Robert Bober, Wer einmal die Augen öffnet, kann nicht mehr ruhig schlafen

  • „Affektive Erinnerung. Unfreiwillige Erinnerung. Ich wurde von Erinnerungen heimgesucht, die ich vergessen glaubte. Wohin ich mich auch wende, sie rufen einander. Sie dringen durch eine Art Bresche ein und tauchen wieder auf. Und ich weiß zugleich, dass ich mich noch so sehr bemühen kann, nichts zu verlieren, es wird nicht alles wiederauftauchen. Auch wenn manchmal Bruchstücke, manchmal Fetzen erscheinen – es wird immer eine Zeit geben, zu der ich keinen Zugang habe.
    Im Unmittelbaren des Heutigen, im Durcheinander dessen, was geschieht, so wie es mir erscheint, gehört nicht alles, was ich finden werde, was mich interessieren wird, notwendigerweise zu meiner Geschichte. Werde ich, indem ich in die Vergangenheit der anderen tauche, etwas über meine eigene Vergangenheit entdecken?“

    So reflektiert der Ich-Erzähler dieses wunderbaren und berührenden Romans von Robert Bober der junge Bernard Appelbaum seine Suche nach seinen Wurzeln. Anfang der sechziger Jahre bekommt er in Paris eine Statistenrolle in Truffauts Film „Jules und Jim“. Vermittelt hat ihm die Rolle Robert Bober, der nach dem Krieg in einem Ferienlager für jüdische Kinder auch Bernhards Betreuer war.

    Nach Fertigstellung des Films geht Bernhard mit seiner Mutter ins Kino, und wartet natürlich stolz auf seine Szene. Doch er muss enttäuscht feststellen, dass die Szene in der Bar, in der er mitspielte, gestrichen wurde. Um ihn zu trösten, oder weil sie den richtigen Kairos gekommen sieht, erzählt ihm seine Mutter ihre eigene Geschichte. Denn wie in dem Film hat sie eine ganz persönliche Erfahrung einer Liebe zu dritt. Diese Liebe verband sie sie mit Bernhards Vater Yankel, der nicht aus Auschwitz zurückkam und dessen Freund Leizer, der später Bernhards Stiefvater wurde und sehr früh verstarb.

    Kaum hat seine Mutter ihm diese Geschichte erzählt, beginnt sich Bernhard auf eine rastlose Suche zu machen nach seinen eigenen Wurzeln. Eine Suche, die ihn bis nach Auschwitz führt, aber auch auf die Spuren einer bis heute verdrängten Geschichte von Krieg und Kollaboration im Paris während der Besatzung der Nazis.

    Robert Bober ist ein beeindruckender Roman gelungen, in dem er viele eigene Erfahrungen und Erlebnisse verarbeitet hat und in dem er vielen von ihm bewunderten Regisseuren, Sängern und Künstlern ein Denkmal setzt.
    Er hat literarisch gekonnt eine Rekonstruktion einer jüdischen Familiengeschichte verbunden mit einem sozialgeschichtlichen Dokumentation des Paris während des Zweiten Weltkriegs.