• >> … ein kraftvolles, provozierendes Vermächtnis … << der Schwerpunkt liegt auf der Provokation!


    Und schon nach dem ersten Kapitel hatte ich den Eindruck, dass hier jemand einen riesen Eindruck schänden möchte. Der Ton des Buches ist gestelzt und sehr konstruiert: Nachdem Kain seinen Bruder Abel umgebracht hat, wird er von Gott dazu verdonnert, ewig auf der Erde zu wandeln und rastlos zu sein. Und so begegnet er den großen Ereignissen des ATs. Er trifft auf Lilith und treibt es bunt mit ihr. Auf Abraham, auf Moses, auf Noah. Er ist in der letzten Stunde von Sodom und Gomorrha dabei, bei der Sohnesopferung von Abraham anwesend … Kain wird zu einer Art „Heilsbringer“, der Brudermörder, der Sünder wie du und ich. Und Gott bekommt überall sein Fett weg >wäre Gott Kain nicht in die Quere gekommen, hätte es der Junge weit gebracht<.


    Saramago verarbeitet in seinem Roman das Problem der Theodizee, doch auf einer Art, die ich nicht befürworten kann. Denn dafür ist sie nicht sachlich genug, sondern oft nur trivial. Der Leser hätte auch ohne die vulgären Ausflüge die Intention des Autors erkannt. Dieses Aufblähen hätte er sich sparen können, seine Ansichten wären auch ohne erkennbar gewesen.


    >>Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte ihrer Uneinigkeit mit Gott, weder versteht er uns, noch verstehen wir ihn.<<


    „Die Stadt der Blinden“ hatte mir vor Jahren schon aus genau den Gleichen Grund nicht gefallen, ein Autor der schockt und provoziert, nur weil sich das gut verkaufen lässt. Nichts für mich.

  • Original : Caim (Portugiesisch, 2009)


    Deutsch: aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner, 2011


    INHALT :
    Der bekennende Atheist José Saramago schreibt in seinem letzten Roman kurzerhand die Bibel um und lässt den Brudermörder Kain eine ganz eigene Reise durchs Alte Testament antreten. So trifft Kain, der in der Zeit vor und zurück katapultiert wird, auf die verführerische Lilith, rettet Isaak vor der Opferung durch seinen Vater Abraham, verfolgt fassungslos die Zerstörung von Sodom und Gomorrha und findet sich zum Schluss auf der Arche Noah wieder. Immer wieder stößt er dabei auf die Erkenntnis, dass göttliches Handeln mit rationalem Denken schwerlich nachzuvollziehen ist.
    (Quelle : Produktbeschreibung amazon.de)


    BEMERKUNGEN :
    Nachdem ich in einer französischen Übersetzung der « Geschichte der Belagerung von Lissabon » zwar beeindruckt war von der Gewandtheit Saramagos und dessen Sprache, doch in der Fremdsprache daran scheiterte (scheitern musste?), probierte ich es auf Deutsch mit « Das Zentrum », das mir sehr gut gefiel, siehe auch : Jose Saramago – Das Zentrum . In der Bücherei stiess ich nun auf Kain und wollte es also mit einem Buch aus seiner eher polemischen Auseinandersetzung mit biblischen Themen versuchen.


    Ich wurde enttäuscht.


    Sicherlich findet man hier eine sprachliche Leichtigkeit und Meisterschaft wieder (trotz Fallenlassen so mancher konventioneller Rechtschreib- bzw Satzzeichenregeln), die beeindruckt. Mit lässiger Natürlichkeit werden die subjektiven und teils äußerst fragwürdigen saramagoischen Interpretationen biblischer Erzählungen dahingestellt als ob seine Lesart quasi die allein nahezu objektiv gültige wäre. In dieser Sichtweise wird die biblische Geschichte von Adam und Eva ausgehend (in einem verkürzten Blickwinkel) und sich dann vor allem in Kain verlängernd erzählt. Prämisse nahezu dieses Erzählens ist der unüberwindliche Kampf und Widerstreit zwischen Gott und den Menschen. In der Schau des portugiesischen Autors hat dabei der Mensch immer die Opferrolle, ist unschuldig in jeglicher Hinsicht, währenddessen Gott als Tyrann, gleichgültig oder als Versucher hingestellt wird.


    Sicher, in einem Roman kann man alles Hirnrissige ja erzählen, wer wird sich heute schon dagegen auflehnen und sich so den Ruf einhandeln, ja sehr intolerant zu sein, dass man eine « Kritik », zumal die eines so begabten Nobelpreisträgers, nicht hören will. Leider ist es aber so, dass hinter den scheinbaren biblischen Gegebenheiten Saramago – wie es ja auch oben in der Produktbeschreibung von amazon heißt - « die Bibel umschreibt ». Und das nicht nur alleine im Wiedergegebenen, aber erst recht im Verständnis des biblischen Geschehens. Von vorneherein steht so Saramagos Platz, seine Gott verachtende Sichtweise fest.


    Persönlich steht für mich außer Frage, dass Saramago ja als Portugiese eine gewisse religiöse Sozialisation erfahren hat, mit biblischen Gestalten teils halb vertraut war. Genauso steht für mich außer Frage, dass dieser so begabte Autor wahrscheinlich tiefe Verletzungen erfahren hat, die in der Behandlung mit Themen des Glaubens in Hass umschlagen und den Wunsch, sich an den vermeintlichen Urheber (Gott?) zu rächen. Dies sind verständliche Mechanismen, doch von einem solchen Menschen erwartete man sich ein Durchschauen der eigenen Beweggründe (die ich natürlich nicht alle überblicke). So wirkt dieses Buch wie ein Racheakt eines sehr begabten Kindes... Schade, dass Saramago seine unglaubliche Phantasie nicht dazu einsetzte, eventuell sich nicht nur zum Anwalt der Menschen zu machen, sondern zu erahnen, dass der biblische Gott nicht « auf der anderen Seite als unser Feind » steht, sondern an unserer Seite.


    Wer sich in Polemik und dem schon sehr beeindruckenden Redefluß Saramagos gefällt, der schaue mal rein. Man passe aber auf, hier hinter scheinbar beherrschtem Material wirklich den rechten Interpretierer biblischer Schriften zu finden.


    (Da ich das Buch, zu einem guten Drittel gelesen, abbreche, hätte ich diesen Kommentar in den « Ich lese gerade... » Fred stellen können, doch gerade entdeckte ich überrascht, dass Buchkrümel schon was geschrieben hat!)


    AUTOR :
    José Saramago (ʒuˈzɛ sɐɾɐˈmaɣu) (* 16. November 1922 als José de Sousa Saramago in Azinhaga, Provinz Ribatejo Portugal; † 18. Juni 2010 in Tias auf Lanzarote) war ein portugiesischer Romancier, Lyriker, Essayist, Erzähler, Dramatiker und Tagebuchautor. Erentstammt einer Landarbeiterfamilie. Nach dem Besuch des Gymnasiums arbeitete er als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist bei verschiedenen Lissabonner Tageszeitungen. Seit 1966 widmete er sich verstärkt der Schriftstellerei. 1998 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen.
    (Quellen : wikipedia ; amazon)