Eduard von Keyserling - Schwüle Tage

  • Eine sehr einfühlsame Novelle!


    Der junge Graf Bill hat sein Abitur nicht bestanden, und darf aus diesem Grund nicht wie üblich die Sommerferien am Meer verbringen, sondern muss mit seinem Vater aufs Land zum Familiensitz reisen. Dort angekommen wird Bill angewiesen zu büffeln, er bekommt einen Zeitplan für seine Studien, aber immer wieder wird dieser Plan von Familienbesuche bei den Cousinen unterbrochen. Bill hat ein Auge auf seine Cousine Gerda geworfen, und seine ältere Cousine Ellita ist verlobt mit Went. Doch irgendwie scheint es mit seiner Liebelei und die des anderen Paares nicht rund zu laufen – Bill macht eine folgenschwere Entdeckung!


    Die Novelle schildert den Übergang vom Kind zum Mann, aber leider nicht im Sexuellen, sondern mit einem Schlag wird unser Protagonist erwachsen, er ist geprägt und wird diese Prägung sein Leben lang innehalten. Und dieses Geschehnis wird sehr einfühlsam vom Autor dargestellt. Es ist ein Sommer voller Erkenntnisse, die man nicht so schnell vergessen wird! Brillant erzählt!


    Eduard von Keyserling (1855–1918 ) stammt aus altem baltischen Geschlecht, studierte Kunst und Jura und begann zugleich mit dem Schreiben. Als freier Schriftsteller lebte er zunächst in Wien, später in Italien und München, wo er zeitweise der Schwabinger Boheme angehörte. Durch eine Krankheit erblindet, vereinsamte Keyserling in den letzten Jahren seines Lebens zunehmend. (Quelle Amazon)


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Neuausgabe eines anderen Romans von von Keyserling: "Beate und Mareile. Eine Schlossgeschichte"


    http://www.deutschlandfunk.de/…ml?dram:article_id=282257

  • Eine kurze und empfehlenswerte Lektüre mit viel Gefühl und Deutungsmöglichkeiten. Eine Vater-Sohn-Geschichte mit reichlich emotionaler Verwirrung auf einem inselartig abgeschotteten Landgut. Die Sprache, der Erzählstil gefiel mir sehr gut: einfühlsam werden die Personen skizziert, schwelgerisch die Landschaft beschrieben. Es geht um Empfindungen, Sinneseindrücke, um Subjektivität. Ein Klassiker der Impressionisten sozusagen. Die Geschichte wird aus Sicht des Heranwachsenden erzählt, und dem entsprechend gibt es für den Leser verschiedene Interpretationen. Erst allmählich erschließt sich dem Leser die Verwicklung, die Beobachtungen werden nicht erklärt, der unerfahrene Erzähler ist sich im Unklaren, was er hier beobachtet.


    Als Leser muss man sich eben darauf einlassen, die poetische Sprache und den Sommer auf dem Land genießen. Man kann die Geschichte gerne als schleichenden Niedergang des Adels verstehen. Für mich stand mehr die Vater-Sohn-Beziehung im Vordergrund. Der zu Beginn abweisende, gefühlskalt wirkende Vater erfährt in den Augen seines Sohnes eine komplexe Entwicklung, die ich spannender fand als den Hochmut der Großgrundbesitzer und das Leben der Landarbeiter.