Carole Martinez – Du domaine des Murmures

  • Original : Französisch, 2011


    ZUM INHALT :
    1187, am Tage ihrer Hochzeit, verweigert die 15-jährige Esclarmonde ihr Ja, um gegen den Willen ihres Vaters, des Herren von Murmures, ihr Gelübde leben zu können, sich ganz Gott zu weihen. So wird die junge Frau auf eigenen Willen in einem speziell an die Kapelle des Schlosses angelehnten Anbau eingemauert. Einzige Öffnung zur Welt : ein kleines vergittertes Fenster und ein Guckloch in die Kapelle. Aber ist sie in dieses « Grab » alleine hineingekommen ?


    Anstatt gemäß ihres Wunsches die Einsamkeit zu gewinnen, befindet sie sich schnell als Anziehungspunkt für viele Menschen in ihren Fragen und Nöten. Aus ihrer Zelle beeinflußt sie so manche (größere) Entscheidung.
    (Quelle :gekürzter französischer Klappentext, eigene Übersetzung)


    BEMERKUNGEN :
    Unterteilt in 3-10seitige Kapitel ohne Numerierung oder Überschrift, richtet sich die Ich-Erzählerin Esclarmonde (warum und wie?) an den Leser von heute. Dieses Buch hat einiges von einem historischen Roman : im 12. Jahrhundert, auf der Burg von Murmures, irgendwo am (existierenden) Flüßchen der Loue im Burgund/Jura angesiedelt, ist das Umfeld ein mittelalterlich-höfisches, mit Rittern, Minnegesang, einem Kreuzzug etc.


    Esclarmonde will entgegen den Willen nicht heiraten, sondern sich Gott weihen. Auf die Weigerung des Vaters hin kommt es zu einer radikalen Geste und das junge Mädchen kann ihren Willen durchsetzen. Durchaus erkennt man hinter diesem geistigen-geistlichen Entschluß den im Mittelalter einzigen (?) Weg einer Frau, um ihre Art von Autonomie zu leben und sich vom Willen der Männer, zahlreichen Schwangerschaften etc. unabhängig zu machen. Bei Esclarmonde kommt eine wirkliche innere, religiöse Motivation hinzu und über weite Teile des Romans war ich angenehm überrascht, dass Carole Martinez diesen Glauben zwar in teils etwas altem Vokabular, aber durchaus respektvoll darstellt.


    Diese Behandlung des Themas bewirkt wohl auch, dass es sich eben um mehr als einen puren historischen Roman handelt. Der Ton ist anders : Das Buch enthält « phantastische » Elemente. Sie werden vielen zusagen ! Die Sprache schwebt – wie Martinez es ja selber anstrebt – in einem Bereich zwischen Roman und Märchen, ist oft sehr bildreich, ja sinnlich.


    Ich sehe hinter dem, was einige als pure Phantasie sehen, dann also auch den Kern an Weisheit, der eben Märchen zueigen ist. Mystische Elemente und der zuhörende Dienst an den Vorbeikommenden machen aus Esclarmonde schnell eine « einflußreiche » Frau . Eine anderen durch Vermutungen seltsamster Art rätselhafte Mutterschaft schenkt uns wunderbare Seiten über das Verhältnis einer Mutter zu ihrem Kind, machen aber aus der Gottgeweihten mehr und anderes als sie ist.


    Elemente des Endes sind aber nicht ganz nach meinem Geschmack. Deswegen gab ich dem Buch nicht die volle Punktzahl. Doch bin ich mir sicher, dass dieser Roman für so manche Büchertreffler das richtige wäre !


    Es sprach mich insbesondere sprachlich und in einigen schönen Aussgen an. Eine von ihnen ist, was es Martinez gelingt gut auszudrücken : Wir brauchen eine Welt, die durchlässig ist für das Wunder, das Märchen, die Fabel...


    ZUR AUTORIN:
    Carole Martinez wurde 1966 geboren und ist ehemalige Schauspielerin, die dann in den Lehrerberuf zurückgefunden hat und nun Französisch unterrichtet. Während eines Mutterschaftsurlaubes beginnt sie 2005 mit dem Schreiben. Dabei will sie etwas zwischen Roman und Märchenform erreichen.


    Sie schrieb einige Bücher für Kinder und Jugendliche und dann ihren ersten Roman : « Das genähte Herz », der Erfolg hatte (Renaudot des lycéens en 2007 ; le prix Ouest-France Étonnants Voyageurs 2007 -jury de jeunes lecteurs, Prix Ulysse de la première oeuvre 2007) und schon übersetzt wurde, ist zu erwarten, dass dieser zweiter Roman auch eine Übersetzung kennen wird.


    Dieser zweite Roman erhielt ebenfalls einen Preis.


    Broschiert: 201 Seiten

  • Klingt nach einem historischen Roman der besonderen Art!


    Der Vermerk am Umschlag "Prix Goncouert" hat mich natürlich gleich aufhorchen lassen, habe ich bisher eigentlich nur gute Erfahrungen mit Büchern gemacht, die den Prix Goncourt erhalten haben. Ich habe aber gleichzeitig erfahren, dass es hier um einen anderen Preis handelt, den "Prix Gonocurt de lyceens", die (frz.) Wikipedia-Seite dazu ist leider etwas dürftig ... habe ich das richtig verstanden, dass der Preisträger von Schülern ausgewählt wird und aus der Nominierungsliste des Prix Goncourt genommen wird? Weißt Du darüber vielleicht mehr, tom?

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ja, Rosalita, wohl ein historischer Roman der besonderen Art. Dabei muss ich allerdings bei dieser Aussage betonen, dass ich selber jja sehr selten rein historische Romane lese (zumindest solche, wie sie hier im Unterforum vorgestellt werden) und insofern vielleicht etwas unsicher im Urteil bin...


    Zu Deiner Anfrage:


    Ich habe aber gleichzeitig erfahren, dass es hier um einen anderen Preis handelt, den "Prix Goncourt de lyceens", die (frz.) Wikipedia-Seite dazu ist leider etwas dürftig ... habe ich das richtig verstanden, dass der Preisträger von Schülern ausgewählt wird und aus der Nominierungsliste des Prix Goncourt genommen wird? Weißt Du darüber vielleicht mehr, tom?


    Viiiiel mehr kann ich Dir dazu auch nicht sagen: Du hast richtig verstanden, dass es beim richtigen Goncourt zu einer "ersten Auswahl" kommt, von der ausgehend man dann weiter siebt und aussortiert bis zum großen Tag.
    Die Schüler übernehmen diese erste Liste und arbeiten dann unabhängig von den "Alten" weiter. Inzwischen hat dieser Preis durchaus einen guten Ruf: viele Jugendliche sind daran beteiligt, und die Liste, die man auf der Dir verlinkten Seite sich anschauen kann (die Preisträger seit 1988) zeigen recht eindeutig vom guten Geschmack und der Qualität der Auswahl. Sicherlich hast Du einige Bekannte wieder erkannt. Du kannst also insofern diesem Preis Vertrauen schenken...

  • Habe gerade gesehen, dass dieses Buch inzwischen auf Spanisch herausgekommen ist. Nun, einige hier scheinen ja gut damit zurechtzukommen?! Da Martinez auch spanische Wurzeln hat, mag sie vielleicht ein Auge auf die Übersetzung geworfen haben???


    El reino de los murmullos

  • Erst im nächsten Februar (2014) wird es ebenso auf Englisch erscheinen unter dem Titel "The castle of whispers":