Jean-Christhophe Grange - Choral des Todes / Miserere

  • Kurzbeschreibung von Amazon.de:
    In einer armenischen Kirche in Paris geschieht ein grausamer Mord. Das Gemeindemitglied Lionel Kasdan, pensionierte Kommissar armenischer Herkunft, ist zufällig vor Ort und als erster am Tatort. Er beschließt, in dem Fall auf eigene Faust zu ermitteln. Der Tote, ein Organist und Knabenchorleiter, war Chilene und damals vor dem Pinochet-Regime nach Frankreich geflohen. Handelt es sich um einen Mord mit politischem Hintergrund? Oder ist der am Tatort gefundene Schuhabdruck Größe 36 der Schlüssel zur Aufklärung des Falls? Während seiner Ermittlungen muss Kasdan feststellen, dass noch ein weiterer Polizist nach dem Mörder sucht: Der junge Cédric Volokine arbeitet eigentlich im Jugendschutzdezernat, ist aber wegen seiner Heroinsucht vom Dienst beurlaubt und momentan in einer Entzugsklinik. Auch er ermittelt inoffiziell. Als weitere Morde geschehen, beginnen die beiden Polizisten zusammenzuarbeiten, denn so unterschiedlich sie auch sind, in ihrer Ermittlungsarbeit ergänzen sie sich vortrefflich. Langsam kommen sie einem grauenhaften Geheimnis auf die Spur...


    Über den Autor (von www.buchtips.net):
    Geboren wurde Jean-Christophe Grangé am 15.Juli 1961 in Paris. Er war als freier Jornalist für die renommierten Zeitungen und Zeitschriften Paris-Match, Gala, Observer, Stern und Spiegel tätig und reiste quer über den Globus zu den Eskimos, den Pygmäen oder den Tuaregs. Sein erster Roman "Der Flug der Störche" eroberte sofort die fanzösischen Bestsellerlisten. Mit seinem nächsten Werk "Die purpurnen Flüsse" gelang ihm der internationale Durchbruch. Seit diesem Erfolg gilt Jean-Christophe Grangé als Meister des europäischen Thriller, dessen Markenzeichen außergewöhnliche Stoffe und exotische Schauplätze geworden sind.


    Handlung:
    Als der deutschstämmige Chilene Wilhelm Götz in der Armenischen Apostolischen Kirche in Paris neben der Orgel tot aufgefunden wird, ist der mittlerweile pensionierte Ex-Polizist Lionel Kasdan zufällig vor Ort. Da er selbst Armenier und ein engagiertes Mitglied dieser Kirche ist, ist er sehr an der Aufklärung dieses Mordes interessiert. Dem Opfer wurde ein spitzer Gegenstand mit brutaler Gewalt in die Ohren gestochen, so dass dieser vermutlich durch den zu starken Schmerz einen Herzstillstand hatte. Da Kasdan vermutet, dass die ehemaligen Polizei-Kollegen in eine falsche Richtung ermitteln, lässt er selbst alte Kontakte spielen und nimmt auf eigene Faust die Ermittlungen auf. Kurz darauf schließt sich ihm das wegen seines Heroinentzugs momentan vom Dienst freigestellte junge Mitglied des Jugenddezernats Cedric Volokine an, der ebenfalls aus persönlichen Gründen an der Aufklärung des Falls interessiert ist. Die Aufmerksamkeit der beiden wird bald auf die Jungen des Chores gelenkt, den Götz in dieser Kirche geleitet hat, da bei der Leiche ein Schuhabdruck eines Kinderschuhs gefunden wurde. Doch deren Befragung führt zunächst zu nichts. Ein weiterer Hinweis auf die Gewalttäter könnte politischen Ursprungs sein, da Götz in Chile gegen die brutalen Machthaber um den Diktator Pinochet gekämpft hatte. Dass Götz schwul war, war ein offenes Geheimnis und als kurz darauf dessen junger Liebhaber ebenfalls auf eine ähnlich brutale Weise ermordet aufgefunden wird, wissen Kasdan und Volokine, dass sie es mit einem Serienkiller zu tun haben. Kinder als Mörder? Nachwirkungen eines politischen Unrechtsregimes? Die beiden tauchen immer tiefer in düstere Kreise hinab…

    Meine Meinung:
    "Choral des Todes" war mein dritter Grangé und jedes Mal überrascht mich der Franzose aufs Neue mit einer interessanten, düsteren und sehr gut durchdachten Geschichte. Ich kenne keinen Autoren, dessen Handlungsaufbau und dessen Bücher mit ihm vergleichbar wären. Obwohl die Handlungen sehr unterschiedlich sind, ist seine Handschrift ganz klar zu erkennen.


    Dies wirkt sich vor allem auf die Hauptcharaktere aus: Es sind nie Sonnyboys und auch keine der typischen "Ich-hab-soviel-durchgemacht-und-hab-eine-kleine-Macke-aber-ich-bin-trotzdem-ein-genialer-Cop"-Ermittler. Der gläubige Ex-Polizist Lionel Kasdan ist einerseits eine graue Maus, der ein karges, unaufgeregtes und zurückgezogenes Leben führt, andererseits ist er durch seine Körpergröße und seine markanten Züge kaum zu übersehen. Er kann den gemütlichen, manchmal etwas begriffsstutzigen Teddybären spielen, aber man hat das Gefühl, dass er einem sofort den Kopf abreisst, wenn man auch nur ein falsches Wort zu ihm sagt. Der 30jährige Volokine passt eigentlich gar nicht zu ihm und trotzdem geben die beiden ein hochinteressantes Duo und eine ungleiche, aber spannende Zweckgemeinschaft ab. Volokine ist sowas wie ein Allroundtalent: Ein Meister der Kampfkunst, ein sehr gutaussehender Mann und hochintelligent. Ihm wäre die Welt offen gestanden, aber trotzdem hat er sich aus idealistischen Gründen für den Polizeidienst entschieden, da er es sich zum Lebensziel gemacht hat, Kindern zu helfen. Trotzdem hat man irgendwie die ganze Zeit das Gefühl, dass ihn ein dunkles Geheimnis umgibt, wozu auch seine Heroinabhängigkeit einen Teil beiträgt.


    Die Tatsache, dass die Indizien in zwei völlig unterschiedliche Richtungen deuten, bringt so richtig Spannung auf: Einerseits der anscheinend von Kindern begangene Mord, bei dem die beiden Ex-Cops daran denken, dass diese sich evtl. an einem Pädophilen gerächt haben könnten. Andererseits die politischen Verstrickungen rund um das Pinochet-Regime in Chile, in dem der Ermordete als Systemgegner und Linksradikaler auf der schwarzen Liste gestanden haben soll. Aber auch diese Tatsache, von der die Ermittler zunächst ausgehen, gerät bald ins Wanken. Diese beiden Ermittlungsrichtungen zusammenzubringen, ist die große Aufgabe des ungleichen Duos.


    Auch wenn man als Leser schon ein wenig gefordert wird, sollte man sich von der teilweise politischen Ausrichtung der Handlung nicht abschrecken lassen. Es geht zwar schon ein wenig über herkömmliches Wikipedia-Wissen hinaus, aber Politik ist nicht der Hauptplot der Geschichte. Neben Ausführungen über die Umstände in Chile handelt "Choral des Todes" ca. ab der Hälfte auch noch über ein anderes politisches Thema, das ich aber aus Spannungsgründen hier nicht erwähnen will.


    Der Leser hetzt mit Kasdan und Volokine durch Paris: Von Kirchen zu Kinderheimen, von Krankenhäusern zu Informanten. Selten wurde Ermittlungsarbeit so spannend und abwechslungsreich rübergebracht, was für mich vor allem daran lag, dass die beiden ohne die herkömmlichen Polizeimethoden klarkommen mussten und nur auf sich selbst gestellt waren. Mit jeder Seite rutschen die beiden tiefer in düstere Machenschaften, politische Verstrickungen und tiefschwarze Geheimnisse, die besser verborgen geblieben wären. Manche Szenen sind ziemlich explizit beschrieben, ein wenig abgehärtet gegenüber z.B. übel zugerichteten Leichen sollte man schon sein. Auch Folter wird desöfteren beschrieben und die Thematik, das Kinder zu Mörder werden können, lässt den Leser das ein oder andere Mal schlucken.


    Fazit: Ein großartiges, abwechslungsreiches, intelligentes, intensives und hochspannendes Werk von einem unterbewerteten Autoren, der seine englischsprachigen Thriller-Kollegen problemlos in die Tasche steckt. MIt großartigen Charakteren, fesselnder Handlung, tollen Wendungen, fulminantem Ende und einer im allgemeinen sehr düsteren Aura hat "Choral des Todes" alles was ein Thriller bieten sollte! :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Selten wurde Ermittlungsarbeit so spannend und abwechslungsreich rübergebracht, was für mich vor allem daran lag, dass die beiden ohne die herkömmlichen Polizeimethoden klarkommen mussten und nur auf sich selbst gestellt waren.

    Das subt bei mir noch, weil ich irgendwie bislang noch nichts Gutes über das Buch gehört hatte! Spätestens mit dem Satz, den ich jetzt von dir zitiert habe, hast du mich gepackt! Danke für diese Rezension, die extrem neugierig auf das Buch macht!

  • Das subt bei mir noch, weil ich irgendwie bislang noch nichts Gutes über das Buch gehört hatte! Spätestens mit dem Satz, den ich jetzt von dir zitiert habe, hast du mich gepackt! Danke für diese Rezension, die extrem neugierig auf das Buch macht!

    Gern geschehen.
    Stimmt, oft sind die Meinungen über Grangé zwiegespalten. Bei Amazon z.B. gibt es viele 5-Sterne- aber auch eine Menge 1-Stern-Rezensionen, ich gehöre definitiv zu ersteren. Bei mir hat es auch lange gesubt. Das potthässliche Cover und die giftgrüne Farbe hat mich dazu gebracht , dass ich es 1 1/2 Jahre auf dem SUB stehen gelassen habe. :wink:

  • Danke für die tolle Rezi, Kapo!
    Ich schleiche schon ewig bei jedem Besuch des Buchladens meines Vertrauens um dieses Buch herum. Allerdings bin ich ein ziemlicher "Frankreich-Hasser", deswegen lege ich es letztendlich doch immer wieder hin und nehme mir was anderes mit. Aber jetzt bin ich richtig neugierig geworden! Ich werde es mir wohl demnächst dann mal aus der Bücherei ausleihen, dann kann ich es notfalls einfach zurückbringen, falls es mir doch nicht gefällt! :lol:

    :study: Die Shannara Chroniken - Elfensteine - Terry Brooks
    2016 gelesen: 20
    Aktueller SuB: 248




  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Jean-Christophe Grangé - Choral des Todes“ zu „Jean-Christhophe Grange - Choral des Todes / Miserere“ geändert.
  • Mein Eindruck:

    Ich muss zugeben, dies war mein erster Grange, den ich gelesen habe. Ich wusste nicht einmal, dass das Buch vom selben Autor ist wie "Die purpurnen Flüsse". Das Buch hat mich gleich zu Anfang gepackt, obwohl ich erst Angst hatte, dass mich die ganzen französischen Namen und Orte, wo man z. T. nie weiß, wie man sie aussprechen oder lesen soll, abschrecken, aber ich muss sagen, dass das nicht so schlimm war. Die beiden Hauptfiguren sind sehr gut beschrieben und die gesamte Stimmung ist sehr düster gehalten, wodurch die Spannung beim Lesen weiter steigt. Auch der Perspektivwechsel zwischen den Figuren fördert den Lesefluss sehr. Mit dem Ende hätte ich nicht gerechnet, ich hatte gedacht, es gibt eine andere Erklärung für den Tod der Opfer, Respekt, ich liebe Bücher, die mit Dingen enden, mit denen ich nicht gerechnet habe und mir auch noch gefallen. Manchmal waren die Straßennamen oder historischen Beschreibungen etwas langatmig, aber es hielt sich im Rahmen. Ich muss sagen, ein sehr blutiger, düsterer Thriller, der perfekt Krimi, Mystik, Spannung und Historie verbindet. Dafür vergebe ich gerne vier Sterne.


    Bewertung:

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: