Thomas Brussig: Wie es leuchtet

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    „Alles, was ich über diese Zeit weiß, weiß ich von deinen Bildern“, sagt Lena, die in Thomas Brussigs opulentem Roman Wie es leuchtet gern kämpferisch als „rollschuhlaufende Jeanne d’Arc von Karl-Marx-Stadt“ durch die Gassen schliddert, bevor sie als Sängerin mit einem Nummer-1-Hit die Hitparaden stürmt. Denn die Bestimmung des Ich-Erzählers ist es, „dem Leben die Bilder zu entreißen“. Mit einer Leica-Spionagekamera, ganz subversiv und leise. Das ist auch besser so. Denn „diese Zeit“, die Lena meint, ist einmal mehr die Zeit des Mauerfalls. Natürlich ist der Ich-Erzähler von i>Wie es leuchtet, der das deutsch-deutsche Geschehen als Medienereignis begreifen hilft, so etwas wie das Alter ego seines Autors. Auch Brussig nämlich verwandelt Geschichte in Bilder, in literarische Bilder allerdings. „Junge Frau auf Bahnsteig 14“ heißt dementsprechend ein Kapitel seines Buchs, „Ein Mann steht im Wasser“ oder „Paulchen geht vorbei“ heißen zwei andere. An einer Stelle gerät ein Starreporter namens Leo Lattke ausgerechnet angesichts der sich überstürzenden Ereignisse in eine Schreibkrise. Ein furzender Tankwart wird Direktor eines Luxushotels, ein 19-jähriger Albino soll dem VW-Konzern auf die Sprünge helfen. In Brussigs chaotischem Mauerfall-Reigen ist alles möglich, wie im Leben damals -- und fügt sich am Ende doch wieder zu einem schlüssigen Bild.
    „Lena ist längst nicht die einzige, für die jene Wochen und Monate eine einzigartige, aufwühlende Erfahrung war“, heißt es in Wie es leuchtet über den Herbst 1989 und das so genannte „Deutsche Jahr“: „Trotzdem gibt es kein Buch, in dem die Erfahrungen jener Zeit für alle gleichermaßen gültig aufbewahrt sind, so wie ‚Im Westen nichts Neues’ die Erfahrungen der Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs versammelte“. Das Zitat weist darauf hin, dass Brussig mit Büchern wie Helden wie wir oder Am kürzeren Ende der Sonnenallee an eben jenem Wiedervereinigungsepos feilen wollte -- und sich sein Scheitern eingesteht. Auch Wie es leuchtet mit seinem stark Grass’schen Erzählton ist nicht der ganz große Wurf geworden. Und dennoch ragt es aus der unpolitischen deutschsprachigen Betroffenheits- und Subjektivitätsliteratur der letzten Jahre hell leuchtend heraus.


    Und viel wichtiger: Was hab ich dazu zu sagen...
    "Helden wie wir" fand ich damals urkomisch und "Sonnenallee" habe ich auch bereits mehrfach gesehen. Da war es irgendwie selbstverständlich, dass ich für die Challenge 20 deutsche Autoren auch auf Thomas Brussig zurückgreifen werde. Wie gut, dass ich "Wie es leuchtet" bisher noch nicht gelesen hatte! In Thomas Brussigs Romanen dreht sich alles rund um die DDR und die Wiedervereinigung. Und da ich zu Zeiten des Mauerfalls mit meinen gerade mal 8 Jahren nicht wirklich verstanden habe, was das bedeutet, abgesehen davon, dass ich in der DDR Verwandte hatte, die ich nicht kannte, lese ich hin und wieder gerne mal ein wenig über diesen Part der deutschen Geschichte.[Blockierte Grafik: http://www.blog.de/script/tinymce_v3241b/tiny_mce/plugins/moko_insert/img/more.gif]

    Mein Leseeindruck:
    Bekam ich, was mir versprochen wurde?
    Gemeinsam mit verschiedenen Charakteren erleben wir die Zeit des "Rübermachens", der Montagsdemonstrationen und des Mauerfalls. Wiedervereinigung ist in aller Munde und jeder hat seine eigene Art, mit den neuen Erfahrungen umzugehen. Sei es Lena, die Physiotherapeutin, die aus angestauter Wut einen Liedtext schreibt, das Lied aufnimmt und übernacht zum Sternchen des Mauerfalls wird. Oder ihr "Bruder", ein begnadeter Fotograf, der nie hinschaut, wenn er ein Foto macht - schließlich passieren die wichtigsten Dinge im Leben, wenn keiner hinschaut.
    Besonders schön fand ich es, dass hier wirklich verschiedenste Schicksale, Altersklassen und Persönlichkeiten wiedergespiegelt wurden und man so ein etwas abgerundeteres Bild der Zeit bekommt.
    Anstrengend hingegen fand ich es, in dieses Buch hineinzukommen. Dadurch, dass man recht häufig zwischen den Charakteren hin und her springt und sich auch zum Schluss hin keine wirkliche Verbindung zwischen allen Charakteren herstellt, hab zumindest ich das Gefühl, das mir hier doch etwas fehlt.
    Auf der anderen Seite sind es hierfür vermutlich auch zu viele Charaktere, die ihre eigenen Wege gehen.
    Was mir aber besonders gefallen hat war die blinde Teilnehmerin einer Führung durch die Liebermann-Ausstellung. Zu Beginn treffen wir die Dame, die die Führung übernimmt. Ihrem jungen Liebhaber berichtet sie von dem Erlebnis mit der Blinden, die sie dauernd verbessert hat und über die Farbkomposition etc. gesprochen hat, als würde sie das alles wirklich sehen. Wie in "Versteckte Kamera" würde sie sich vorkommen. Doch eine Auflösung fehlte.
    Gegen Ende des Romans ist es genau diese Blinde, die sich ein Arzt aus Münster ausgesucht hat, um ihr das Sehvermögen zu schenken - sein Bruder Leo Lattke, ein absolut von sich selbst überzeugter Journalist berichtet darber und wähnt die "Story seines Lebens".
    Es ist wirklich schwierig, die einzelnen Handlungsstränge hier aufzuführen. Nachher würde ich noch zu viel von dem Buch erzählen, als dass es jemand lesen möchte [Blockierte Grafik: http://www.blog.de/image/smileys/08wink.gif]
    Fazit:
    Auf jeden Fall lesenswert für alle, die sich hin und wieder gerne mit dem Thema DDR/Wiedervereinigung auseinandersetzen möchten!