Ingrid Noll - Ehrenwort

  • Klappentext:
    Ein halsbrecherischer Sturz bringt den fast 90-jährigen Willy Knobel ins Krankenhaus. Die Prognosen stehen schlecht, die Ärzte rechnen mit ein paar wenigen Wochen. Trotz der lauten Proteste seines Sohnes Harald setzt dessen Frau Petra es durch, dass der Alte bei ihnen zu Hause gepflegt wird. Lange würde es ja nicht mehr dauern. Dass Max mit seiner Vanille-Pudding-Kur es schaffen würde, den Großvater wieder auf Vordermann zu bringen, hätte keiner gedacht. Je besser sich der Umsorgte fühlt, desto mehr beginnt das Leben von Harald und Petra aus den Fugen zu geraten. Während sich die beiden den Kopf darüber zerbrechen, wie sie den Störenfried ohne Aufsehen loswerden, bandelt Max mit der Pflegerin Jenny an. Doch die hat ein dunkles Geheimnis. Ingrid Noll zeigt in ihrer bitterbösen Komödie, dass es ebenso wenig heile wie heilige Familien gibt. Sehr wohl aber schöne Momente in der menschlichen Begegnung – egal, in welchem Alter. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zur Autorin:
    Ingrid Noll wurde 1935 in Shanghai geboren und studierte in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte. Sie ist dreifache Mutter und Großmutter. Nachdem die Kinder das Haus verlassen hatten, begann sie Kriminalgeschichten zu schreiben, die allesamt sofort zu Bestsellern wurden. ›Die Häupter meiner Lieben‹ wurde mit dem Glauser-Preis ausgezeichnet und, wie andere ihrer Romane, auch erfolgreich verfilmt. Was das Thema Pflege anbelangt, spricht Ingrid Noll aus Erfahrung: Ihre eigene Mutter wurde 106 Jahre – ohne je ein Altersheim zu betreten. (von der Verlagsseite kopiert)


    Allgemeines:
    28 Kapitel auf 336 Seiten


    Eigene Meinung / Beurteilung:
    Von Ingrid Nolls sich durch Morde selbstverwirklichenden Damen hatte ich genug, aber der Klappentext dieses Buches klingt nach einer ganz anderen Geschichte.
    Dennoch: Die Zutaten bleiben die gleichen. Anstatt schrulliger mordender Frauen steht im Mittelpunkt ein schrulliger alter Mann. Er mordet jedoch nicht, sondern soll, wenn es nach Sohn und Schwiegertochter geht, das Opfer werden. Zwischen Plan und Tat stehen allerdings der Enkel Max und der Zufall.
    Morde geschehen, die dazu notwendigen Personen wirken wie in die Geschichte hineingeworfen, denn Max' kriminelle Verstrickungen erscheinen nicht schlüssig.


    Mit flachen, eindimensionalen Figuren dümpelt die Story müde vor sich hin; von Nolls viel gepriesenem schwarzen Humor und Witz spürt man wenig, und die Liebesgeschichte verläuft ebenso seicht im Sand wie die Krimigeschichte, die eine zusätzliche Erpressung und ein Korruptionsskandal nicht retten können. Alles, was passiert, wirkt zufällig, unstrukturiert und planlos und erstickt eine aufkommende Spannung im Keim.


    Fazit:
    Einer von Noll enttäuschenden Krimis, dem Pep und Spannung fehlen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Von Ingrid Nolls sich durch Morde selbstverwirklichenden Damen hatte ich genug


    Sehr schön ausgedrückt :lol:


    Ich mag Noll auch schon lange nicht mehr, der schwarze Humor wirkt bei ihr meist äußerst bemüht.

  • Auch in ihrem neuen Roman „Ehrenwort“ zeigt sich die mittlerweile 75 - jährige Schriftstellerin Ingrid Noll als Meisterin des hintergründigen, stellenweise schwarzen Humors.
    Ihre Bücher, zuletzt „Kuckuckskind“ sind eigen. Sie zählen zum Krimigenre und gehören doch nicht dazu. Zwar wird immer ein mehr oder minder dissidentes Verhalten der Hauptpersonen bis hin zu wirklich strafbaren Handlungen beschrieben, Polizei oder gar die Justiz tauchen aber nur am Rande auf. Ingrid Nolls Bücher spielen in der Mitte der Gesellschaft, bei Menschen, wie wir sie kennen, mit Berufen, wie wir sie auch haben. Sie tasten in die Ebenen unterhalb der sichtbaren Normalität, experimentieren mit dem allzu Menschlichen bis hin zum wirklich Bösen.


    Ingrid Nolls Bücher wollen einfach nur unterhalten. Sie sind in einer Sprache geschrieben, wie die meisten Menschen sie sprechen, die Dialoge der handelnden Personen sind wie aus dem Alltag geschnitzt. Deshalb kommt man aus dem Schmunzeln nicht heraus, zumal sie mit jedem neuen Buch ihre fantastische Fähigkeit zeigt, Geschichten zu erfinden und sie mit nicht für möglich gehaltenen Handlungen auszustatten.
    Im neuen Buch geht es um eine Geschichte, in der sie mehrere Themen geschickt miteinander verknüpft hat. Da geht es um Korruption in einer öffentlichen Verwaltung, um die Pflege alter Menschen und das Erben, um die Probleme alter Ehen und die Schwierigkeiten junger Beziehungen. Unter dem Strich wird die Fassade einer normalen Familie durchlöchert in einer bitterbösen Komödie, die mir gut gefallen hat und die ich mit Begeisterung schnell zu Ende gelesen habe.
    Nachdem der 90-jährige Willy Knobel in seinem Haus in Dossenheim an der Bergstraße gestürzt ist, das er nach dem Tode seiner Frau Ilse alleine bewohnt, wollen sein Sohn Harald, der sein Leben lang unter seinem Vater gelitten hat und seine Ehefrau, die Buchhändlerin Petra, den Alten möglichst schnell in ein Heim schaffen. Sie hoffen beide, dass er bald das Zeitliche segnet und sie so durch den Verlauf des Hauses zu einer großen Erbschaft kommen.
    Doch der Enkel Max, ein etwas verkrachter Student, der es zum Medizinstudium nicht schaffte, wittert, als er den Großvater nach dem Sturz findet, seine Chance. Da er seit langem wegen einer Sache, die hier nicht verraten wird, erpresst wird, helfen ihm die finanziellen Zuwendungen des Großvaters über vieles hinweg. Wenn er sich noch mehr um ihn kümmert, so sein Kalkül, springt noch mehr für ihn heraus.
    Er setzt es tatsächlich gegenüber seinen Eltern durch, dass der Großvater in das elterliche Haus in einem Ort an der hessischen Bergstraße aufgenommen wird, und baut die ehe schon gute Beziehung zu seinem Großvater weiter aus. Dem geht es wegen der guten Pflege täglich besser und schon bald wird Harald und Petra klar, dass es mit dem Erben so bald nichts werden wird. Das bringt sie auf abenteuerliche Gedanken, die der Geschichte neben anderen bitterbösen Handlungssträngen ab etwa dem zweiten Drittel einen ungeahnten Drive geben.
    Als Max mit Jenny, der jungen Pflegerin von Max, eine Beziehung beginnt, spitzt sich die Situation zu und bisher im Dunkeln gehaltene Zusammenhänge tun sich auf.
    Ehrenwort“ ist eine leichte Lektüre, spannend und erheiternd zugleich, mit bitterbösem Humor geschrieben und mit einer zwischen den Zeilen immer wieder durchscheinenden Liebe und Achtung vor dem Alter. Ingrid Noll hat ihre eigene Mutter bis zum Alter von 106 selbst gepflegt. Diese wichtige Lebenserfahrung ist an vielen Stellen in ihr Buch eingeflossen.

  • Wer sich auf die Krimis von Ingrid Noll einlässt, weiß meistens ja schon, was ihn erwartet. Bei mir war es länger her, dass ich von dieser Autorin etwas gelesen hatte. Und zwar "Kuckuckskind". Das Buch hatte mir überhaupt nicht gefallen, weil es übertrieben kitschig war. Danach war dann erst einmal Sendepause.


    Aber bei dem hier vorliegenden Werk "Ehrenwort" hatte ich doch so einiges zum Lachen. Keine große Literatur, eben einfache Unterhaltung mit ein paar sehr symphatischen Charakteren. Da ist erst einmal Max, der Enkel, der seinem Opa während der häuslichen Pflege näher kommt. Da ist er aber der einzige im Haushalt. Opa Willy´s Sohn Harald möchte ihn am liebsten aus dem Weg schaffen und bringt dabei zwar nicht Willy, aber indirekt jemand anderen um die Ecke (hier fand ich den "unbeabsichtigten Todesfall" wirklich sehr gemein). Auch Petra überlegt sich nach einiger Zeit, dem "Alten" beim Sterben nachzuhelfen. Hier hat mich etwas die Wortwahl in Bezug auf Opa Willy gestört, wenn im gesamten Text immer nur von dem "Alten" die Rede war. Das war mir irgendwie zu abwertend (aber vieleicht sollte das ja auch nur als sarkastisches Stilmittel dienen :wink: ). Denn der Opa hat zwar seine Schrullen, die ich zu Beginn echt nervend fand, aber später dann doch sehr genossen habe, da sie auch wieder liebenswert waren.


    Und der Enkel Max! Der ziemlich naiv, um nicht zu sagen dämlich, in eine Erpressungssache hineingerät. Und dafür ziemlich viel Geld braucht. Das ist dann auch zu Beginn der eigentliche Antrieb, seinem Opa, der immerhin schon neunzig Jahre zählt, ein wenig unter die Arme zu greifen. Als Willy zum Pflegefall wird und bei seinem Sohn Harald einquartiert wird, kommt auch noch die Pflegerin Jenny ins Spiel. Und die ist eine ehemalige Freundin des fiesen Falko, mit dem Max auch gerade eine Sache laufen hat, die ihm doch schon sehr zu schaffen macht.


    Und es kommt, wie so oft im "Noll-Krimi": Frauen-Power, wenn Leichen beseitigt werden sollen. Männer, die zwar nicht gerade Weicheier sind, aber wenns drauf ankommt, die 2. Geige spielen. Und wieder einmal einige Kollateralschäden, wenn man bedenkt, wer schließlich mehr oder weniger unbeabsichtigt dran glauben (und beseitigt werden) muss.


    Mein Fazit: Witzig geschrieben, gut und flüssig zu lesen. Das Ende war zum Glück nicht kitschig im Sinne von : Ende gut - alles gut, die Bösen hinter Gitter gebracht, etc. Gut gefallen hat mir auch die Schlussaussage:


    Meine Bewertung: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:

    :study: Jeder Tag, an dem ich nicht lesen kann, ist für mich ein verlorener Tag!