Yassin Musharbash – Radikal

  • Inhalt (Klappentext)
    Ein Bundestagsabgeordneter im Visier von Fanatikern. Ein Terrorexperte, der im Untergrund recherchiert. Eine zu allem entschlossene palästinensische Studentin. Ein Staatssekretär, der in mysteriösen Polit-Salons verkehrt. Und eine Bombe, mitten in Berlin.
    Ein beängstigend realistischer Polit-Thriller über eine Gesellschaft im Alarmzustand – und über Radikale in mehr als nur einem Milieu.

    Handlung
    Lutfi Latif, ein aufstrebender muslimischer Politiker, wurde als Abgeordneter der Grünen in den Bundestag gewählt. Er ist jung, charismatisch und versucht, mit den Vorurteilen gegen Muslime und den Islam aufzuräumen. Das ist einer der Gründe, weshalb er ins Visier der Al-Quaida gerät, die ihn als zunehmend gefährlich einstuft. Aber nicht nur Islamisten sehen in dem Politiker eine Bedrohung. Auch Extremisten aus der anderen Ecke – Islamhasser, Nazis – fühlen sich durch ihn bedrängt. Schließlich nimmt er mehr und mehr eine Vermittlerrolle zwischen den Parteien ein und genau das wollen auch diese beiden Gruppen verhindern.
    Die Politikstudentin Sumaya al-Shami bekommt die Chance, bei Latif eine Teilzeitstelle als wissenschaftliche Hilfskraft anzutreten. Da sie selbst auch Muslimin ist, betrifft sie die Debatte um Migration und Terrorismus natürlich in ganz spezieller Weise. Sie ist sehr intelligent und gebildet und möchte sich gerne sinnvoll in das politische Geschehen einbringen, weshalb sie sich mit voller Energie in die Arbeit stürzt.
    Da Latif direkt nach seinem Amtsantritt von verschiedenen Personen Morddrohungen bekommt, wird der Terrorexperte Samuel Sonntag als externer Sicherheitsbeauftragter engagiert, um rechtzeitig Alarm zu schlagen, sollte einer die Drohungen wahr machen wollen.

    Meine Meinung
    Es ist gar noch so einfach, den Inhalt des Buches zusammenzufassen, ohne zu viel zu verraten. Zu viele Handlungsstränge, die geschickt miteinander verknüpft werden, und zu komplexe Verhältnisse innerhalb der radikalen Gruppen.
    Mitten in Berlin sammeln sich an allen Ecken Menschen zu extremistischen Gruppen. Dabei geht die Gefahr nicht nur von den medial gepushten Islamisten aus, sondern auch die Gegenseite, die Islamhasser und die Nazis, sind mindestens genauso gefährlich und genauso zu allem bereit, um ihre Ziele durchzusetzten. Musharabash bringt er nicht nur fertig, dass man das viel diskutierte Thema „Terrorismus“ mal von der Seite der muslimischen Bewohner Deutschlands sieht; den ganz normalen Menschen, die keine Bombenattentäter sind und auch keine sein wollen, aber tagtäglich mit diesen Vorurteilen konfrontiert werden. Wie die Behörden automatisch nur in ihre Richtung ermittelt und für alle anderen Möglichkeiten blind sind, weil Anschläge ja nur von Islamisten begangen werden können, sonst macht das ja keiner. Auch die tragende Rolle der Journalisten lässt der Autor nicht außer Acht; die Skrupellosigkeit, mit der sie nach einer heißen Story jagen und Dinge aus dem Zusammenhang reißen, nur um Material zu haben. Es werden die unübersichtlichen Vernetzungen der Gruppen unter- und miteinander dargestellt, was einzelne Personen anrichten können, aber auch, wie hilflos man ist, wenn das sich das ausgeklügelte System gegen einen wendet. Dieser Roman ist erschreckend realistisch, denn genauso, wie der Autor es schildert, kann es tatsächlich werden, beziehungsweise längst sein.
    Es geht nicht so sehr um Gewalt und konkrete Anschläge, es wird wenig Blut vergossen in dieser Geschichte. Vielmehr dreht sich die Story um das Innere der Menschen. Um ihre Hintergründe, Gedanken und Meinungen, eben was den jeweiligen Reaktionen zu Grunde liegt. Auch kann man das Buch als kleinen Exkurs zu dem Haupttehma betrachten. Auch wenn man vorher nur wenig Ahnung hatte – nach der Lektüre ist man definitiv schlauer und hat eine Menge gelernt. Sei es zu dem gängigen Vokabular der Szene, wie Islamophobie, oder einfach interessante Fakten zum islamischen Glauben, man wird über einiges aufgeklärt.
    Wer sich also für den Islam, Migration und vor allem für Hintergründe interessiert, ist mit diesem Buch wirklich gut bedient. Die Charaktere sind sorgfältig ausgearbeitet und das Switchen zwischen den einzelnen Hauptpersonen ist nicht im geringsten verwirrend. Die vielen Handlungsstränge werden sorgfältig und logisch verknüpft und was vor allem erwähnenswert ist: es bleiben genau die Fragen offen, die man in der Realität auch nicht beantworten kann: Wer genau steckt hinter dem Anschlag? Was geht in den Köpfen der Menschen vor? Denn letztendlich kann man nur mutmaßen. Aber das Buch regt nicht desto trotz zum Nach- und Überdenken an und ist absolut lesenswert.
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: von mir :)

  • Danke für deine tolle Rezi. Hat mir sehr gut gefallen und mich neugierig gemacht. Ein sehr brisantes Thema was der Autor da aufgegriffen hat. Ist auf meiner Wuli gelandet und wird wohl bald im Bücherregal stehen. :thumleft: Danke

  • Zum Buch:
    Eine kurze Inhaltsangabe zu schreiben, fällt mir bei diesem Buch wirklich schwer. Zu vielschichtig und ineinander verwoben ist das Geschehen. Es fängt an mit der jungen Berliner Studentin Sumaya al-Shami, die sich als Mitarbeiterin bei dem neugewählten Mitglied des Bundestags Lutfi Latif bewirbt. Latif ist in aufgrund seiner politischen Haltung vielen ein Dorn im Auge, sowohl den radikalen Islamisten als Islamgegnern. Er erhält Todesdrohungen, nimmt diese jedoch nicht allzu ernst. Immerhin beauftragt er Sumaya, einen Spezialisten zu suchen, der die Drohbriefe näher analysieren soll. Sumaya recherchiert und stößt auf Samuel Sonntag, genannt Samson, der sich seit Jahren mit der islamistischen Szene beschäftigt, allerdings hauptsächlich online. Doch sind islamistische Terroristen wirklich die einzige Gefahr, die Latif droht? Durch Zufall erfährt Samson von einer Gruppierung von Islamgegnern, die sich in gesellschaftlichen Salons organisiert. Dienen deren geheime konspirative Treffen nur dem Argumentieren und Philosophieren, oder planen sie mehr? Und welche Rolle spielen die Medien, die Behörden, die Politiker, die Polizei?

    Meine Meinung:
    Anfangs tat ich mich etwas schwer mit dem Buch. Viele Namen und Handlungsstränge und eine kompliziert wirkende Geschichte. Doch nach und nach begann mich die Handlung zu fesseln. Auch wenn es ein Roman und damit Fiktion ist, ist es doch durchaus vorstellbar, dass so etwas in unserer heutigen Gesellschaft passiert. Laut Klappentext ist der Autor Redakteur bei Spiegel Online und befasst sich mit Terrorismus und den Umwälzungen in der arabischen Welt. Er dürfte sich somit mit der im Buch beschriebenen Thematik auskennen und das macht es gleich noch etwas bedrohlicher, sich diese Dinge vorzustellen.
    Die Argumente der verschiedenen Parteien werden sehr gut dargestellt. Es wird gezeigt, was für ein unübersichtliches Geflecht diese Welt des Terrorismus und der Bekämpfung desselben ist. Jeder spielt jeden gegeneinander aus, keiner spielt seine Karten offen aus, denn das würde einen strategischen Nachteil bedeuten. Doch allzu leicht kann man sich hier auch verkalkulieren und den Falschen verdächtigen oder die richtige Fährte völlig übersehen. Und es wird auch klar gezeigt, welche Konsequenzen manche Handlungen haben, wie manche Muslime erst durch den öffentlichen Generalverdacht radikalisiert werden oder dagegen ankämpfen müssen. Eine unheimliche Vorstellung. Auch die Macht der Medien wird gut dargestellt, allerdings ebenso deren Skrupellosigkeit. Ein fesselndes Buch, allerdings nichts für jemanden, der einen Spionage-Thriller à la Tom Clancy erwartet, hier wird weniger gekämpft und geballert, als vielmehr mögliche Hintergründe aufgezeigt. Eine gewisse Bereitschaft, sich mit derartigen Gedanken auseinanderzusetzen, sollte man für das Buch schon mitbringen.

  • Inhalt: Lutfi Latif, ein charismatischer Interlektueller mit ägyptischen Wurzeln hat das Potential die Islamdebatten ein für alle Mal aufzurollen. Er wird schon als deutscher Barack Obama gesehen als er in den Bundestag gewählt wird. Sein Hauptziel ist ein besseres Verständnis zwischen Deutschen und Moslems zu schaffen. Seine Einstellung schafft ihm jedoch nicht nur Zusprecher, sondern auch viele Feinde. Seine arabischstämmige Mitarbeiterin Sumaya al-Shami und der Arabist Samuel Sonntag, der zu Latifs Schutz angestellt wurde.


    Dann kommt es jedoch mitten in Berlin zu einem Anschlag auf Latif und die Al-Qaida bekennt sich zu der Bluttat. Die Stimmung in Deutschland ist aufgebracht. Samuel und Sumaya sind von dem Bekennervideo der Al-Qaida jedoch nicht vollkommen überzeugt und stellen eigene Ermittlungen an. Diese Ermittlungen führen sie immer tiefer in die Abgründe des Extremismus, nicht ausschließlich des Islamistischen. Für diese Erkenntnise, die sie der Wahrheit immer näher kommen lassen, müssen sie jedoch sehr weit gehen.



    Meinung: Der Anfang war zunächst sehr trocken und ich konnte mir noch sehr wenig vorstellen, wie die ganze Sache wohl weiter gehen wird und was inbesondere die Situation auf eine interessante Weise zuspitzen wird. Jedoch muss ich sagen, dass die Geschichte eindeutig immer besser wurde, denn die einzelnen Beweggründe, Vereinigungen, Taten und das Vorgehen wurden auf eine eindringliche und glaubwürdige Weise beschrieben. Vor allem die Salontreffen wurden klasse geschildert, denn soweit ich mir sowas vorstellen kann, wirkten die sehr realitätsnah.


    Zudem steht hinter dem Buch vermutlich eine ziemliche Recherchearbeit, da viele Details zum einem über den Islam, jedoch auch zum anderen Gründe für die Islamophoben und die Islamisten, der Meinung zu sein, die sie vertreten.


    Was ich auf jeden Fall echt gut finde ist die Aussage des Romans, dass man nicht immer alles unvoreingenommen und Klischees folgend, glauben sollte, denn die Dinge sind oft nicht so wie sie scheinen. Auch das nicht gleich jeder Moslem ein Terrorist ist und nicht jeder Deutsche der kein Nazi ist, gleich zum frommen Lamm wird und keiner Fliege etwas zu leide tun kann. Einfach, dass man nicht pauschalisieren soll. Das ist eine Aussage, die mir sehr gut gefällt, da es einfach langsam zu viele Vorurteile gibt, bei denen es heißt die Moslems oder die Russen, ohne dabei zu merken, dass man sowas nie pauschalisieren kann. Daher kann man sich nur wünschen, dass ein paar dieser Leute ein solches Buch vielleicht mal lesen und es auch schaffen zu dem Schluss zu kommen, dass jeder Mensch einzeln bewertet werden muss und es dabei keine pauschalaussagen geben darf.

    Furcht ist der Pfad zur dunklen Seite. Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.

  • Es ist 8.40 Uhr, als in Berlin-Mitte eine Bombe explodiert, die mehrere Menschen tötet. Schnell ist klar, dass das Ziel Lutfi Latif war, der frisch gewählte muslimische Bundestagsabgeordnete der Grünen. Und ebenso schnell scheint klar zu sein, wer dahinter steckt: Al-Qaida, für die Latif ein Verräter war. Doch Latifs Mitarbeiterin Sumaya und der Terrorexperte Samuel haben Zweifel und beginnen auf eigene Faust zu ermitteln. Schnell gelangen sie auf die Spur radikaler Islamhasser, deren Verbindungen bis in die obersten Gesellschaftskreise reichen.
    Was Musharbash hier aufzeigt, lässt einen schaudern angesichts dessen, was sich hinter der scheinbaren Wahrheit verbirgt. Radikale verüben Verbrechen und lassen andere Radikale dafür verantwortlich sein, um den Hass auf Dritte zu schüren. Oder werden Erstere doch nur gezielt eingesetzt, um die Ziele der zweiten Gruppe zu erreichen? Nichts ist wirklich klar und eindeutig, und auch die Medien werden eher benutzt, als dass sie tatsächlich zur Aufklärung beitragen. Durch die verblüffende Aktualität (auch angesichts der Ereignisse in Oslo) gewinnt der Thriller noch zusätzlich an Spannung und man fragt sich beim Lesen manches Mal: Ist das wirklich alles nur Fiktion???
    Vier Sterne gibt es 'nur' deshalb, weil sich einige wenige Ereignisse doch etwas überstürzt und damit eher unglaubwürdig ereignen. Dennoch: Ein Thriller, den man gelesen haben sollte.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling