Herman Koch - Sommerhaus mit Swimmingpool

  • Klappentext:


    Zwei heranwachsende Töchter hat Marc Schlosser. Lisa und Julia. Und eine attraktive Frau, Caroline. Als sein Patient Ralph Meier, selbst verheiratet und Vater zweier jugendlicher Söhne, ihn und seine Familie einlädt, sie im Sommer ein paar Tage in ihrem Ferienhaus in Frankreich zu besuchen, klingt das zunächst wie eine gute Idee. Erst jetzt, nach Ralphs Tod, anderthalb Jahre nach den gemeinsamen Urlaubstagen,treten die Verwerfungen zwischen den beiden Familien allmählich zutage, und der Leser fiebert atemlos jeder weiteren Enthüllung entgegen.


    "Sommerhaus mit Swimmingpool" ist ein hochspannendes, meisterlich konstruiertes Familiendrama, in dem Vaterinstinkte, sexuelle Macht und Heuchelei eine wichtige Rolle spielen. Mit scharfem Witz und genialer Beobachtungsgabe legt Koch gesellschaftliche und familiäre Risse bloß und erschaffft mit Marc Schlosser den wohl abgründigsten Hausarzt der jüngeren Literatur.


    Der Autor:


    Herman Koch, geboren 1953, ist Kolumnist, Komiker, Fernsehmacher und Romancier. Sein Roman "Angerichtet" stand monatelang an der Spitze der niederländischen Bestsellerliste und war 2009 einer der meistverkauften Romane europaweit.


    Roman, 346 Seiten


    Meine Meinung:


    Nachdem mir "Angerichtet" bereits sehr gut gefallen hat, wurde ich auch von diesem Roman nicht enttäuscht. Wieder einmal schafft es der Autor, hinter die bürgerlichen Fassaden zu blicken und Emotionen und Spannungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen zum Ausdruck zu bringen. Diese entwickeln sich allmählich und führen zu einigen überraschenden Wendungen im Geschehen.


    Der Ich-Erzähler Marc Schlosser ist Hausarzt mit einem Patientenstamm, der hauptsächlich im Künstlermillieu angesiedelt ist. Dabei erfährt der Leser so einiges über seine wirklichen Gedanken zu den Menschen, denen er durch seinen Beruf sehr nahe kommt. Dabei spart er nicht mit zynischen Bemerkungen, vergleicht die Krankheit mit einem Kriegsgebiet und tut auch seinen Ekel vor einigen Körperstellen kund. Alles natürlich in Gedanken, während er nach außen scheinbar aufmerksam den Beschwerden seiner Patienten zuhört. Dabei schaltet er innerlich ab und lässt sich so manches durch den Kopf gehen. Schließlich sind die vielen "Wehwechen" der meisten Leute sowieso nur eingebildet (Seiner Meinung nach).


    Dieser abgründige Zynismus, gepaart mit etlichen Selbstreflexionen macht den besonderen Reiz der Geschichte aus. Ein Hausarzt, der sich eigentlich vor dem nackten Menschen ekelt, da fragt man sich unwillkürlich, wie man seinem eigenen Hausarzt noch unbefangen gegenübertreten soll. :wink: Wie gut, dass noch niemand Gedanken lesen kann! Man ist ja selbst auch nicht vor eigenen Hintergedanken gefeit. :lol:


    Dieser Roman beginnt damit, dass nach dem Tode des Schauspielers Ralph Meier, dessen Frau Judith in die Praxis Marc Schlossers stürmt und ihn vor seinen Patienten als Mörder beschimpft. Er hatte die tödliche Krankheit des Schauspielers nicht rechtzeitig erkannt und soll nun vor die Ärztekammer treten, da ein Kunstfehlerprozess bevorsteht. In der Rückschau wird deutlich, dass die beiden Ehepaare Meier und Schlosser mit ihren Kindern und einem weiteren Ehepaar einen Sommerurlaub in Frankreich erlebten, der eine tragische Wendung nimmt, als die älteste Tochter des Ehepaares Schlosser, Julia, Opfer einer Vergewaltigung wird und ihr Vater nach einem Schuldigen sucht. Besonders als auch noch eine Affähre zwischen Marc und Judith Meier beginnt, wird die Neugier geweckt, warum diese Frau dermaßen außer sich anderthalb Jahre später den Mordvorwurf erhebt.


    Dieses alles klingt jetzt wie ein Krimi, aber es handelt sich eher um ein Beziehungsdrama. Die Fragen nach dem Vorsatz und den möglichen Motiven dafür haben ihren Ursprung in den Spannungskonflikten und Geschehnissen während des Sommerurlaubs. Ganz zum Schluss ergibt sich noch eine weitere Wendung, die den eigentlichen Verdacht Marc Schlossers noch einmal in Frage stellt.


    Alles dies wird mit einer solchen Bosheit und abgründigem Zynismus aus der Sicht eines Hausarztes erzählt, der in seiner Rolle als beschützender Vater eine perfide Tat begeht. Man kann sich diesem Sarkasmus kaum entziehen und ich fühlte mich gut unterhalten.


    Meine Bewertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!

  • Von "Angerichtet" war ich auch ganz begeistert und habe den neuen Roman von Herman Koch in der Stadtbücherei vormerken lassen. Danke für die schöne Rezi :)

    Liebe Grüße,
    Rita


    ~Ich wäre lieber ein armer Mann in einer Dachkammer voller Bücher als ein König, der nicht lesen mag.~
    Thomas Babington

  • Inhalt:
    Marc Schlosser ist Arzt, ein holländischer. Einer, der sich viel Zeit für seine Patienten nimmt. Zumindest, was die Zeit angeht, in denen sie in seiner Praxis, in seinem Behandlungszimmer verweilen. Doch ob er sie wirklich wahrnimmt, das hängt von vielem ab. Von seiner Tagesform, von ihrem Auftreten, von der Art ihrer Krankheit… Dr. Schlosser findet an fast jedem Menschen etwas, das ihm nicht gefällt, dass er seiner unwürdig findet.


    Eines Tages stirbt ein berühmter Patient, ein Schauspieler, den Marc Schlosser zuvor bei einem Familienurlaub näher kennen gelernt hat. Und dieser Urlaub hat alles für ihn und seine Familie verändert, nicht nur das Leben seines Patienten.


    Meine Meinung:


    Schwierig
    Wie man sieht, ist meine Inhaltsbeschreibung nicht sehr lang. Ich möchte aber auch wirklich nicht zu viel rein schreiben, das ganze Ausmaß soll sich jedem Leser erst, wenn er das Buch in Händen hält, offenbaren.


    So erging es mir. Ich hatte eine Leseprobe gelesen, oh toll, dachte ich mir, das hört sich hochinteressant an, mit ein wenig Witz, ein Krimi aus Holland, mal was anderes. Und dieses Cover… Das hat mich persönlich sehr gelockt. Und so habe ich mich in die Geschichte gestürzt. Eine Geschichte über einen Arzt, der eine recht merkwürdige Ansicht seiner Mitmenschen an den Tag legt, der sich selbst auf ein Podest hebt, ja, man kann sagen, er ist so was wie die berüchtigten Halbgötter in Weiß (wer das Buch liest, wird merken, dass das mit dem „Gott“ gar nicht so verkehrt ist…). Selbst seine Familie, seine Frau und seine beiden Töchter, können unter seinen Augen nicht wirklich bestehen.


    So flirtet er ungeniert mit einer anderen Frau, leider Gottes ausgerechnet auch noch mit der Frau des später sterbenden Schauspielers, er trinkt, er ist herablassend, ein echtes Ekelpaket und mein Unsympath der Woche!


    Es ist klar, dass alles eskaliert, dass ein Unglück quasi das nächste jagt und ich als Leserin fühle mich dann am Schluss –einem unbefriedigenden Schluss aus meiner Sicht- total verloren. Und mir bleibt eine große Frage: Soll es das jetzt wirklich gewesen sein? Dieses Ende? Ich bin fassungslos!


    Und ich weiß nicht, ist das Buch gut oder schlecht, ich kann es wirklich nicht sagen. Da bleibt nur selber lesen und selbst entscheiden.


    Auf eine Art muss es gut sein, sonst hätte ich mich nicht so dermaßen aufgeregt und es hätte nicht Eingang in eine angeregte Diskussion mit einer Freundin gefunden, wenn es schlecht wäre. Die Themen des Buches sind auf alle Fälle brisant!


    Der Stil des Autors ist auch nicht schlecht, das Lesen gestaltet sich als flüssig, nichts stockt, erzählt wird aus der Sicht des Doktors Marc Schlosser.


    Also, wer ein Buch über Korruption, Selbstjustiz und sexuelle Verrohung lesen möchte, der greife zu!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebste Grüße
    Die Bine
    Nilis Bücherregal


    Ich lese gerade: Alexa Hennig von Lange "Der Atem der Angst"/Aileen P. Roberts "Elvancor 1"/Gabriela Gwisdek "Nachts kommt die Angst"
    Mein RuB JETZT: 385

  • Marc Schlosser ist Hausarzt. Er hat eine Frau und zwei nette Töchter, die er sehr liebt, auch wenn er zugeben muss, dass Töchter für einen Mann natürlich nur das Zweitbeste sind, Söhne sind einfach das Nonplusultra. Sein Beruf macht ihm nicht wirklich Freude, dazu hat er zu viel mit Menschen und ihren Körpern zu tun. Aber es ist nun mal sein Job.


    Das Buch beginnt eigentlich mit dem Ende der Geschichte: Marc wird wegen eines ärztlichen Kunstfehlers angeklagt, der zum Tod von Ralph Meier geführt haben soll. In Rückblenden erzählt Marc dann, wie es dazu gekommen ist.


    Als er eines Tages den Schauspieler Ralph Meier kennenlernt und später dessen Frau Judith sowie die beiden Söhne, nimmt das Unheil seinen Lauf. Im Urlaub in Frankreich treffen sich die beiden Familien im Sommerhaus der Meiers. Anfangs sieht alles nach einem netten Urlaub aus, die beiden Paare verstehen sich gut, die Kinder genauso. Doch über alldem liegt die ganze Zeit bereits eine Andeutung, dass eben nicht alles so toll und unkompliziert ist – bis es dann eines Tages zu einem furchtbaren Ereignis kommt!


    Marc Schlosser ist kein sympathischer Charakter – aber er ist in vielerlei Hinsicht ehrlich, geradezu brutal ehrlich. Bei den detaillierten Schilderungen, wie er sich vor Körperteilen und Einstellungen seiner Patienten und Mitmenschen ekelt, lief es mir regelrecht kalt den Rücken herunter. Ja, das sind Dinge, an die man gar nicht denken möchte, die ich auch eigentlich nicht unbedingt in Buchform vor mir haben muss. Aber trotz des Ekelfaktors (oder deswegen?) hat das Buch durchaus einen hohen Unterhaltungswert. Weniger gefallen hat mir Marcs moralische Einstellung. Hier werden Gedanken und Taten, die gesellschaftlich nicht korrekt sind, als natürlich und völlig normal hingestellt. Ist das nun die erfrischende Entlarvung von Alltagslügen, die wir uns selber oft genug vorbeten oder ist es ziemlich hässlicher Zynismus?


    Auf jeden Fall war es ein Buch, das sich zwar schnell lesen lässt, über das man sich aber noch eine ganze Weile Gedanken machen kann!


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  • Wenn man den Beginn von „Sommerhaus mit Swimmingpool“ von Herman Koch liest, dann kann man sich nicht wirklich vorstellen in welche Richtung die Geschichte gehen wird und schon gar nicht welche Ausmaße sie haben wird.
    Es beginnt zunächst mit sehr detaillierten Beschreibungen über die Tätigkeiten des niederländischen Arztes Marc Schlosser. Das wurde dann so realistisch beschrieben, dass mir kurzzeitig nicht nur schlecht wurde, sondern mir auch besagte Stellen am Körper selbst wehtaten.
    Ich war also sehr skeptisch, ob mir das Buch überhaupt zusagen würde.
    Dann beginnt mit dem Frankreichurlaub der Familie die eigentliche Handlung. Passend zum Titel zieht es Schlossers Familie zu einem Sommerhaus mit Swimmingpool. Nicht nur bei dem Titel, auch bei der jetzt geschilderten Handlung kam bei mir eine richtige Urlaubsstimmung auf. Koch kann nicht nur realistisch erzählen, er schafft es auch, dass der Leser sich selbst als ein Teil der Handlung fühlt, so gefangen ist man in der Geschichte.
    Und dann kam der Bruch dieser Idylle, der bis dahin größtenteils harmlosen, aber doch berührenden Handlung.
    Dieser Bruch wird so klar wie alles andere zuvor geschildert mit einer gewissen Nüchternheit, die einen abstößt aber auch fasziniert – fasziniert in dem Sinn, dass man einfach weiterlesen muss, das Warum erfahren will, wissen will wie es nun weitergeht, was nun passiert. Dieser Zwiespalt zog sich aber bei mir durch das gesamte Buch. Ich wusste einfach nicht was ich von „Sommerhaus mit Swimmingpool“ halten sollte. Liest man nur Titel und Inhaltsverzeichnis, bekommt man eine komplett falsche Vorstellung was auf einen zukommen wird und wird dann natürlich auch komplett von den Ereignissen überrollt. Und das ist auch gut so, da dadurch die ganze Tragweite der Ereignisse und die Härte dieses Bruches erst richtig zum Tragen kommen. Es macht betroffen und stößt zugleich ab. Aber es hat einen Sog von solch einer unglaublichen Kraft, dem man sich nicht entziehen kann.
    Die Personen betreffend, insbesondere Marc Schlosser, war ich ebenfalls sehr zwiegespalten. Ich konnte mit keiner richtig sympathisieren, aber auch keine verabscheuen, zumindest bis zur Auflösung der Geschichte. Marc, einerseits scheinbar eiskalt, andererseits (meistens) mit einem Herz für Tiere, polarisierte bei mir dann sehr. Als Hauptprotagonist zieht man ja meist die Sympathien der Leser auf sich, damit der Leser dann auch mit der Hauptfigur fühlen und sich in sie hineinversetzen kann. Bei Marc war das aber etwas anderes. Am Anfang fand ich ihn einfach nur selbstgerecht, egoistisch und gleichgültig. Das änderte sich dann aber mit der Zeit, als er zeigte, dass er nicht dieses gefühlskalte Etwas ist. Aber richtig warmwerden oder gar sympathisieren konnte ich nicht mit ihm.
    Sprachlich brilliert das Buch dann mit einer äußerst klaren Sprache, die alles nüchtern auf den Punkt bringt, die Emotionen aber nicht zu kurz kommen lässt.
    Für mich ist „Sommerhaus mir Swimmingpool“ ein Hammer von einem Buch. Ein Buch, das einen nicht nur tief im Strudel der Gefühle und Ereignisse gefangen nimmt, sondern auch regelrecht erschlagen zurücklässt. Ein Buch, das man nicht wirklich in Worte fassen kann. Ich habe es aber zumindest versucht.


    Lesenswert.


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