Ilija Trojanow - Eis Tau

  • Zeno Hintermeier, „Mr. Iceberg“ ist Gletscherforscher, Glaziologe, und eine Koryphäe auf diesem Gebiet. Zeit seines Lebens verbrachte er mit dem Beobachten und Studieren von Gletschern. Als sich aber seine Arbeit immer mehr darauf konzentriert, das Schmelzen des ewigen Eises zu beobachten und er erkennt, dass er bestenfalls protokollieren, aber nichts ändern oder gar aufhalten kann, sieht er seine Grenzen als Wissenschaftler erreicht, seine Trauer wird zur Wut, er gibt seinen Beruf auf und heuert auf einem Kreuzfahrtschiff in der Antarktis als Expeditionsleiter an, um den Passagieren die unberührte Natur der Antarktis näher zu bringen und v.a. sein großes Anliegen, die Umweltproblematik zu thematisieren. Doch dieser Job ist so unbefriedigend wie zermürbend, Zeno scheitert an der Ignoranz der Passagiere, der Gleichgültigkeit der Spaßgesellschaft, der jegliche Respekt vor der Natur abhanden gekommen ist, die sich an Walfang-Praktiken ergötzt, Pinguine „zum Angreifen“ sucht, Souvenirshops am Ende der Welt stürmt und das feudale Leben an Bord genießt. Als dann auch noch ein Aktionskünstler in der Antarktis (und mit der Antarktis) Kunst inszenieren will, platzt ihm der Kragen ….


    „Der einzelne Mensch ist ein Rätsel, einige Milliarden Menschen, organisiert in einem parasitären System, sind eine Katastrophe“ ( S.167). Ilija Trojanow thematisiert in seinem Buch - auch mit viel Zynismus und Ironie - die Umweltthematik, die sukzessive Zerstörung der Umwelt durch den Menschen und gleichzeitig die Ignoranz, die Gleichgültigkeit, mit der wir diese Zerstörung zulassen. Das Buch ist unangenehm, sehr unangenehm sogar, denn die Ausrede, man fahre ja nicht mit einem Luxusdampfer in die Antarktis, gilt nicht. Ein Leben ohne oder gegen die Natur ist nicht möglich, Umweltzerstörung geschieht jeden Tag zu jeder Zeit auf jedem Flecken der Erde. Trojanow prangert v.a. die Ignoranz der Gesellschaft an, zweifelt aber gleichzeitig auch an seinen Möglichkeiten als Schriftsteller, hier eine Lösung anbieten zu können: "

    Zitat

    „Lebende Autoren hingegen, das erfuhr ich, wann immer ich die Zeitung aufschlug, sollen sich bescheiden, ein wenig anregen, ein wenig erregen, ein wenig aufregen, aber auf gar keinen Fall die Welt verändern wollen. Wie soll man noch zu Lebzeiten aufrütteln? Beschämung funktioniert nicht, da sich jeder selbst öffentlich bloßstellt, Pathos funktioniert nicht, da alles kleingeredet wird. Und Gewalt? Gewalt ist die einzige Sprache, die noch nicht von den Etiketten der Sponsoren überklebt ist.“ (S. 146)


    Das Buch ist mit seinen knapp 170 Seiten, eingeteilt in 12 Kapitel, verhältnismäßig dünn. Jedem Kapitel ist eine Art „Logbuch“ angehängt, ein Sammelsurium aus wirren Schlagzeilen, Seemannsfloskeln und Funksprüchen, das eklatante Stilbrüche darstellt und den Erzählfluss stark hemmt, doch das Buch soll ja nicht nur inhaltlich, sondern auch lesetechnisch unangenehm sein.
    Eine Leseempfehlung an jedermann!


    Ilija Trojanow, 1965 in Sofia geboren, wuchs in Kenia auf und lebt heute in Wien.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

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