Das Buchcover (rote Rose, eingefasst von einem undefinierbaren Gebilde glasartiger Struktur) und der Titel „Sie träumte von Liebe“ lassen an einen romantischen Liebesroman ohne tiefere Bezüge denken.
Doch Vorsicht! Der erste Eindruck täuscht.
Christina Bartel beschreibt in ihrem 400-Seiten-Roman das Leben einer jungen Amerikanerin in der Zeitspanne zwischen dem zwanzigsten und
dreißigsten Lebensjahr, wie es dramatischer kaum hätte verlaufen können.
Als Kind wohlhabender Eltern, die stets im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, sieht sich Joan in ihrer Persönlichkeitsentwicklung eingeschränkt und zieht wie auch ihr Bruder Brian von New York nach Los Angeles, um dort ihr eigenes und auch selbstfinanziertes Leben zu finden.
Ihre Welt gerät völlig aus den Fugen, als ihr Freund bei einem Autounfall stirbt und sie selbst schwer verletzt über einen Monat im Koma liegt.
Vor allem durch den unerschütterlichen Glauben ihres Bruders an ihren Lebenswillen, der sich während dieser vier Wochen intensiv um seine
Schwester kümmert, mit ihr spricht und ihre Lieblingsmusik spielt, erwacht sie wieder, macht körperliche Fortschritte bei ihrer Genesung, verfällt aber in Depressionen und zieht sich immer mehr in sich selbst zurück.
Wieder ist es ihr Bruder, der aus beruflichen Gründen für einige Zeit mit seiner Freundin nach Mailand zieht und durch sein Angebot sie
dorthin zu begleiten, ihr die Möglichkeit bieten möchte, neuen Lebenswillen zu entfalten.
Ganz langsam gelingt es Joan, sich aus ihrer inneren Isolierung zu befreien und den Blick wieder nach außen zu wenden.
Gerade, als sich der Leser in seinen Erwartungen darauf einstellt, wie sich Joans Befreiung aus ihrem traumatischen Erlebnis weiter entwickelt, schlägt das Schicksal zum zweiten Mal zu, und es wird nicht das letzte Mal sein.
So sehr Joan sich in ihrer ganzen Lebendigkeit immer wieder ihrem Bruder und ihren Freunden zuwendet, so sehr zieht sie sich schroff zurück, wenn sie in eine Situation gerät, von der sie glaubt, sie alleine bewältigen zu müssen, da sie ihre Probleme anderen nicht zumuten könne.
Nach einem Selbstmordversuch Joans, die mittlerweile wieder in den USA Fuß zu fassen versuchte, gelingt es Nicholas, dem Onkologen und
Freund Brians mit äußerster Behutsamkeit Joans Barrieren Schritt für Schritt zu überwinden und sie aus ihrer noch tieferen Depression herauszuholen.
Wie Brian, glaubt er an den Lebenswillen, der in ihr schlummert, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst ist.
Die Darstellung des Geschehens verläuft chronologisch, ohne Vor- und Rückgriffe, und ermöglicht es dem Leser, in die Romanwelt einzutauchen. Die Charaktere der Figuren werden anschaulich und nachvollziehbar herausgearbeitet, so dass auch tiefere Persönlichkeitsschichten hervortreten.
Mir hat der Roman gerade wegen der Ambivalenz Joans gut gefallen, von der Nicholas am Ende sagt: „Du gabst vor, sterben zu wollen, aber
deine Augen haben mir etwas anderes gesagt.“