Irgendwie schon irre, aber da geht es mir wie dir - ich sehe das Ganze wie du, Junyper - diese künstlichen Inszenierungen beunruhigen mich. Wenn sowas so echt ist, dass man es nicht unterscheiden kann von der Wirklichkeit, dann ist das für mich einerseits auch faszinierend, aber andererseits beängstigend. Was passiert, wenn man seiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauen kann?
Ich habe den Tag über immer mal wieder daran gedacht und würde für mich meine Wortwahl noch etwas extremer fassen: Ich finde die Vorstellung nicht nur beunruhigend, sondern regelrecht beängstigend. Die Menschheit ist so gestrickt, dass sicherlich viel Böses, Manipulierendes damit angestellt würde. Wobei... wenn ich mir so die Fernsehsendungen, Nachrichten inklusive, ansehe, dann sind wir nicht weit entfernt. Fast noch schlimmer fände ich es, wenn man genau weiß, dass die eigene Wahrnehmung mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht korrekt ist.
23. Mai 2025
Wir lernen Evelyn Chambers kennen, die mich gleich zu anfangs mit einer Beschreibung glücklich macht:
Zitat" ..fühlte pure Glückseligkeit, die Hochpotenz dessen, was sie in Erinnerung an Kindheitsmomente ihr Weihnachtsplätzchengefühl nannte, reine Freude zur Droge destilliert."
Eine wundervolle Beschreibung! Beim Lesen kam mir sogleich der Duft von Plätzchen in der Nase, das klebige Gefühl des Teiges an den Fingern, der Geschmack von Zucker und frischer Butter auf der Zunge.
Die Personen werden langsam mit Leben gefüllt. Hat man sich im vergangenen Kapitel noch etwas überrannt gefühlt durch all die Namen, bekommen die Charaktere langsam Farbe. Julian wird mir dabei immer unsympathischer. Aber irgendwann wird er seine Showmaske ablegen und menschliche Regungen zeigen müssen. Abendkleider, die für die Schwerelosigkeit konzipiert wurden, können nicht über die Probleme in seiner Familie hinwegtäuschen.
Die Beschreibungen von Lynn dagegen finde ich spannend! Selten habe ich so eine eindrückliche Beschreibung des Gefühls "Angst" gelesen.
Die Reisegruppe ("Paradiesvögel" fand ich einen gelungenen Ausdruck) startet den Flug zum Mond. Schätzing hat sich dabei sehr viel Mühe mit den Details gegeben. Die verschiedenen Versorgungssysteme, schwerelose Landwirtschaft, betrieben von Robotern - auch hier wieder hart an der Grenze zur Beunruhigung. Beeindruckend auch die Schilderungen, wie Tiere und Pflanzen auf die künstliche Umgebung reagieren. Die meisten mit Anpassung, aber einige auch mit Desorientierung, Abwehr.
Beendet wird das erste Unterkapitel mit einem Streit zwischen Tim und Julian. Tim versucht seinen Vater zur Rede zu stellen, damit dieser Lynn schont und so der drohende Nervenzusammenbruch abgewendet werden kann. Ich kann nicht einschätzen, ob Julian Lynns Ängste tatsächlich nicht wahrnehmen kann (da wären wir wieder beim Thema Wahrnehmung!) oder es nicht will, weil er nicht wahrhaben möchte, dass sein Zugpferd Schwächen zeigt in dieser perfekt organisierten Show. Es bleibt interessant!
"Der Abend" schaffe ich heute nicht mehr. Aber auch so habe ich wohl genug Stoff zum Nachdenken, denn bisher finde ich die Geschichte sehr gut geschrieben.
Was meint ihr, was ungefähr unser tägliches Pensum sein sollte/könnte?