Thomas Hettche - Die Liebe der Väter


  • Wenige Wochen ist es erst her, da hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen, die den Autor des vorliegenden, für den Deutschen Buchpreis nominierten Romans sicher gefreut hat: Lag das Sorgerecht für ein nichteheliches Kind bisher grundsätzlich allein bei der Mutter, so hat das Gericht in einem wegweisenden Urteil die Rechte lediger Väter gestärkt.

    Doch die Rechtslage ist in dem vorliegenden Roman nur ein nebensächlicher Aspekt. Hauptsächlich geht es in dem Fall, den Thomas Hettche engagiert beschreibt, um viel mehr. Vor allem darum, wie ein Vater und seine Tochter sich einander zugehörig fühlen und sich dennoch über lange Jahre fremd bleiben.

    Das Buch beginnt mit so einer Szene. Der Vater und Tochter Annika, mittlerweile 13 Jahre alt, befinden sich auf einer Fahrt nach Sylt. In ihrer pubertären Art teilt sie sich nur noch schroff dem Vater mit. Vater und Tochter haben es schwer miteinander, ringen um das, was sie füreinander fühlen, was sie füreinander sein wollen. Und während sie sprechen, durchaus zugewandt, wird das ganze Familiendrama deutlich.

    Begonnen hatte es, als Annika zwei Jahr alt war und ihre unverheirateten Eltern sich trennen. Danach beginnt ein Familienkrieg um Unterhaltszahlungen und Besuchstermine. Es geht um Macht und um nichts sonst. Die Mutter nutzt ihre rechtliche Stellung brutal aus, und das Kind wird zu einem Pfand ihres Hasses auf ihren ehemaligen Partner. Der darf zahlen und hat ansonsten nichts zu melden.

    Während des schon erwähnten Urlaubs zwischen den Jahren auf Sylt wird die ganze Dramatik offenbar. Verdrängte Gefühle bahnen sich ihren Weg nach oben und außen. Thoma Hettche versteht es meisterhaft eine Sprache zu finden, die zwischen der Schilderung kompletter Sprachlosigkeit und der Beschreibung überwältigender Gefühle changiert.

    Der Fall an sich ist sehr überzeichnet dargestellt. Die Mutter ist nur böse, der Vater der Gute. Doch als diese am Ende eine Erkenntnis ausspricht, wird auch für Leser mit „normalen“ Eltern-Kind-Beziehungen klar, worum es immer geht: „Erst unser Versagen gegenüber unseren Kinder richtet sie für das Erwachsenwerden her.“ Wie wahr. Nur: es muss ja nicht immer ein solch großes Versagen sein wie in dem Fall der in diesem Roman geschilderten Eltern.

    Ein Buch, das ein bisher fast totgeschwiegenes Thema aktualisiert, Möge es neben allen Urteilen dazu beitragen, dass die Rolle der Väter in nichtehelichen Beziehungen( sie nehmen nicht nur im Osten unseres Landes immer mehr zu) bewusster wird und ihre Rechte gestärkt werden.

  • Mit seiner 13jährigen Tochter Annika fährt Peter zum Jahreswechsel für ein paar Tage nach Sylt, um dort gemeinsam mit Freunden ein bisschen auszuspannen und Silvester zu feiern. Mit Annika, die er über alles liebt und doch kaum kennt, weil sie bei ihrer Mutter Ines lebt, mit der er seit über zehn Jahren heillos zerstritten ist. Er wäre ihr so gerne ein zugewandter, liebevoller Vater, findet aber nur schwer einen Zugang, nicht zuletzt, weil Ines' Lebenswelt so ganz anders ist als seine eigene.


    Peter hat gehofft, Annika auf der Insel seiner Kindheit nahezukommen, doch er ist rasch ernüchtert. Annika bleibt auch während des Urlaubs schwer fassbar, freundet sich mit seltsamen Zwillingsmädchen an, gibt sich stachelig und bockig und macht, was sie will, kurz, sie benimmt sich wie ein typischer Teenager, während Peter sich fragt, wie er nur an sie herankommen soll, und trotz all seines guten Willens dabei oft genug mehr falsch als richtig macht, was schließlich auch noch zu Knatsch mit seinen Freunden führt.


    Nicht nur, was das Verhältnis zu seiner Tochter angeht, scheint Peter permanent zu schwimmen. Er zweifelt auch an der Sinnhaftigkeit und Zukunft seines Berufs als Verlagsvertreter, er ist Single, und auch die Beziehung zu den beiden befreundeten Pärchen ist eher vage und nicht sonderlich tief, eigentlich sind es bis auf Susanne, die er schon seit seiner Schulzeit kennt, eher Bekannte als echte Freunde und Peter eine wandelnde Midlifecrisis.


    Die kleine Blase, in der die Urlaubsgemeinschaft auf Sylt zu Beginn zu leben scheint, erweist sich dann auch nicht als tragfähig, als sich sowohl die zwischenmenschlichen Ereignisse als auch die Wetterlage zuspitzen.


    Die erste Hälfte des Buches hat mir gut gefallen als Psychogramm eines Mannes voller Zweifel und Bedauern und auch, weil hier der Fokus einmal auf getrennt lebende Väter gelegt wird, für die es wie hier oft sehr schwierig ist, am Leben ihres Kindes teilhaben zu können. Später schaukeln sich die Geschehnisse für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr auf und führen zu arg verschwurbelten Diskussionen zwischen den erwachsenen Protagonisten, die mich nicht so recht überzeugen konnten, wobei mir der Schluss dann durchaus wieder gefallen hat.

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Thomas Hettche, Die Liebe der Väter“ zu „Thomas Hettche - Die Liebe der Väter“ geändert.