Karen Duve - Anständig essen

  • Kurzbeschreibung von amazon.de:


    Lebt es noch oder isst du es schon? Ein Selbstversuch. "Die dringendste Frage zu Beginn meiner Bio-Phase: ob ich weiterhin Cola-Light trinken kann. Davon gehe ich nämlich aus. Cola-Light besteht doch sowieso ausschließlich aus Chemie. Da dürfte sich die Bio-Frage eigentlich gar nicht erst stellen." Karen Duve gehörte nicht eben zur Gesundheitsfraktion. Bratwürstchen und Gummibären wanderten genauso in ihren Einkaufswagen wie Schokolade und Curryketchup in 1-L-Plastikflaschen. […] Irgendwann wollte Karen Duve es wirklich wissen: Jeweils zwei Monate lang testet sie seitdem Ernährungsweisen mit moralischem Anspruch: Biologisch-organisch, vegetarisch, vegan und am Ende sogar frutarisch, also nur das, was die Pflanze freiwillig spendet.


    Inhalt:


    Karen Duve hat eine eher ungesunde Ernährungsweise. Sie trinkt viel Cola light, isst täglich bis zu zwei Tafeln Schokolade, kauft sich gerne Fertiggerichte und denkt nicht viel darüber nach. Ihr Arzt macht sich regelmäßig Sorgen um ihre Werte, und Karen wird von mehreren Krankheiten geplagt.


    Eines Tages will sie im Supermarkt eine Grillhähnchenpfanne für 2,99 kaufen. Ihre Freundin, die nur Jiminy Grille nach dem Gewissen bei Pinocchio benannt wird, macht sie entsetzt darauf aufmerksam wie sehr das Hähnchen wohl in seinem Leben gelitten haben muss, und Karen beginnt nachzudenken. Sie fängt an sich zu informieren und stellt ihren Verleger vor die Tatsache, dass sie ein Buch über einen Selbstversuch schreiben will: je zwei Monate will sie sich von Bio-Lebensmitteln, dann vegetarisch, dann vegan und schließlich frutarisch ernähren.


    Während ihrem Selbstversuch recherchiert Karen immer mehr und ist entsetzt darüber, was sie über die Lebensmittelindustrie herausfindet. Sie entwickelt eine größere Moral als sogar Jiminy und findet in jeder Ernährungsweise etwas, das ihr zusagt. Durch ihre Recherchen trifft Karen immer mehr Leute mit denen sie diskutieren kann, nimmt an Tierbefreiungen teil und stellt sich am Ende die große Frage: wie geht es jetzt weiter?


    Eigene Meinung:


    Ich esse selbst kein Fleisch, deshalb hat mich dieses Buch interessiert. Und den Anfang fand ich auch wirklich gut – man erfährt viel, auch unbequeme Wahrheiten, und freut sich darüber, wie sehr Karen ihre Denkweise ändert.


    Was mich persönlich jedoch die ganze Zeit gestört hat, ist die Tatsache, dass Karen zwar an die Tiere denkt, die leiden, aber nicht an ihre eigene Gesundheit. So wandern immer noch regelmäßig Zuckerbomben in ihren Einkaufswagen und sie beschwert sich, dass sie nicht von ihrer veganen Ernährung abnimmt. Gegen Ende entwickelt sie eine so starke Moral, dass sie ihre eigenen Hühner als Mörder beschimpft, weil sie eine Maus fressen wollen, und versucht, ihren Katzen veganes Essen anzugewöhnen. Allein das grenzt für mich schon an Tierquälerei.
    Am Esstisch mit der Familie hält sie regelmäßig Predigten und beschwert sich über die Essgewohnheiten ihrer Familie. Auch wenn ich es ein bisschen nachvollziehen kann, fand ich es doch stark übertrieben. Vor allem beschwert sich Karen regelmäßig über Tiere, die andere Tiere fressen, und mag nur noch Pflanzen. Ihre Ausschweifungen gegen Ende werden teilweise sehr anstrengend zu lesen.


    Trotzdem finde ich es gut, dass sie in ihrem Buch einiges anspricht, das viele heute einfach nicht wissen.


    Ich vergebe hier 2,5 von 5 Sternen! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

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  • Obwohl der Rezensent persönlich weit entfernt ist vom Vegetarismus und vom Veganertum, in Maßen Fleisch und Wurst isst und das auch moralisch nicht verwerflich findet, verfolgt er mit Interesse die in den letzten Monaten und Jahren immer stärker werdende Debatte um die Massentierhaltung und die Kritik von mehr oder weniger radikalen Tierschützern daran. Einige TV-Talkshows zu diesem Thema brachten mir wenig Aufschluss, außer der Erkenntnis, wie unversöhnlich sich Gegner und Befürworter des Fleischkonsums des Menschen da gegenüberstehen. Eine Mitte scheint es in dieser Debatte, die fast schon religiöse und stellenweise fundamentalistische Züge angenommen hat, nicht zu geben.


    Es gibt nur pro und contra und das unerbittlich.


    Deshalb war ich auf das neue Buch von Karen Duve sehr gespannt, die mich mit ihrem letzten Roman "Taxi" sehr überzeugte. Ehrlich und erfrischend unideologisch dokumentiert sie in "Anständig essen" einen Selbstversuch, der sie von einer eher gedankenlosen Fleischesserin zu einer überzeugten Vegetarierin gemacht hat, die nun auf dem Land zusammen mit Menschen und Tieren lebt.


    Zuvor allerdings hat sie alle im Angebot befindlichen Arten, sich zu ernähren nicht nur selbst ausprobiert, sondern auch ihre jeweilige Weltsicht studiert und analysiert. Das ist eine der großen Stärken dieses Buches, dass es auch für Menschen wie den Rezensenten nachvollziehbare und unideologische Informationen liefert, die dem Leser die freie Entscheidung ermöglichen.


    Es ist beeindruckend, wie schonungslos und kritisch die Autorin hier nachvollziehbar mit ihren eigenen Gewohnheiten umgeht und wie sie, wie schon in ihren Romanen, mit einem ihr eigenen Humor die ganze Sache betrachtet.

  • Zur Autorin:
    Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Romane Regenroman (1999), Dies ist kein Liebeslied (2005), Die entführte Prinzessin (2005) und Taxi (2008) waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. 2011 erschien ihr Selbstversuch Anständig essen, 2014 ihre Streitschrift Warum die Sache schiefgeht. Die Verfilmung ihres Romans Taxi kam 2015 in die Kinos. Zuletzt sorgte sie mit ihrem Roman Macht für Aufruhr. (von Amazon kopiert)


    Zum Buch:
    Karen Duve hat ein Jahr lang ihre Ernährung umgestellt, parallel dazu Artikel und Bücher gelesen und sich das Weltklima und die –katastrophen angesehen.


    Sie begann im Januar 2010 damit, nur noch Bio-Lebensmittel zu kaufen, und beendete das Experiment im Oktober mit einem frutarischen Speiseplan. Bio – vegetarisch – vegan – frutarisch lauteten die Stationen, die sie im Einzelnen mindestens zwei Monate durchhielt, manchmal länger, wobei diese Verlängerung auch stets mit einer strengeren Methode verbunden war.


    Alle Achtung vor Duves Disziplin! Sie gibt selbst zu, dass es nicht leicht war, schon der Einkauf gestaltete sich schwierig, weil z.B. Veganer vor ein paar Jahren noch Außenseiter waren und als Konsumenten dementsprechend uninteressant.


    Unter dem Aspekt des Protestes gegen die Massentierhaltung und die industrielle Fertigung der Lebensmittel findet man sicher viele Leser, die zustimmen. Mich auch.
    Problematisch wird die Sache, als allgemeine Tierliebe und Tierschutz als Motivation dazu kommen. Wenn die Schöpfung / Evolution vegan lebende Katzen hätte haben wollen, hätte sie sie hervorgebracht. So empfinde ich die radikale Umstellung auch der Haustiere eher als Tierquälerei, denn als –schutz. Natürlich kann man in böse Gewissenkonflikte kommen, wenn man die Entscheidung zwischen dem Wohl des einen Tiers und dem des anderen hat: Darf man Steckmücken, die ein Pferd quälen, töten?


    Dass Duve veganes Leben ausprobiert, sei ihr gegönnt. Ich verstehe allerdings nicht, warum sie ihre teuren Lederschuhe und –jacken ausrangiert. Hier verstößt sie gegen das Gebot der Nachhaltigkeit.
    Auch fällt mehr und mehr ein moralisierender Zeigefinger und ein streitbarer Umgang mit „Richtig“ und „Falsch“ auf. Spätestens hier kann ich der Autorin nicht mehr zustimmen.


    Wie man es dreht und wendet: Man kann sich nicht ernähren / kleiden / unterhalten ohne der Welt, der Umwelt oder einem Lebewesen – Mensch oder Tier - zu schaden.


    Wenn das Buch als Plädoyer gegen den gleichgültigen Umgang mit den Ressourcen und den Geschöpfen gedacht ist, dann hat es seinen Zweck erfüllt. Nachdem dem Thema inzwischen mehr mediale Aufmerksamkeit gewidmet wird, unterscheidet sich das Buch von vielen anderen Publikationen vor allem durch das persönliche „Leiden“ und Erzählen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)