchrücken kann man einen Tisch erkennen, auf dem sich eine Packung Haferflocken und eine Packung Magermilch befinden – diese kann man allerdings bloß an der krakeligen Aufschrift auf den Verpackungen identifizieren.


    Grundsätzlich mag ich eher Zeichnungen im Stil von "Die große Wörterfabrik", trotzdem hat auch dieser Zeichenstil etwas für sich. Durch den Farbwechsel, grau für den Bestatter, die Toten und die Särge auf der einen Seite, die bunten Blumen auf der anderen, zeigt es klare Gegensätze. Eine skurrile und einfache Darstellung, die jedoch absolut treffend zu dem Rest des Buches passt – sowohl was den Inhalt auch als was die Sprache angeht.


    Der Bestatter kümmert sich tagein, tagaus darum, dass die Verstorbenen schön zu ihrer letzten Ruhe gebettet werden. Einzig und allein seine besondere Gabe – er kann die Toten verstehen – macht diese Routine zu etwas Besonderem. Eine Routine, die ins Wanken gerät, als ihn eine junge Verstorbene von ihren Träumen erzählt, die sie nun nicht mehr ausleben kann.


    Die Sprache ist einfach, die Sätze sind kurz – und damit umso eindringlicher. Man begleitet den Bestatter Schritt für Schritt durch seinen Alltag, der sich von Tag zu Tag nicht wirklich unterscheidet. Die einzige Abwechslung bietet sein Abendrot – entweder Knäckebrot und Käse oder Haferflocken mit Magermilch – und die Toten, die er bestattet. Letztgenannte bringen die wirkliche Abwechslung: Ob der Bestatter nun mit einem toten Opa über den Podex seiner Frau (und den anderer Frauen) diskutiert oder froh den Sargdeckel über eine wirklich anstrengende Frau schließen kann – als langweilig kann man das nun wirklich nicht bezeichnen.


    Über seine Arbeit mit den Toten und seinen Alltagsroutine hinaus ist der Bestatter jedoch ziemlich einsam. Das, was die Verstorbenen ihm gegenüber bedauern nicht getan zu haben, oder das Erreichte, von dem sie ihm erzählen, hat der Bestatter selbst nie erlebt. Die Traurigkeit der jungen Verstorbenen und sein Versuch, sie zu trösten, ändern dies. Gemeinsam stellen sie sich ein Paradies vor, das man so auch in unserer Welt finden kann – wenn man nur die Augen aufhält.


    Grauer Alltag, bunte Blumen – die Toten und die Lebenden. Auch wenn ein Großteil des Buches von den Toten eingenommen wird und die Hauptperson ein Bestatter ist, ist es lebensfroher als manch anderes Buch. Die schlichte Sätze und die skurrile Darstellung machen auf wunderschöne Art und Weise deutlich, was eigentlich jedem klar sein sollte – und doch nicht wahrgenommen wird: Man kann überall ein Stück vom Paradies entdecken.

    Fairy tales are more than true: not because they tell us that dragons exist, but because they tell us that dragons can be beaten


    G.K. Chesterton

  • Das Buch besteht aus großflächigen Zeichnungen und kurzen einfachen Sätzen, die es aber in sich haben. Das Cover spiegelt eigentlich sehr schön die ganze Geschichte wieder. Der graue Bestatter sitzt auf einem grauen Sessel und schaut einen grauen Sarg an. So ist seine ganze Welt: grau. Dem gegenüber steht das Leben, welches in grünen Farben und einem Blumenmeer dargestellt ist.


    Wir haben hier ein Buch, welches dem Leser deutlich vor Augen führt, dass es im Leben um mehr geht, als den Alltagstrott. Der Bestatter ist oberflächlich gesehen zufrieden mit seinem Leben, in dem es nur sein karges Essen, den Fernseher und seine Toten gibt. Erst als eine junge Frau auf seinem Tisch liegt, die nicht mit ihrem Leben abgeschlossen hat und kurze Zeit später eine ältere Frau, die noch 1000 Dinge erleben wollte, wacht der Bestatter aus Lethargie auf.


    Man selber fängt fast zeitgleich mit dem Bestatter an darüber nachzudenken, was man sich vom Leben eigentlich wünscht. Was würde ich bedauern nicht getan zu haben, würde ich zu diesem Zeitpunkt auf dem Tisch des Bestatters liegen? Da gibt es so einiges… Das Buch zeigt einem, nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern ganz sanft, dass es noch mehr gibt als den Alltag, den jeder von uns lebt.


    Obwohl in diesem Buch der Tod nichts Erschreckendes ist, sondern mit den Toten sehr würdevoll umgegangen wird würde ich das Buch jüngeren Kindern nicht empfehlen. Ich denke, dass sie den Sinn hinter der sehr eindrucksvollen Geschichte gar nicht erfassen können. Meiner Ansicht nach spricht dieses Buch eher jugendliche Leser ab ca. 14 Jahren und Erwachsene an.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)