Andreas Altmann: Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend

  • Klappentext:


    Eine Kindheit der Nachkriegszeit im idyllischen Wallfahrtsort Altötting: Doch die Geschichte, die Andreas Altmann erzählt, handelt weder von Gnade noch von Wundern, sondern von brutaler Gewalt und Schrecken ohne Ende. Schonungslos blickt Altmann zurück: auf einen Vater, der als psychisches Wrack aus dem Krieg kommt und den Sohn bis zur Bewusstlosigkeit prügelt, auf eine Mutter, die zu schwach ist, um den Sohn zu schützen, und auf ein Kind, das um sein Überleben kämpft. Erst als Jugendlichem gelingt Altmann die Flucht. Die schreckliche Erfahrung aber kann ihn nicht brechen. Sie wird vielmehr der Schlüssel für ein Leben jenseits des Opferlstatus.


    Der Autor:


    Andreas Altmann arbeitete unter anderem als Privatchauffeur, Anlageberater, Buchclubvertreter, Parkwächter und Schauspieler, bevor er endlich das fand, was er wirklich machen wollte: die Welt bereisen und als Reporter darüber schreiben. Heute zählt er zu den bekanntesten deutschen Reiseautoren und wurde unter anderem mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis und dem Seume-Literaturpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihm "Triffst Du Buddha, töte ihn!" Altmann lebt in Paris.


    Biografie, 255 Seiten


    Meine Meinung:


    Der Buchtitel wirkt zunächst etwas abschreckend, aber zum Glück lässt er nicht auf den Sprachstil schließen, denn der Autor berichtet ungemein knapp und sachlich ohne jede Derbheit, die man bei dem Buchtitel zunächst einmal unterstellen würde. Es liest sich angenehm und die 168 Kapitel der ersten zwei Teile ermöglichen ein leichtes Unterbrechen, denn manche Schilderungen sind schwer zu ertragen. Der Lesestoff teilt sich in 3 Teile, betitelt Der Krieg Teil 1, Der Krieg Teil 2 und ein Nachwort, das den weiteren Werdegang des Autors beschreibt, nachdem ihm die Flucht aus dem Elternhaus gelungen ist.


    Schon der Start ins Leben sollte beinahe vereitelt werden, als seine Mutter ihm nach der Geburt ein Kissen aufs Gesicht drückt, da sie keine weiteren männlichen Personen in ihrem Leben ertragen will (Andreas ist bereits der dritte Sohn, nach seinen Brüdern Stefan und Manfred). Gerade noch rechtzeitig konnte die Hebamme eingreifen und nachher hatte seine Mutter dann auch für alle Zeit ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber und er wurde zunächst von ihr ganz besonders verhätschelt, bis dann endlich ein Mädchen geboren wurde, seine Schwester Perdita. Fortan buhlt Andreas um Liebe, indem er sich selbst Verletzungen zufügt. Und dann kommt der Vater aus dem Krieg zurück und treibt die Mutter, die schon immer zu schwach war, aus dem Haus.


    Zitat

    Er tauchte als Vierzigjähriger aus dem Krieg wieder auf und führte genau die nächste Hälfte seines Lebens wieder Krieg. Aber diesmal diente nicht der ferne Ural als Kampfzone, sondern die eigene Familie.


    Vater Altmann ist ein geachteter Devotionalen-Fabrikant, der Ort Altötting ein bekannter Wallfahrtsort und hinter der Fassade aller schlummert eine kaum noch auszuhaltende Bigotterie. Das Kind Andreas wird nicht nur in der Schule gezüchtigt, auch zu Hause erwarten ihn jede Menge Prügel. Dazu kommt noch ein "verschärfter Arbeitsdienst", der im Hause Altmann eingeführt wird. Denn Personal ist knapp und die Devotionalienherstellung, sowie Vertrieb und Verwaltung, ebenso der Haushalt verlangt nach der Mitarbeit der Kinder. Das die Schule darunter zu leiden hat, erfordert dann immer wieder neue Strafaktionen.


    Die schwache Mutter ist auch keine Hilfe, denn sie schafft es nicht, ihre Kinder zu sich zu holen und der Vatertyrann kann weiter wüten. Erst kurz vor seinem 21. Geburtstag (der Volljährigkeit) gelingt Andreas die Flucht. Im Nachwort berichtet er von seinem weiteren ewigen "Versagen" (das hatte der Vater ihm schon früh klargemacht), den häufigen psychatrischen Behandlungen, dem vielen Ausprobieren auf der Suche nach dem einen Werkzeug, das für ihn passen könnte, um seinem Leben Sinn zu verleihen. Und das er schließlich findet. Das Reisen und darüber schreiben. Man darf ihm Glück wünschen.


    Übrigens haben alle Altmann-Geschwister selber niemals Kinder bekommen.


    Die Schlussaussage des Buches ist auch sehr berührend:


    Zitat

    Gewiss kommen andere Gelegenheiten, da heule ich nur um mich. (Und nicht immer nur um das verpfuschte Leben der Eltern) Meist in dunklen Kinos, in denen eine Geschichte von einem Vater und seinem Sohn erzählt wird. Vor Sehnsucht nach einem wie dem Leinwandhelden. Der seinen Sohn umarmt und ihn behütet.


    Fazit: Eine sehr bewegende Biografie, die in einem knappen und sachlichen Stil erzählt wird. Eine Abrechnung mit einer verpfuschten Kindheit, eine Anklage gegen Bigotterie und eine Erkenntnis, sich niemals wieder zu beugen.
    Meine Bewertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!

    2 Mal editiert, zuletzt von birgitk ()