Jelinek, Elfriede: Die Liebhaberinnen

  • Inhalt:


    Die Geschichte spielt in den 60-er Jahren und erzählt parallel das Schicksal der beiden Hauptdarstellerinnen, Brigitte und Paula.
    Brigitte, eine sehr passive junge Frau arbeitet als ungelernte Näherin in einer Miederfabrik und hat als einziges Ziel, durch Heirat und Familiengründung diesem Dasein zu entrinnen. Sie setzt alles daran, den angehenden Geschäftsmann Heinz zu heiraten und findet sich am Ende am Ziel ihrer Träume.


    Anders ergeht es der erst 15-jährigen Paula. Sie will aktiv in ihr Leben eingreifen und beginnt eine Schneiderlehre. Sie setzt allerdings ganz auf Gefühl, glaubt die wahre Liebe in Erich gefunden zu haben und träumt von einer gemeinsamen Zukunft. Erich allerdings ist an Frauen gar nicht interessiert, säuft und steckt sein ganzes Geld in motorisierte Fahrzeuge. Paula – sich an ihren Traum festklammernd – setzt alles aufs Spiel und verliert zu guter Letzt alles.


    Persönliche Eindrücke:


    Das Buch besticht durch den Einsatz der Sprache. Elfriede Jelinek versteht es großartig, mit Worten und Sätzen zu jonglieren, kein Satz entsteht zufällig. Der gesamte Text – übrigens ist (fast) alles kleingeschrieben – verbreitet eine derart düstere und deprimierende Stimmung, dass man sich so richtig in die trostlose Welt der Protagonistinnen hineinversetzt fühlt.
    Schonungslos und erschütternd wird die Gesellschaft dargestellt und vor allem die Rolle der Frau in der Gesellschaft. John Lennon sang im selben Jahr „Woman is the nigger of the world“ – was eigentlich genau die Thematik des Romans trifft.
    Ich erwähnte bereits, dass die Handlung in den 60-er Jahren spielt, aber ich denke, die Thematik ist aktueller denn je.


    Über die Autorin:


    Elfriede Jelinek wurde 1946 in Mürzzuschlag in der Steiermark geboren. Noch während ihrer Schulzeit begann sie, am Wiener Konservatorium. 1964 nahm sie das Studium der Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Wien auf, das sie aber nach einigen Semestern abbrach. In den folgenden Jahren entstanden Jelineks erste Gedichte. Ihr Werk umfasst Romane, Theaterstücke, Hörspiele, Übersetzungen (etwa von Thomas Pynchon) und Drehbücher (z.B. zu "Malina" nach dem Roman von Ingeborg Bachmann). Mit Büchern wie "Die Klavierspielerin" (1983) und "Lust" (1989) erregte Jelinek großes Aufsehen im Feuilleton und zunehmend auch in den Massenmedien, die die umstrittene Autorin vorzugsweise als tabubrechende Radikalfeministin in Szene setzen.
    Bereits 1969 erhielt Elfriede Jelinek zwei österreichische Preise für ihre Lyrik und in den folgenden Jahren weitere zahlreiche Literaturpreise.
    Höhepunkt war sicherlich die Verleihung des Literaturnobelpreises im Jahr 2004.


    Homepage: http://www.elfriedejelinek.com

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Nach dem Nobelpreis wollte ich es denn doch irgendwann mal mit der Elfriede Jelinek versuchen, und fand dann diesen, relativ kurzen, Roman aus ihrer Anfangszeit, immerhin 1975, also circa als 29-Jährige, geschrieben. Später dann dazu hier die Rezi von Rosalita.


    Ich brauche ja nicht zu sehr auf den Inhalt zurückzukommen...


    Jelinek rüttelt kräftig an der vermeintlichen Idylle eines Frauen- und Ehelebens, eines „Heimatromans“, im ach so schönen Land, das sowohl im Prolog als auch im Abschlußwort erwähnt wird (ihr Österreich, zu dem schon so viele andere Schriftsteller der Nachkriegsgeneration ein gespaltenes Verhältnis hatten und haben).
    Hier ist/wäre die Frau ganz und gar definiert durch den Bezug zum/ zu ihrem Mann. Während ich dauernd hoffe, dass abwertende Blicke auf die Frau oder ödende, stumpfe und abstumpfende Männergestalten vielleicht nach 35 Jahren nicht mehr so aktuell sein sollten, lehrt uns manche Nachricht, und auch Rosalitas Hinweis auf die Aktualität, eines Besseren. Gilt dies nun aber für ein gewisses Milieu? Jelinek spricht hier von einem Arbeitermilieu..., womit man meines Erachtens natürlich dann auch aufpassen muss.


    Man kann kaum die „Schönheit“ einer Geschichte hervorheben, als vielmehr ein entlarvender und sarkastischer Blick auf alle möglichen Klischees und Traditionen. Dies aber, und da stimme ich Rosalita vollstens zu, tut sie in einer fabelhaft kreativen, einfallsreichen und hämmernden Sprache. Und dabei bleibt es nicht nur eine schöne Auftaktseite lang, sondern diesen Stil zieht sie durch! Das ist schon eine Entdeckung wert!


    Irgendwo hinter dieser anscheinend destruktiven Art des Beobachtens mag aber auch der Wunsch nach einer anderen, reineren Umgangsart miteinander liegen...


    Rosalita hat oben etwas versteckt den Link auf Jelineks Homepage angegeben, ich wiederhole ihn hier nochmals, denn dort lässt sich doch prima in das Schreiben hineinschnuppern. Ihr neustes Opus (Neid) in der Reihe von Werken über die „Todsünden“ schreibt sie übrigens am Computer und wird auf dieser Homepage verbreitet:


    http://www.elfriedejelinek.com/

  • Ich freue mich immer sehr, wenn so uralte Threads ausgegraben werden .... sie rufen das gelesene Buch in Erinnerung und sind ein Hinweis darauf, wie "gut" das Buch wirklich war, je nachdem, wie viel Erinnerung noch vorhanden ist. Bei diesem Buch musste ich meine Rezi gar nicht lesen, so präsent ist mir der Inhalt jetzt - nach mehr als 5 Jahren - immer noch. Spricht für das Buch.
    Leider muss ich auch feststellen, dass ich seitdem - trotz Vorhaben - noch kein anderes Buch der Autorin gelesen habe.


    Ja, was hat sich geändert in den 35 Jahren? Das Frauenbild hat sich natürlich geändert, die Emanzipation hat doch um sich gegriffen und zumindest das "Arbeitermilieu" gibt es in der beschriebenen Art nicht mehr. Die Situation der Frauen hat sich insgesamt sicher verbessert und Frauen stehen eigentlich viele Türen und Möglichkeiten offen.
    Und dennoch empfinde ich das Buch als sehr aktuell. Den widrigen Umständen zu entfliehen, eigene Pläne und Vorstellungen zu verwirklichen, es "besser machen" zu wollen und letztendlich aber auch damit konfrontiert sein, dass diese - trotz eigenem guten Willen - durch äußere Einflüsse und Umstände oder eigenes Unvermögen scheitern.


    Zu Jelineks Stil muss nichts gesagt werden, selber lesen! Nach wie vor halte ich dieses Buch für einen guten Einstieg in Jelineks Werk! Und die Homepage, die ist ohnedies immer wieder einen Besuch wert.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Jetzt bin ich aber endgültig auf diese Autorin neugierig geworden. Danke für das erinnern. Ich denke, es könnte ein Buch für mich sein. Auf jeden Fall ist es auf meine Wunschliste gelandet.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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