Eduard von Keyserling - Dumala

  • Keyserling versteht es auf wenigen Seiten ein getreues psychologisches Profil zu schaffen!


    In einer kleinen Gemeinde, irgendwo in den Bergen, in der Winterzeit … Der Pastor spornt wie rasend seinen Zweisitzer über die gefährliche, da morsch und baufällig, Brücke, die zwei Bergkämme miteinander verbindet. Er kommt soeben von der Gräfin von Dumala. Viele Abendstunden verbringt er auf dem Schloss, betrachtet wie gebannt das Antlitz der Gräfin, die ihrem kranken Gatten das Bein streichelt. Doch heute Abend war auch Graf Rast zu Besuch, und in wilder Eifersucht ergreift er sie Flucht. Doch nicht nach Hause, wo seine junge und gefällige Ehefrau auf ihn wartet …


    >>Seltsam - da glaubt man, man sei mit einem anderen schmerzhaft fest verbunden, sei ihm ganz nah und dann geht ein jeder seinen Weg und weiß nicht, was in dem anderen vorgegangen ist. Höchstens grüßt einer dem anderen aus seiner Einsamkeit heraus.<<


    Auch diese kurze Erzählung hat mich sehr beeindruckt. Stimmig und genau vermag es Keyserling Gefühle und Atmosphäre einzufangen. Psychologisch tief blickt er in die Abgründe der Menschen, und vermag das Hervorgeholte präzise in Worte zu fassen. Es werden sicherlich noch weitere Werke vom Autor hier erscheinen.

  • Klappentext:

    Unter der scheinbar glatten, kühlen Oberfläche des Dorfes Dumala brodelt es. Der Pastor, eingeengt zwischen Eheroutine und Berufspflichten, verzehrt sich in heimlichem Verlangen nach der schönen Baronin Karola. Diese sehnt sich ihrerseits nach einem Ausbruch aus ihrem einförmigen Dasein – pflegt sie doch tagaus, tagein ihren bettlägerigen Gatten. Als der Baron von Rast mit seinen gefühlvollen Samtaugen und dem sorglosen Lachen auf den Plan tritt, nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Ungezügelte Begierde und Eifersucht gipfeln in einem Mordanschlag. Prägnant legt Keyserling die Gefühlsverwirrungen seiner Figuren bloß. Eindringlich beschreibt er ihre Vereinzelung und entlarvt die Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen um innige Nähe und Verbundenheit. - Amazon


    Zum Autor:

    Eduard von Keyserling (1855–1918) stammt aus altem baltischem Geschlecht, studierte Kunst und Jura und begann schon früh mit dem Schreiben. Als freier Schriftsteller lebte er zunächst in Wien, später in Italien und München, wo er der Schwabinger Boheme angehörte. Durch eine Krankheit erblindet, vereinsamte Keyserling in den letzten Lebensjahren zunehmend. - Amazon


    Meine Meinung:

    Keyserling hat seine Novelle ganz dicht bei seinem Protagonisten, dem Pastor Erwin Werner angelegt und weicht davon in keiner Zeile ab. Er gönnt sich keinen Seitenblick auf die anderen Personen oder Ereignisse außerhalb des Mikrokosmos' der kleinen Pfarrei.

    Pastor Werner ist kinderlos verheiratet; schätzt seine Frau Lene umso geringer, je mehr er sich in Karola Werland, die Baronin aus dem nahe gelegenenen Schloss Dumala, verliebt, und lässt es sie spüren, wie (vermeintlich) klüger, besser, lebenserfahrener er ist als seine Frau.


    Sämtliche Männer aus Karolas Umfeld scheinen in sie verliebt. Pastor Werners Eifersucht entfacht aber weniger ihr Ehemann als der ständige Besucher in Dumala, Baron Rast. Werner beginnt, die beiden zu belauern und zu überwachen, kann jedoch nicht verhindern, dass sie gemeinsam fortgehen.


    Präzise formuliert der Autor die wechselnden Gefühle, die Sehnsüchte und inneren Kämpfe seiner Hauptfigur. Draußen entspricht drinnen: Dezemberkälte, Frost, Schnee und Eis, und die meisten Episoden spielen am Abend, in der Dämmerung, der Nacht. Zwei im Grunde lieblose Ehen, die des Pastors und die des Baron, wirken zunächst wie eine Spiegelung, die vom Unfassbaren aufgebrochen wird, als Karola Dumala und ihren Mann verlässt. Und in gewisser Weise auch Pastor Werner.


    Liest man klassische Werke, in deren Zentrum eine moralische Frage steht, hilft es, einen Schritt zurückzutreten und sich sittliche Werte, Gebräuche und ungeschrieben Gesetze der Zeit aus der Distanz zu betrachten, um sie nicht in Bausch und Bogen als antiquiert und angestaubt zu verurteilen. Denn sie machen eines deutlich: Auch die Moral und Ethik der Gegenwart, unsere also, ist einer Zeitströmung unterworfen und nicht bis in Ewigkeit gültig.


    Was sicher immer bleiben wird, sind die Schmerzen unerwiderter und unerfüllter Liebe, die Wut auf denjenigen, dem das geschenkt wird, um das wir kämpfen, und die Zerrissenheit existenzieller Entscheidungen.

    Genauso die Zeiten überdauernd ist die Erkenntnis, dass auch die größte Liebe irgendwann ihren Zenit überschritten hat und ohne Gemeinsamkeit versandet und man sich vor allem auf eines verlassen kann: Die eigene Einsamkeit.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Keyserling, Eduard von - Dumala“ zu „Eduard von Keyserling - Dumala“ geändert.