Kurzbeschreibung (dem Buch entnommen):
Es ist das Jahr der Flut, der "wasserlosen Flut". Eine tödliche Pandemie ist über die Menschheit hereingebrochen, nur wenige konnten sich retten. Hoch über den Dächern der Stadt leben sie, die Gottesgärtner, bei denen die robuste Toby und die zarte Prostituierte Ren Zuflucht gefunden haben. In ihrem biologisch bepflanzten Garten Eden kämpfen sie ums Überleben in einer Welt, die unter der Herrschaft verantwortungsloser und machtgieriger Großkonzerne zugrunde gegangen ist. In "Das Jahr der Flut" entwirft Margaret Atwood aufs Neue eine Zukunft, deren Realität weniger fern liegt, als wir uns womöglich eingestehen möchten.
Über die Autorin (von www.dtv.de):
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, lebt in Toronto und gilt heute als die bedeutendste Autorin Kanadas. Ihr international mit zahlreichen Preisen ausgezeichnetes Werk umfasst Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Essays. Ihre Bücher wurden in mehr als dreißig Sprachen übersetzt.
Meine Meinung:
„Oryx und Crake“ von Margaret Atwood war für mich eins der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Nie hätte ich gedacht, dass dazu überhaupt eine Fortsetzung angedacht war. Ich habe eher zufällig davon erfahren, da Margaret Atwood ansonsten ja auch noch nie eine mehrteilige Serie geschrieben hat. Mit Begeisterung habe ich mich nun daran gemacht und wurde alles andere als enttäuscht.
Es wäre sogar möglich, in diese Reihe einzusteigen, ohne den Vorgänger gelesen zu haben, da die Handlung parallel dazu abläuft. Zunächst gilt es allerdings, sich ein Bild von der schlimmen Zukunft zu machen, die uns Margaret Atwood beschert. Es wird zwar kein Jahr unserer Zeitrechnung angegeben, aber ich vermute, die Handlung spielt nicht später als das Jahr 2100. Weite Teile der Welt sind zerstört oder unbewohnbar geworden und ein Großteil der uns bekannten Tierarten ausgestorben. Regierungen und Länder gibt es nicht mehr, stattdessen sind skrupellose Großkonzerne an der Macht. Die Polizei und die Armee werden von einer ursprünglich privaten Sicherheitsfirma namens CorpSeCorps kontrolliert bzw. gestellt, die die Handlanger der Konzerne darstellen. Es gibt nur noch Arm und Reich: Die Konzernmitarbeiter, die auf speziellen, abgesicherten Anlagen untergebracht sind und die „Plebs“, also die normalen Bürger, die in verfallenden Städten Gewalt und Krankheiten ausgesetzt sind. Prostitution, eine große Anzahl an Sekten, durch Gentechnik neu erschaffene Tierarten wie Wakunks und Mo’hair-Schafe, gewollt krank machende Produkte wie der zwar leckere, auf Dauer aber tödliche Kaffee von HappiCappuccino, Drogen, Seuchen, Menschen als Versuchskaninchen….nein, es ist wahrlich keine schöne Zukunft, die uns hier beschert wird. Dadurch, dass es für neue Tierarten („Hunölfe“)und Pflanzen („Lumirosen“), Produkte („See/H/Öhr-Lekker-Bit“), Nahrungsmittel („Chickie-Knollen“), Organisationen oder Konzerne („SecretBurger“) hunderte von der Autorin erfundene Bezeichnungen und Namen gibt, kommt „Das Jahr der Flut“ erschreckend realistisch rüber. Die Gefahren und Probleme, die die Menschheit schon heute begleiten, wurden hier zwar auf die Spitze getrieben, jedoch bin ich der Meinung, dass wir uns auf dem besten Weg in eine ähnliche, düstere Zukunftsvision befinden. Bei einigen Dingen ist man fast gewillt zu lachen ob des bizarren Humors, z.B. bei der genmanipulierten Erschaffung einer Tierart, die eine Mischung aus Löwe und Lamm darstellt, einem sogennten „Löwamm“, aber meist bleibt einem das Lachen schnell im Halse stecken. Witz und Schrecken sind hier wirklich nah beieinander.
Anfangs hat mich die Erzählweise aus drei verschiedenen Perspektiven schon etwas verwirrt, aber irgendwann hat es „klick“ gemacht und ich war in der Geschichte vertieft. Jedes Kapitel beginnt mit einer Predigt eines Mannes namens Adam Eins und einem Lied. Adam Eins ist der Anführer der „Gottesgärtner“, einer Öko-Sekte und Religionsgemeinschaft, die sich Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben hat und vor allem, dass Gottes Liebe alle Lebewesen betrifft und nicht nur die Menschen. Es wird ausgestorbenen Tierarten gedacht, sich vegetarisch ernährt und nichts verschwendet. Die beiden Hauptpersonen sind Ren und Toby. Das Buch ist alles andere als chronologisch verfasst, und somit sind wir zu Beginn eigentlich schon am Ende des Buches und die beiden erzählen uns wie es zu dieser Situation gekommen ist. Toby hat eine leitende Funktion bei den Gottesgärtnern inne und nimmt ihre Aufgabe sehr ernst. Sie wirkt sehr seriös, zweifelt aber auch immer wieder an sich selbst. Ren hat als Kind in einem Konzernkomplex gelebt, da ihr Vater dort gearbeitet hat. Später ist ihre Mutter mit einem Gottesgärtner durchgebrannt und so kam sie zu dieser Gemeinschaft. Nach und nach entwirrt sich der Lebensweg der zwei recht ungleichen Frauen und was sie im Strudel von Sex, Gewalt und Prostitution durchleiden mussten, ist manchmal wirklich starker Tobak.
Die Gottesgärtner bereiten sich auf einen reinigenden Weltuntergang vor, den sie als „wasserlose Flut“ bezeichnen. Man weiß zwar nicht genau, in welcher Form diese Flut auftreten soll, aber man kann es sich schon ziemlich früh denken. Sie sind sich sicher, dass sie auf Grund ihrer gesunden, biologisch sauberen Lebensweise als einzige überleben werden. Mit Spannung wartet man auf dieses Ereignis, da es im eigentlichen Präsens des Buches schon stattgefunden hat. Man befindet sich dort nämlich im „Jahr Fünfundzwanzig, Jahr der Flut“.
Erwähnenswert finde ich, dass hier Sekten nicht als das Böse oder falsche Propheten dargestellt werden wie sonst so oft in der Literatur. Vielmehr sind sie hier ganz klar die Guten und Aufrechten und stehen im Gegensatz zum zerstörerischen Wirken der Konzerne. Anfangs wartet man eigentlich nur darauf, dass nun doch bald etwas kommen muss, dass dieses Klischee bedient, aber es kommt und kommt nicht.
Im Vergleich zum großartigen „Oryx und Crake“ lässt „Das Jahr der Flut“ allerdings etwas Federn. Die Charaktere waren zwar sehr gut und hochinterssant, aber nicht ganz so überzeugend wie im Vorgänger. Zum anderen hatte ich das Gefühl, dass der erste Teil der Trilogie noch eine kleine Ecke schockierender rüberkam.
Fazit: „Das Jahr der Flut“ ist eine realistisch anmutende und sehr verstörende Dystopie. Es ist einerseits eine Anklage an den Kapitalismus, die Genforschung, die Unterdrückung der Frau und die Zerstörung der Umwelt auf Grund von Profitdenken, andererseits aber auch sehr unterhaltsam und ich kann jedem empfehlen, ein Buch dieser grandiosen Schriftstellerin, die wirklich etwas zu sagen hat, zu lesen.