Volker Kutscher - Goldstein

  • Kurzmeinung

    Mojoh
    Solider dritter Teil der Reihe. Die Charaktere entwickeln sich weiter und der Fall ist interessant.
  • Inhalt: Der amerikanische Gangster und vermutliche Aufragskiller Abraham Goldstein kommt nach Berlin und Kommissar Rath wird darauf angesetzt Goldstein zu beschatten, damit dieser keinen Mord begehen kann.
    Gleichzeitig kommt bei einem Einbruch ein Junge zu Tode und wie seine Komplizin gesehen hat, ist einer der Polizisten Schuld an seinem Tod und vermutlich war diese Tat auch Absicht. Neben diesen Vorfällen gibt es zudem Bandenkämpfe in Berlin, sowohl zwischen den Berliner Ringvereinen, wie auch den Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten.
    In allen diesen Problembereichen müssen Rath und seine Kollegen ermitteln und auch Charly, Raths Freundin, wird durch ihre Tätigkeit als Juristin in diese Ermittlungen verwickelt, denn sie trifft zufällig auf einen der Beteiligten. Raths größtes Problem ist jedoch Goldstein, denn der ist weniger leicht zu bewachen, als zunächst erhofft.


    Meinung: Die Zeit zwischen den Weltkriegen wird durch die Geschichte richtig lebendig. Neben den vielen technischen Unterschieden zur heutigen Zeit, sind insbesondere die Einstellungen und Meinungen der damaligen Zeit richtig gut herausgearbeitet. Man kann zum Beispiel den Respekt vor der Polizei sowie das Unverständnis für alleinlebende und in ehemals männlichen Berufen arbeitende Frauen geradezu greifen.
    Ein wenig verwundert hart mich jedoch, wie dumm an manchen Stellen die Polizisten wirken, da ihnen sowohl Verdächtige, als auch Zeugen einfach weglaufen und sie oft auf naheliegende Schlüsse nicht kommen. Insbesondere der Protagonist Rath verhält sich oft eigentümlich und schafft es oft nicht wirklich Schlussfolgerungen aus seinen Beobachtungen zu ziehen. Der am logischsten und durchdachtesten agierende Charakter ist eindeutig Goldstein, der auch sehr facettenreich vom Autor gezeichnet wurde und daher etwas sehr plastisches und realistisches hat.
    Zudem werden ein paar persönliche Probleme der Charaktere angesprochen, die nie wirklich gelöst werden, sondern manchmal eher einfach wegzufallen scheinen, wodurch unter anderem auch das Ende sehr offen wirkt und man manche Lösungen vermisst. Da es sich jedoch um eine Reihe handelt, ist zu hoffen, dass diese Lösungen in anderen Teilen noch nachfolgen.
    Alles in allem handelt es sich bei "Goldstein" jedoch um einen soliden Krimi, der vor allen Dingen die Atmosphäre der Zeit sehr gut aufgreift und einen spannenden Fall bietet, bei dem jedoch die Bösen eindeutig klüger wirken, als die Polizei.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.

  • Der amerikanische Gangster Abe
    Goldstein kommt nach Berlin und Gereon Rath erhält den Auftrag ihn zu
    beschatten. Zur selben Zeit gibt es Tote bei den Berliner Ringvereinen, handelt
    es sich da um Revierkämpfe? Ist Goldstein deshalb in Berlin oder was will er
    hier?


    Charlie, Gereons Freundin, leistet derweil ihren juristischen
    Vorbereitungsdienst beim Amtsgericht b und lernt dort die 18jährige Alex
    kennen, eine Kleinkriminelle, die sich u. a. mit raffinierten Kaufhausraubzügen
    durchschlägt. Bei einem solchen wird Alex‘ Freund Benny getötet und es scheint
    fast, dass ein Polizist dabei seine Hände im Spiel hat. Alex gelingt es aus
    Charlies Obhut zu fliehen und diese setzt nun alles daran, sie wieder zu
    finden, auch zu Alex‘ eigenem Schutz, denn auch andere sind hinter ihr her.


    Kutschers dritter Band um Gereon Rath ist wieder angesiedelt in mitten
    historischer Ereignisse. Das ist es auch einer der Gründe, die diese Romane so
    interessant machen. Der aufkommende Nationalsozialismus und der Terror, der
    dahinter steckte, sind in diesem Band sehr stark erlebbar. Durch die Figur des
    Abe Goldsteins, eines Juden, wird auch die Stellung der jüdischen Bevölkerung
    mehr thematisiert, zumal dieser auch noch Familie in Berlin hat, an der der
    Autor sehr schön die unterschiedlichen Strömungen jüdischen Lebens darstellt,
    auf der einen Seite die sehr stark religiös Geprägten, auf der anderen Seite
    die eher weltlich Orientierten.


    Der Autor erzählt die Geschichte in verschiedenen Ebenen. Direkt zu Beginn
    erlebt man mit Alex und Benny den schicksalshaften Kaufhausraubzug, daneben
    verbringt der Leser/die Leserin viel Zeit mit Charlie und auch mit Abe
    Goldstein. Gereon Rath tritt in diesem Buch deutlich in den Hintergrund. Das
    irritiert zunächst etwas, passt aber sehr gut zum Geschehen, denn Rath ist
    nicht überall dabei, wo interessante und handlungsrelevante Dinge passieren. So
    kann die Leserschaft alles aus erster Hand miterleben. Der Liebesgeschichte
    zwischen Charlie und Gereon wird wieder relativ viel Platz eingeräumt. Zum Ende
    gibt es eine Wendung, die gespannt auf den nächsten Band macht.


    Auch wenn dieser Roman für mich der schwächste Rath-Band ist, vergebe ich hier dennoch
    die Höchstnote (mit kleinen Abstrichen), allein dafür, wie Kutscher historische
    Persönlichkeiten (z. B. unter dem Personal der Kriminalpolizei) und historische
    Geschehnisse in seine Romane – auch in diesem hier – integriert, hat er die
    Bestnote verdient. Außerdem ist dem Autor auch hier eine interessante
    Geschichte gelungen, die es sich zu lesen lohnt. Auch dieses Mal wurde ich
    wieder zum Googeln angeregt und habe einige neue interessante Dinge erfahren
    (z. B. über den einäugigen Hanomag), für mich ist es generell ein
    Qualitätsmerkmal, wenn ich durch einen historischen Roman etwas Neues
    hinzulernen konnte.


    Kutschers Charaktere sind bis in die Nebenrollen sehr gut ausgearbeitet – und sie
    sind alle Kinder der Zeit, ob im guten oder im schlechten. Viele Figuren kennt
    man nun schon seit dem ersten Band und erlebt auch Entwicklungen mit. Ich hoffe
    noch auf viele weitere Romane über Gereon Rath und seine Mitstreiter und über
    das Berlin der 30er Jahre.

  • Im Vergleich zu den beiden Vorgängern ("Der nasse Fisch "und "Der stumme Tod") fiel dieser Krimi ab, was ich schon daran merke, dass ich mich im Gegensatz zu den beiden anderen Büchern, die ich ja vorher gelesen habe, an "Goldstein" kaum erinnern kann.


    ich teile aber die Aussage, dass es sich über einen soliden Krimi handelt. Und die Methoden und Möglichkeiten der damaligen Polizei sind eben nicht mit den heutigen vergleichbar, das finde ich neben den politischen Zwängen und Ränkespielen gerade reizvoll.


    Grüße von missmarple

  • Mir hat der Roman wieder gut gefallen. Ich mag die Atmosphäre der Zeit und wie Volker Kutscher diese rüber bringt. :thumleft:


    Ich fand es nur schwierig zu erkennen, bei wem ich gerade bin. Ein Name über den Kapiteln hätte mir das Lesen erleichtert.:wink:

  • Inhalt

    Auf der Flucht vor der Polizei kommt in Berlin 1931 ein jugendlicher Kaufhauseinbrecher ums Leben. Seine flüchtige Komplizin Alex (deren Bruder eine Rolle im ersten Band "Der nasse Fisch" spielte) sinnt auf Rache. Die beiden Straßengören waren ahnungslos zwischen die Fronten eines politisch motivierten Bandenkriegs in der Reichshauptstadt geraten. Gereon Rath von der Kripo Berlin ist gerade mit der Observierung eines US-amerikanischen Gangsterbosses beschäftigt. Die Auseinandersetzungen zwischen mafiös organisierten kommunistischen Ringvereinen und deren Gegenspielern lassen befürchten, dass Berlin zum Schauplatz eines Unterweltkrieges mit politischem Hintergrund werden könnte. Weil Rath einem einheimischen Gangsterboss einen Gefallen schuldet, manövriert er sich mal wieder in berufliche Schwierigkeiten. Als Charly, Raths derzeitige Freundin und vermutlich demnächst auch seine Kollegin, mit der flüchtigen Kaufhauseinbrecherin zusammentrifft, kreuzen sich die Wege der Beteiligten.


    Gereon Rath zeigt sich als cholerischer, legalen und illegalen Genußmitteln zugeneigter Zeitgenosse, der zu beruflichen Alleingängen neigt. Rath unternimmt mal wieder Recherchen, zu denen er offiziell nicht beauftragt ist; eine Konstruktion, die in diesen Band für besondere Spannung sorgt. Volker Kutscher verknüpft in "Goldstein" mehrere Handlungsfäden zu einem spannenden historischen Krimi vor dem Hintergrund der Weimarer Republik. Von homsosexuellen Mitgliedern der SA bis zu den Lebensbedinungen der kleinen Leute werden die verschiedensten sozialen und politischen Fragen aufgeworfen. Kollege Tornow, ein Aufsteiger aus dem Streifendienst, verkörpert neben Raths Freundin Charly, die sich als erste Akademikerin für den Höhreren Polizeidienst interessiert, beginnende Veränderungen in den bürgerlichen Strukturen des Höheren Polizeidiensts. Durch Charly in der Funktion der halbofiziellen Ermittlerin werden zugleich die Lebensbedingungen der Berliner "Straßengören" deutlich. Interne Ermittlungen wegen Gewalttaten durch Polizeibeamte im Dienst zeigen, mit welch extremen politischen Strömungen Berliner Polizisten sympathisieren, die (noch) einem Dienstherrn jüdischer Herkunft loyal zu dienen hätten.


    Fazit

    "Ich bin einer von den Guten," beruhigt Rath in einer Szene Alex. Ob Gereon Rath tatsächlich wie ein korrekter preußischer Polizeibeamter handelt, sorgt stets für Spannung in Kutschers Krimireihe. In "Goldstein" zeigt Volker Kutscher vielfältige Facetten des Alltags während des Nationalsozialismus. Die gegensätzlichen Milieus, in denen Rath und Charly sich bewegen, wie auch die zusätzliche Perspektive, die Charly als Beinahe-Ermittlerin in die "Burg" der Berliner Kriminalpolizei einbringt, haben mich an einem gemütlichen Lesewochende perfekt unterhalten.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Ravik Strubel - Blaue Frau

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Gereon Rath ist mal wieder nicht gerade begeistert von seinem Job. Statt in einer Mordsache zu ermitteln, langweilt er sich auf einem schicken Hotelflur, wo er ein Auge auf den US-Gangsterboss Abe Goldstein haben soll, der zu seinen Berliner Wurzeln zurückgekehrt ist. Warum, weiß keiner so recht, also soll er vorsichtshalber observiert werden.


    Währenddessen haben Raths Kollegen einiges zu tun: ein jugendlicher Einbrecher ist am KaDeWe unter seltsamen Umständen zu Tode gekommen, die Rolle der Polizei dabei ist bestenfalls unklar. Ein Unbekannter hat einen SA-Mann am Rande eines Parks erschossen, und es sieht nicht nach den anno 1931 leider üblichen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nazis aus. Und auch in der Berliner Unterwelt geht es rund, wo sich rivalisierende kriminelle Vereinigungen erbittert bekämpfen und die ersten Todesopfer zu beklagen sind.


    Charlotte Ritter, deren Beziehung zu Gereon immer noch stürmischen Aufs und Abs unterworfen ist, versucht sich inzwischen einer jungen Frau von der Straße anzunehmen und ahnt nicht, welche Kreise das ziehen wird.


    Auch in diesem Band gilt wieder das Motto "Es ist kompliziert", egal ob zwischenmenschlich oder bei den Ermittlungen. Der Fall oder vielmehr die ineinander verschlungenen Fälle, die im Mittelpunkt stehen, sind vielschichtig und geprägt von der politischen Großwetterlage mit dem Aufkommen der Nazis. SA-Aufmärsche sind bereits an der Tagesordnung in Berlin, das Klima ist explosiv, Antisemitismus salonfähig, was auch Abe Goldstein spürt, der zwar kein praktizierender Jude mehr, aber in der jüdischen Tradition großgeworden ist.


    Wie der ins Gesamtbild zwischen den kriminellen "Ringvereinen", SA-Schlägern, jugendlichen Herumtreibern und internen Verstrickungen bei der Polizei passt, scheint zunächst genauso rätselhaft wie die Frage, wie diverse andere Dinge miteinander in Zusammenhang stehen - doch wer bereit ist, sich auf eine Vielzahl an Figuren, Schauplätzen, Milieus und Motiven einzulassen, wird mit einer komplexen und hochspannenden Lektüre vor der faszinierenden Kulisse des Molochs Berlin belohnt.


    Für mich immer noch eine der besten deutschen Krimiserien, nicht zuletzt wegen der oft ambivalenten Charaktere und der authentisch wirkenden Darstellung der Zeit, in der sie leben.