Katja Alves - Gertrud und Gertrud


  • Zwei schöne große Eier sind es, die zu Anfang dieses schönen Bilderbuchs bei einem Möwenpaar im Felsennest hoch über dem Meer liegen. Sie freuen sich auf ihren Nachwuchs und überlegen wie alle Eltern schon vor dem Schlüpfen der Küken, welche Namen sie den beiden geben könnten.
    Für Menscheneltern normal, ist dieser Entschluss bei den Möwen etwas völlig Neues.

    Für den Fall, dass es ein Mädchen werde, sagt der Möwenvater, wolle er es gerne Gertrud nennen. Auf die Frage seiner Frau, welchen Namen denn ein Möwenjunge bekommen solle, sagt der: „Dann schauen wir weiter!“

    Wahrhaft prophetisch, denn nachdem ein Möwenmädchen geschlüpft ist und den Namen Gertrud bekommen hat, kommt noch ein Möwenmädchen aus dem zweiten Ei. Und es erhält ebenfalls den Namen Gertrud.

    Diese Namensgleichheit sorgt nun im Verlauf der Handlung für allerlei Missverständnisse, Ärger
    und – manchmal absichtlich von anderen Jungmöwen herbeigeführte – Verwechslungen. Irgendwann haben die beiden Schwestern das satt und beschließen sich zu trennen.

    Beide landen sie jeweils auf einer Insel, auf der sie einem Walroß begegnen ( man wird den Eindruck nicht los, es ist bei beiden ein und dasselbe). Sie beklagen sich jeweils über die Namensgleichheit, das Walross tut verständnisvoll und erklärt sich bereit, Gertrud einen anderen Namen zu geben. Er nennt sie nun Emma, im Gegenzug für die tägliche Lieferung eines Mittagessens bzw. Abendessens.

    Drei Jahre, drei Monate und drei Tage halten die beiden Schwestern, wohl auf unterschiedlichen Seiten derselben Insel, diese Fron aus, ohne sich je zu begegnen, bevor sie unabhängig voneinander beschließen, zu ihrem Heimatfelsen und zu ihrer Familie zurückzufliegen.

    Dort treffen sie gleichzeitig ein. „Grüß Dich, Gertrud!“ sagt die erste. „Ich heiße jetzt Emma“, lautet die Antwort. Und sofort geraten sich beide wieder heftig in die Federn, weil das Walroß sie beide Emma genannt hat und sie offensichtlich genau dasselbe Problem haben wie vor drei Jahren.

    Doch mitten in den Streit hinein hören sie ihren Vater rufen: „Gertrud!“ Und sie erfahren , dass jetzt alle Möwen Gertrud heißen, weil er und die Mutter den weiteren Küken, die sie bekamen, alle den Namen Gertrud gegeben hätten. Und weil das die andern Möwen so toll fanden, hätten sie es nachgeahmt.
    „Und wie es weiterging?
    Wann immer eine Möwe aus ihrem Ei schlüpfte, wurde sie Gertraud getauft. Und wann immer jemand Gertrud rief, kamen fortan Dutzende und Aberdutzende von Möwen angeflogen. Und das ist auch der Grund, warum man nie nur eine Möwe allein sieht. Denn es ist immer jemand da, der Gertrud ruft.“

    Ein zartes, schönes und feinfühliges Bilderbuch zum Bedürfnis nach Individualität und dem Glück von Gemeinschaft.