Elizabeth George - Glaube der Lüge/ Believing the Lie

  • Wieder offiziell im Dienst, wird Thomas Lynley in den Lake District beordert, um sich den Tod eines Mannes im besten Alter näher anzusehen, der auf den ersten Blick ein Unfall war. Der Industrielle Bernard Fairclough ist jedoch der Ansicht, dass jemand nachgeholfen haben könnte, seinen Neffen ins Jenseits zu befördern, und da Lynleys Vorgesetzter, Sir David Hillier, in den gleichen gesellschaftlichen Kreisen verkehrt, tut er dem Sanitärbedarfmagnaten den Gefallen, eine genauere Untersuchung anzuordnen.


    Was Lynley im beschaulichen Lake District vorfindet, ist eine reichlich verquere Familiensituation, jede Menge Eifersucht, angestauter Hass und verworrene Verhältnisse. Und einen ehrgeizigen aufstrebenden Klatschreporter auf der Jagd nach DER Story über die Faircloughs, von der sein Überleben bei einem der größten Tratschblätter Englands abhängt, nachdem für den Redakteur die Geschichte über die wundersame Wandlung des schwarzen Schafs der Familie vom Drogensüchtigen zum Philanthropen nicht saftig genug war.


    Das Schwierigste an diesem Fall ist jedoch für Lynley, dass Hillier ihn zum Stillschweigen über den Auftrag verdonnert hat und er nicht mit seiner direkten Vorgesetzten und Quasi-Geliebten Isabelle Ardery darüber reden darf ...


    Der neueste Band um Lynley und Havers hat gottlob wieder die komplette Besetzung an Bord, die Scotland-Yard-Meute genauso wie die St. Jameses (wobei selbst ich, die sie immer verteidigt hat, diesmal definitiv zugeben muss, dass Deborah schon manchmal ein bisschen spinnt, aber dafür mag ich ihren Mann umso lieber). Diesmal ist Lynley in halb inoffizieller Mission unterwegs und stochert im Leben eines Familienclans herum, bei dem durch die Bank alle irgendwie einen an der Klatsche haben, teils nachvollziehbar, teils ziemlich psycho.


    Das liest sich wie immer recht sprachgewaltig und detailverliebt. Die Einblicke in die Lebenswelten von Lynley und Havers fand ich wie immer gut gelungen. Was den Kriminalfall angeht, gibt es im Mittelteil ein paar Längen und ich wollte schon anfangen, mich zu ärgern, als das Ganze noch mal eine völlig neue Wendung nahm, die mich die letzten 150 Seiten atemlos hat verschlingen lassen und mich mit dem Buch absolut versöhnt hat.


    Am Ende gibt es noch einen fetten Cliffhanger in Sachen Privatleben, der mich sehr neugierig auf den nächsten Band gemacht hat.


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  • Oh, danke. Ich wusste nicht, dass die deutschen Daten schon vorliegen, sorry.

  • Zum Inhalt


    Der Neffe von Bernard Fairclough, seines Zeichens Inhaber einer Firma für Sanitärbedarf, ist im Bootshaus des Familienanwesens im Lake District tot aufgefunden worden, als Todesursache wurde ein Unfall genannt. Bernard Fairclough, der mit Lynleys oberstem Vorgesetzten Sir David Hillier befreundet ist, bittet diesen, einen guten Ermittler von New Scotland Yard inkognito in den Lake District zu entsenden, weil er offenbar Zweifel an der Unfallhypothese hat. Für diesen Auftrag wird Lynley ausgewählt, Simon und Deborah St.James begleiten ihn, um ihrerseits in der recht großen Familie Fairclough herumzuschnüffeln. Schnell stellt sich heraus, dass einige Familienmitglieder etwas zu verbergen haben und dass mehr als einem von ihnen der Tod des Neffen/Cousins Ian Creswell, der für die Finanzen der Firma zuständig war, gelegen kam.
    Da ist der einst missratene, doch jetzt geläuterte Sohn Nicolas Fairclough, der seine Drogen- und kleinkriminelle Karriere beendet hat, sich in der Firma durch die Abteilungen hocharbeitet und mit der bildhübschen Argentinierin Alatea verheiratet ist, die ihrerseits Geheimnisse hat. Da sind die Töchter von Bernard Fairclough: Manette war einst in ihren Cousin Ian verliebt, sie hat aber, da ihre Gefühle nicht erwidert wurden, Freddie Mc Ghie geheiratet. Inzwischen ist sie von ihm geschieden, Freddie arbeitet aber weiterhin für die Firma. Ein richtiges Ekel ist Manettes Zwillingsschwester Mignon, die sich als stärker behindert ausgibt, als sie es nach einem Unfall in Kinderjahren in Wirklichkeit ist und die alle bespitzelt und zu ihrem Vorteil auszunutzen versucht. Könnte es unter diesen Personen Neider in der Firma gegeben haben?
    Doch auch das Privatleben des Verunglückten bietet Sprengstoff: er hat seine egozentrische Frau Niamh und seine Kinder Tim und Gracie verlassen, um mit dem Pakistani Kaveh zusammenzuleben. Niamh hat ihren Mann für diese Demütigung gehasst, sein Sohn Tim ist völlig verstört und verhaltensauffällig geworden. Kaveh selbst profitiert ebenfalls von Ians Tod, denn er erbt das Cottage, in dem er mit seinem Liebhaber zusammengelebt hat.
    Angesichts dieser komplizierten Familienverhältnisse haben Lynley, Simon und Deborah keine leichte Aufgabe vor sich, die noch durch das Auftauchen des Skandalreporters Zed Benjamin erschwert wird. Für sein Revolverblatt Source soll er in der dubiosen Vergangenheit von Nicholas Fairclough herumbuddeln und Schmutz zutage fördern. Es gelingt ihm, sich an Deborah, die wieder mal durch ihre Besserwisserei und Einmischung für zusätzliche Probleme sorgt, zu heften. Diese verhängnisvolle Zusammenarbeit richtet viel Schaden an...
    Barbara Havers unterstützt Lynley von London aus, was ihr Schwierigkeiten mit Lynleys direkter Vorgesetzter und heimlichen Geliebten Isabelle Ardery einbringt, da letztere nicht in die inoffiziellen Ermittlungen eingeweiht ist.


    Beurteilung


    Auf dem Cover wird "Glaube der Lüge" als "Ein Inspector-Lynley-Roman"bezeichnet und das trifft ins Schwarze: das Buch ist eher ein Roman als ein Krimi. Die Ermittlungen gehen relativ langsam vonstatten und es kommt keine große Spannung auf. Dennoch habe ich diesen Roman keineswegs als langweilig empfunden, denn er spricht eine Menge zeitgenössischer gesellschaftlicher Probleme an: zerrüttete Ehen und vernachlässigte Kinder, verborgene wie auch geoutete Homosexualität, Kinderpornografie, die ethischen Probleme der modernen Fortpflanzungsmedizin und nicht zuletzt den widerlichen Boulevard-Journalismus, der die genannten Themen schamlos ausschlachtet. Die diversen Geheimnisse, die die Hauptfiguren hüten, laden den Leser zum Miträtseln ein. Gleichzeitig verfolgt er die Entwicklung der persönlichen Geschicke von Lynley, dem Ehepaar St.James und Barbara Havers. Das ist sehr interessant, sofern man die vorherigen Bände gelesen hat und mit der Vorgeschichte der "Stammbesatzung" vertraut ist. Für einen Neueinsteiger würde ich dieses Buch jedoch weniger empfehlen, weil es dann schwierig wäre, der Handlung vollständig zu folgen.
    Der Erzählstil von Elizabeth George hat mich, wie in fast allen ihren Büchern, flüssig unterhalten, war stellenweise allerdings ziemlich derb und vulgär: hier wäre weniger mehr gewesen.
    Für eingefleischte Lynley-Fans, die auch einen Roman ohne steilen Spannungsbogen zu schätzen wissen, gebe ich eine Leseempfehlung.
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    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
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    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich bin eingefleischter Inspector-Lynley-Fan und habe alle Romane verschlungen.


    Seit dem Tod seiner Frau Helen weichen die Fälle von Inspector-Lynley etwas von der klassischen Schiene der polizeilichen Ermittlung ab. Das einschneidende Erlebnis hat seine Rolle bei Scotland Yard geändert und Elizabeth George trägt diesem Umstand auch in dem neuen Roman Rechnung.


    Der Fall ist schon vorher ausführlich beschrieben worden, so dass ich darauf nicht weiter eingehen muss. Es ist jedenfalls spannend bis zum Schluss und ich liebe die vielen Fallstricke die während des Lesens immer wieder für neue und unerwartete Wendungen sorgt.


    Ich lese nicht zuletzt auch die Romane um die Entwicklunge der Beziehungen um Inspector Thomas Lynley, Barbara Havers und dem Ehepaar St. James zu verfolgen und kann es kaum erwarten zu sehen, wohin die Reise führt.


    Ich kann dieses Buch nur empfehlen :cheers:

    :flower: Das Leben findet immer einen Weg und blüht pötzlich da wieder auf, wo man es am wenigsten erwartet.

  • Das klingt ja sehr vielversprechend, und ganz so, als hätte Elizabeth George zu ihrer alten Qualität zurückgefunden. Die letzten Bände der Lynley/Havers-Reihe fand ich nämlich eher nicht so richtig prickelnd - um es mal vorsichtig auszudrücken. Ich setze meine Hoffnungen ganz in die Zuverlässigkeit des Christkindes und darauf, das Buch unterm Baum zu finden... O:-)

  • Mein Fazit: Ich mag diese Reihe einfach :D Auch dieser Band war wieder voller Rätsel und Geheimnisse und es hat immens Spaß gemacht, ihnen auf den Grund zu gehen. Die Leiche in Cumbria, um dessen Tod sich Insp. Lynley dieses Mal incognito kümmern muss, bringt viele Wahrheiten ans Licht, die das Gefüge einer ganzen Familie fast auseinander brechen lassen.

    Mit Lügen zu leben scheint oft auf den ersten Blick einfacher und doch ergeben sich dadurch immer mehr Probleme, vor denen man irgendwann nicht mehr flüchten kann ... diesen Aspekt hat die Autorin hier mit vielen Facetten zum Ausdruck gebracht.

    Was ich allerdings merke ist, dass Elizabeth George in manchen Dingen, gerade wenn es um Männer und Frauen und ihre Standpunkte in Beziehungen geht, manchmal schon etwas "altmodisch" wirkt. Da klingt wahrscheinlich einfach die ältere Generation durch und stellt die Figuren an manchen Stellen ein bisschen altbacken und nicht zeitgemäß dar. Dafür greift sie aber durchaus auch aktuelle Konflikte auf und integriert sie gelungen, auch wenn etwas weniger vielleicht mehr gewesen wäre.

    Lynley selbst macht eine tiefgehende Weiterentwicklung durch, auch wenn sie nur langsam vonstatten geht, ebenso wie seine Freunde St James und Deborah, die ihr Problem mit dem Kinderwunsch in den Griff zu bekommen versuchen.

    Aber auch Lynleys Kollegin Barbara Havers hat zum einen mit ihrer unsympathischen Vorgesetzten zu kämpfen und auch ihr Verhältnis zu ihrem Nachbarn steht vor einer neuen Wende.

    Alles wurde wieder gut verpackt und gut ineinander aufgebaut - Spannung gab es genug und vor allem immer mit fiesen kleinen Cliffhangern am Ende der Kapitel.


    4 Sterne von mir