John Burnside - In hellen Sommernächten / A Summer of Drowning

  • Englischer Titel im Original: A Summer of Drowning



    Zum Inhalt (amazon.de):


    Hoch oben im Norden, wo im Sommer das weiße Licht alle Konturen verwischt, ertrinken auf rätselhafte Weise junge Männer. Doch das scheint die wenigen Bewohner der Insel am Polarkreis nicht zu beunruhigen: Mehrdeutiges und Traumhaftes ist ihnen vertraut. Aber hat wirklich die rotgewandete Waldfee Huldra ihre Hand im Spiel, wie es die Sage behauptet? Die junge Liv, die mit ihrer berühmten Mutter am nördlichsten Rand der Insel lebt, glaubt zunächst nicht daran. Bis der alte Kyrre mit seinen Geschichten über die männermordende Huldra und die schöne, mysteriöse Maia ihre Vorstellungskraft beflügeln. Gelingt Liv die Lösung des Rätsels, oder verliert auch sie sich in einer Zwischenwelt aus Fantasie und Realität?




    Zum Autor:


    John Burnside wurde 1955 im schottischen Dunfermline geboren. Er studierte in Cambridge Englisch und Europäische Sprachen. Heute unterrichtet er kreatives Schreiben an der St. Andrews University in Schottland. Burnside hat bereits mehrere Gedichtbände sowie Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht, die mit diversen Preisen ausgezeichnet worden sind. Neben mittlerweile mehr als zehn Lyrikbänden sind folgende Prosa-Werke von ihm erschienen:

    • The Dumb House (1997)
    • The Mercy Boys (1999)
    • Burning Elvis (Kurzgeschichten, Erscheinungsjahr 2000)
    • The Locust Room (2001)
    • Living Nowhere (2003)
    • A Lie About My Father (2006), dt. Titel: Lügen über meinen Vater (2010)
    • The Devil’s Footprints (2007), dt. Titel: Die Spur des Teufels ( 2008 )
    • Glister ( 2008 ), dt. Titel: Glister (2009)
    • Waking Up In Toytown (2010) (= der zweite Teil seiner Memoiren Lügen über meinen Vater )
    • A Summer Of Drowning (2011), dt. Titel: In hellen Sommernächten




    Mein Kommentar:


    Wieder einmal hat John Burnside es geschafft, mir mit seinem Summer of Drowning ein mesmerisierendes Leseerlebnis zu bescheren. Doch muss ich feststellen, dass es mit jedem neuen seiner Bücher immer schwerer für mich wird, zu beschreiben, worin dieser Zauber eigentlich liegt; wobei das Wort „Zauber“ gerade bei In hellen Sommernächten ausgesprochen passend erscheint, wenn man bedenkt, dass die „Huldra“ aus den alten nordischen Sagen eine geheimnisvolle Rolle spielt …


    Verantwortlich für diesen Effekt sind möglicherweise mehrere Besonderheiten:

    • Da ist zum einen der besondere Schauplatz im Buch: einer der fast gänzlich unbewohnten Ausläufer der norwegischen Insel Kvaløya, weit oberhalb des nördlichen Polarkreises (in der Nähe der Stadt Tromsø); eine praktisch verlassene Gegend, in der im Sommer monatelang die Sonne nicht untergeht.
    • Sprachlich ist der Summer of Drowning für mich persönlich wieder ein Non-plus-Ultra. Ich empfehle das englische Original, denn John Burnside’s Sprache ist von großer poetischer Intensität, gleichzeitig ausgesprochen schlicht und fließt in einem wunderbaren Rhythmus. (Laut Daniel Kehlmann erweist sich auch die Übersetzung ins Deutsche von Bernhard Robben als sehr gut gelungen, Kehlmann in der FAZ über Burnside.)
    • In hellen Sommernächten basiert auf einem Minimum an Handlung – eigentlich passiert extrem wenig in der Lektüre. Was anderereits damit erklärt werden kann, dass Einsamkeit einen zentralen Punkt im Buch einnimmt. Damit komme ich auch schon zur nächsten Besonderheit, nämlich
    • John Burnside erzählt hier weniger denn je eine vordergründige Geschichte, das Wesentliche an In hellen Sommernächten stellt die Hintergrundidee dar, die Hinführung zu einer ganz besonderen Sichtweise der Dinge. Es handelt sich nicht um eine „Sichtweise“ im eigentlichen Sinn, doch kann ich nicht näher auf diesen Punkt eingehen, da sich dort das eigentliche Geheimnis der Lektüre birgt, welches der Leser meiner Meinung nach selbst entdecken sollte oder sogar „muss“; er muss sich den emotionalen Effekt des Summer of Drowning selbst „erlesen“ (wenn ich diese Erklärung hier in der Rezension vorwegnähme, wäre das meines Erachtens nach als monumentaler Spoiler zu werten).
    • Obwohl so wenig Plot dem Summer of Drowning zugrunde liegt und es ein Buch von intensiver Stille darstellt, besitzt es für mich persönlich zahlreiche Momente hoher Spannung, die sich teilweise aus den Beschreibungen und Gedanken zu den einzelnen Orten bzw. zu den Charakteren ergeben, zu einem großen Teil jedoch aus
    • vielen einzelnen gedanklichen Ausarbeitungen, die mich zum Teil komplett überrumpelt haben, wie z.B. die Gedanken zur Darstellung des Narziss in Ovids Metamorphosen (eine geniale Stelle im Buch!). Man benötigt kein breites Allgemeinwissen oder großes Kunstverständnis (bei John Burnside braucht man das nie); der Autor selbst erklärt außerordentlich schlicht und sehr einleuchtend. Wenn überhaupt, dann schafft er es möglicherweise erst, einem den Begriff „Kunst“ näher zu bringen und die Seele dafür zu erwärmen.
    • John Burnside beweist die große Gabe, Raum und Zeit im Summer of Downing immer wieder außer Kraft zu setzen. Im Zusammenhang mit der Wirkung aus Einsamkeit, der besonderen Lage des Schauplatzes und der wundervollen sprachlichen Umsetzung ergibt sich so ein ganz seltsamer Effekt aus Verflechtung von Klarsicht und Unwirklichkeit. Auf mich hat dieser Effekt wie ein Sog in eine völlig andere Dimension, in eine andere Welt, gewirkt. Das Sich-Einlassen auf die Lektüre empfinde ich als ein ganz besonderes Erlebnis, das mich leise schaudern und gleichzeitig beinahe feierlich empfinden lässt.



    Hier eine winzige sprachliche Kostprobe, ein ganz schlichter Gedanke zum Thema „Erinnerung“:


    Zitat

    Because remembering is a choice, if it’s done well, and nobody can make you remember what you choose to put out of your mind.




    Warnung:


    Wenn ich auch selbst John Burnside als meinen bisher unangefochtenen Lieblingsschriftsteller anführen muss, bin ich mir voll und ganz bewusst, dass er keine Bücher für die breite Masse schreibt. Die Kurzbeschreibungen zu seinen Büchern der letzten Jahre mögen zum Teil sehr geheimnisvoll und thrillerhaft klingen, doch liegen die geheimnisvollen und spannenden Elemente bei Burnside ganz und gar hinter der eigentlichen Handlung versteckt; nicht die vordergründige Erzählung, sondern die Aussage dahinter ist es, die der eine oder andere Leser zu entdecken und die daraus folgende Erkenntnis außerordentlich intensiv zu erleben vermag.


    Für eventuelle Einsteiger in die Bücher von John Burnside würde ich von In hellen Sommernächten klar abraten. Seine Bücher Glister oder Die Spur des Teufels lassen sich wesentlich leichter lesen. Auch seine beiden biografischen Bücher Lügen über meinen Vater und vor allem Waking Up in Toytown (mein absoluter Favorit, für mich beinahe unvorstellbar, dass irgendwo ein besseres Buch existieren könnte - literarische Verführung pur! :pray: Leider ist dieser Titel bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden) erscheinen mir sehr empfehlenswert: beide empfinde ich als meisterhaft geschrieben und sie zeigen die gedankliche Evolution dieses grandiosen Schriftstellers auf, wodurch meiner Meinung nach der Summer of Drowning in seinem gedanklichen Vollzug viel leichter begreifbar wird.


    Auf amazon.de gibt es einen Blick ins Buch zu Glister, der möglicherweise dem einen oder anderen weiterhelfen könnte in der Frage, ob ihm der Autor liegen könnte, denn bereits diese wenigen Seiten geben ein gutes Beispiel von John Burnsides sprachlichem Stil.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Hier noch das Cover des englischsprachigen Originals:


    abgebildet ist darauf das Werk Et Hus Ved Kysten (1907) des norwegischen Malers Harald Sohlberg, auf englisch übersetzt mit Fisherman's Cottage. Auch dieses Gemälde spielt im Buch eine Rolle.


    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Für eventuelle Einsteiger in die Bücher von John Burnside würde ich von In hellen Sommernächten klar abraten. Seine Bücher Glister oder Die Spur des Teufels lassen sich wesentlich leichter lesen.


    Vielen herzlichen Dank für deine Rezension! Bei so viel Begeisterung kann frau ja gar nicht mehr widerstehen. :wink: Da ich mich als "Einsteiger" bezeichne, ist gerade "Die Spur des Teufels" in meinem amazonischen Einkaufswägelchen gelandet und dürfte hoffentlich bald bei mir eintreffen :winken:

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  • Für eventuelle Einsteiger in die Bücher von John Burnside würde ich von In hellen Sommernächten klar abraten. Seine Bücher Glister oder Die Spur des Teufels lassen sich wesentlich leichter lesen.


    Wieso leichter lesen? "In hellen Sommernächten" ist einfach traumhaft wunderbar, hätte ich nicht gedacht, aber es wird höchstwahrscheinlich ein großes Highlight in diesem Jahr :uups: Bisher habe ich um Burnside einen Bogen gemacht, weil es hieß, dass er knallhart schreibt, oder bezieht sich das nur auf das Vaterbuch? Ist dieses Schwerelose, dieser Zauber, immer in seinen Bücher präsent? Dann muss ich alle lesen!


  • Wieso leichter lesen?

    Buchkrümel, die anderen ins Deutsche übersetzten Burnside-Bücher verfügen über wesentlich mehr Plot, deshalb halte ich sie für eine leichtere Lektüre. Denis Scheck mag die "Sommernächte" genau aus diesem Grund nicht, weil ihm zu wenig passiert in der vordergündigen Handlung.


    "In hellen Sommernächten" ist einfach traumhaft wunderbar, hätte ich nicht gedacht, aber es wird höchstwahrscheinlich ein großes Highlight in diesem Jahr :uups: Bisher habe ich um Burnside einen Bogen gemacht, weil es hieß, dass er knallhart schreibt, oder bezieht sich das nur auf das Vaterbuch? Ist dieses Schwerelose, dieser Zauber, immer in seinen Bücher präsent? Dann muss ich alle lesen!

    Schwierig zu beurteilen, ob Dir die anderen Bücher genauso gefallen werden ... :-k . Alle drei bisher ins Deutsche übersetzten Bücher (Glister, Die Spuren des Teufels und Lügen über meinen Vater) sind um einiges düsterer, besitzen aber auch den gewissen Zauber der besonderen Art von Wahrnehmung von Geschehen und Umgebung, wie sie mir für Burnside charakteristisch vorkommt; er deckt eine ganz unbekannt-magische Sichtweise auf die Dinge auf. Diese Elemente sind auch in seinen anderen Büchern zu finden, mehr in Glister und in den Spuren des Teufels, weniger in den Lügen über meinen Vater. Ich weiß nicht, ob es Dir etwas nützt, wenn ich Dir sage, dass Menschen wie Felicitas von Lovenberg, Thomas Glavinic und Daniel Kehlmann den gewissen Zauber auch in den anderen seiner Bücher gefunden haben, das gewisse verstörende Element.


    Zu den Lügen über meinen Vater: vielleicht hast Du die Besprechung bei Frau Radisch gesehen - die geht aber etwas am Buch vorbei, meiner Meinung nach. Auch wenn das Buch die Gemeinheiten seines Vaters zum Inhalt hat, geht es eigentlich nicht darum - ganz schwierig zu fassen, was eigentlich dahinter steht: vielleicht ein Teil der inneren Person des Autors selbst, nicht das, was ihm passiert - deshalb kann man das in einer Buchbesprechung auch kaum herüberbringen, man kann eigentlich nur die Sachen aus dem Buch wiedergeben, die vordergründig in Handlung sitzen, also die Gemeinheiten und Misshandlungen, aber das Buch hat seinen eigenen Zauber - was bei mir hängenblieb, ist die Erinnerung an das tiefe und ebenmäßige Gefühl (fast schon Ehrfurcht), die diese Memoiren bei mir ausgelöst haben.


    In hellen Sommernächten sticht für mich dennoch ein bisschen aus all seinen anderen Büchern heraus, hierhat er seine besondere Burnside'sche Wahrnehmung besonders stark herausgearbeitet, und ich denke das Buch profitiert enorm durch den fast nicht-existenten Plot.


    Lass' Dir doch einfach ein paar Monate Zeit, und wenn Du dann immer noch gerne an den Autor zurückdenkst, dann kannst Du ja noch eines seiner Bücher lesen. Jetzt gleich ein weiteres Buch von ihm zu lesen, halte ich für gefährlich - zu groß scheint mir die Gefahr, dass man genau das Gleiche erwartet - John Burnside schreibt jedoch Bücher, die sich deutlich voneinander unterscheiden.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ein wunderbares Entgleiten in eine magische Welt!


    Auf einer Insel oben am Polarkreis ertrinken zwei junge Männer, Brüder, mitten in der Nacht treiben sie auf einem Boot hinaus auf´s Meer. Beide sterben auf die gleiche mysteriöse Weise nur ein paar Tage liegen dazwischen. Auch Martin Crosbie verschwindet und mit ihm, etwas zeitversetzt, auch Maia, später auch Kyrre Opdahl … doch darum geht es gar nicht!


    >>Es war, als wäre er nur durch Zufall ins Sein gestolpert, … , …als sie den Geist meiner selbst einfing und auf Leinwand bannte.<<


    Auf der Insel wohnen auch Liv und ihre Mutter, die Malerin ist. Sie ist vor 15 Jahren mit ihrer Tochter auf diese Insel gezogen, und geht dort oben, wo die Sonne im Sommer nie untergeht, ihrer Arbeit nach. Eigentlich verbringt sie ihre Tage fast komplett im Atelier, nur samstags kommen ihre Freier zum Tee. Und so lebt Liv sehr auf sich gestellt.


    >>Vielmehr war da Raum, Raum existierte, nur wusste man stets, er war woanders, spürte, dass er sich vom eigenen, deutlich abgegrenzten - und begrenzten - Territorium unterschied.<<


    Es ist doch so, wie mit der Kunst – eine Illusion in der Realität, die Wirklichkeit verschwimmt mit dem grellen Lichts des Sommers, Trugbilder kommen und gehen und vermischen sich im Bild der Erinnerung.
    Oder wie mit der Einsamkeit – die die Gedanken weit kreisen lässt im Wechsel der Gezeiten, bei Regen und Sturm den Blick auf´s Meer gerichtet, wo die Weite ins Unendliche flieht.


    >>Träume sind Geschichten, die wir uns erzählen, um unserer Welt einen Sinn zu geben. Der einzige Unterschied zwischen den Verrückten und den geistig Gesunden sei, dass die Verrückten nicht gut genug träumen.<<

    Diese Atmosphäre wird noch unterstrichen vom mythologischen Bild der >Huldra< als Metapher und dem Einbringen der Narziß-Geschichte. Narziß, der verliebt ist in sein eigenes Spiegelbild, der aber nicht erkennt, dass es sein eigenes ist. Drum greift er nach diesem Bild und ertrinkt.


    Ein zauberhaftes Sommermärchen, bei dem nur der Schluss ein wenig einbrach, welches mich in eine rätselhafte und fremde entführte. Vielen Dank!


    John Burnside, geboren 1955 in Scottland, ist einer der profiliersten Autoren der britischen Gegenwartsliteratur. Der Lyriker (liest man absolut heraus! himmlisch-herrlich) und Romancier wurde vielfach ausgezeichnet.

  • Inhalt

    Livs Mutter ist Malerin und hat sich auf eine Insel nördlich des Malangenfjords in Norwegen, auf Höhe des 70. Breitengrades zurückgezogen. Offiziell ist die Mutter wegen des besonderen Lichts im Norden auf die Insel gekommen. Der Klappentext lässt vermuten, dass sich das Buch hauptsächlich um übersinnliche Ereignisse dreht; denn im Sommer nach Livs Schulabschluss ertrinken innerhalb kurzer Zeit ein Klassenkamerad und dessen Bruder, mehrere Erwachsene verschwinden spurlos. Das ungeklärte Verschwinden dieser Personen ist Anlass für Liv, sich mit dem Abstand von 10 Jahren an die Ereignisse vor deren Verschwinden in jenem Sommer auf der Insel zu erinnern. In Livs Welt gibt es außer ihrer Mutter nur den alten Nachbarn Kyrre, der eine winzige Hütte an Sommergäste vermietet und sich wie ein Ersatzvater um Liv kümmert. Kyrre ist nicht nur dafür zuständig, Liv zur Schule zu fahren, er ist einziger Ansprechpartner des Mädchens, wenn die Mutter nächtelang in ihre eigene Welt abtaucht. Kyrre erzählte der kleinen Liv Märchen von Trollen, Wichteln und Wassergeistern, darunter auch die Geschichte der "Huldra", an die Kyrre fest glaubt, die junge Männer ins Verderben locken kann. Da sich niemand erklären kann, warum zwei junge Männer von einem Boot aus verschwinden sollten, drängt sich nicht nur Kyrre der Gedanke auf, die Jungen wären von der Huldra fortgelockt worden.


    Das besondere Licht des Norden prägt diesen Roman, aber auch der regionale Aberglaube. Auf der Höhe des nördlichen Polarkreises, wo zu Beginn des Sommers der Boden noch gefroren ist, führen endlose Winter zu Depressionen und die langen hellen Sommernächte zu sonderbaren Gefühlsüberschwängen. Livs Lebensumstände wirken bizarr. Über Livs Vater verweigert die Mutter jede Auskunft; Liv glaubte bisher, er habe die Familie verlassen. Regelmäßig erhält die Mutter den Besuch von "Freiern", die sie in züchtiger Distanz alle gemeinsam zum Kaffee einlädt. Liv wirkt wie ein von der Mutter hinterlassener Abdruck ohne eigene Persönlichkeit. Sie hat keine Idee, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte, keinen Ferienjob, keine eigenen Interessen und Ziele. Den Sommer verbringt die Achtzehnjährige damit, Kyrres Sommergast mit dem Fernglas nachzuspionieren und den Fährschiffen nachzublicken. Livs Passivität, mit der sie die Entscheidungen ihrer bestimmenden Mutter hinnimmt, beunruhigt und treibt die düstere Stimmung um den Tod der beiden Jungen auf die Spitze. Im Grenzbereich zur Depression glaubt man, der dunklen Seite in Burnsides einzelgängerischen Personen sehr nah zu sein.


    Fazit

    Seit den unheimlichen Ereignissen sind inzwischen 10 Jahre vergangen. Liv ist noch immer eine junge Frau, der ich die kunstvoll ziselierte Sprache mit ihrem Netz aus Nebensätzen nicht abgenommen habe. Selbst wenn Liz in ihrer Jugend sonderbar war, lässt Burnside aus ihr eine viel älter wirkende Person sprechen. Das Setting des Romans, Liz problematisches Erwachsenwerden, die fließenden Übergänge zu psychischen Störungen und Burnsides Sprache haben mich - jedes für sich - fasziniert und lange beschäftigt; die Erzählerstimme harmonierte für meinen Geschmack jedoch nicht mit Liz Persönlichkeit und konnte deshalb die Einzelkomponenten nicht zusammenhalten.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Meine Meinung

    Weit oben im Norden, auf einer Insel am Polarkreis, passieren rätselhafte Dinge. Zwei junge Männer ertrinken kurz nacheinander. Brüder, die unter genau den gleichen Umständen sterben. Alle reden von einem tragischen Zufall. Aber Liv sieht es anders. Sie kannte die beiden Jungen kaum, aber ihr Tod berührt sie auf eigenartige Art und Weise. Dann tritt der Tod auf einmal auch in ihr Leben und wieder wird sie eigenartig davon berührt, obwohl sie den Verstorbenen kaum kannte.


    Eine junge Frau erzählt von den Ereignissen in einem Sommer, der über zehn Jahre zurückliegt. Auch wenn ich sehr lange gebraucht habe um den berühmten roten Faden zu finden, habe ich das Buch nicht abgebrochen, was ich dann normalerweise mache. Etwas an der Erzählung hat mich trotz allem gefesselt. War es die Sehnsucht, die ich in den Zeilen spüren konnte? Oder das Bild der hellen Sommernächte im Norden, das John Burnside gemalt und das mich an die Sommernächte im Norden erinnert hat, die ich selbst erlebt habe? Ich weiß es nicht.


    Nach und nach bin ich in die Geschichte hinein gekommen. Aber es ist nicht nur eine Geschichte, es sind viele kleine. Es ist die Geschichte von Livs Mutter, die noch vor der Geburt vom Vater ihrer Tochter verlassen wurde und die in den Norden gezogen ist, um zu malen. Oder von Livs väterlichem Freund, der ihre Mutter schon so lange liebt, wie sie auf der Insel wohnt. Natürlich ist es auch Livs Geschichte. Sie hat die Schule beendet und steht vor einer unbekannten Zukunft. Und da ist noch Maia, die Freundin der beiden ertrunkenen Jungen. Jede der Geschichten könnte auch alleine stehen, ihre Kombination aber macht In hellen Sommernächten zu etwas Besonderem.

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  • Hallo,


    es gibt angeblich eine deutsche E-Book-Ausgabe, jedoch kann ich diese in keinem Shop finden. Bei manchen Bibliotheken gbit es jedoch Hinweise darauf.

    Ist das EBook noch nicht erschienen?

    Es gibt eine ISBN 9783641072445 und die DNB hat das ebook katalogisiert. Erkundige dich doch mal direkt beim Verlag.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „John Burnside - In hellen Sommernächten / A Summere of Drowning“ zu „John Burnside - In hellen Sommernächten / A Summer of Drowning“ geändert.