Asta Scheib: Das stille Kind

  • Klappentext:
    "Heute, ohne die Mama, war das Kaufhaus viel zu viel für Davids Kopf. Ihm klopfte das Herz. Aber das ging vorbei. Er war ein großer Junge. David hielt sich die Ohren zu und lauschte eine Weile dem sanften Rauschen in seinen Ohren. Hier drinnen war es still."
    Die bewegende Geschichte einer jungen Familie mit einem autistischen Kind.
    Ein von Asta Scheib eindringlich und mit viel Liebe und Respekt für die Menschen erzählter Roman.


    Die Autorin (Informationen von der Verlagswebsite kopiert)
    Asta Scheib, geboren am 27. Juli 1939 in Bergneustadt/Rheinland, arbeitete als Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. In den Achtzigerjahren veröffentlichte sie ihre ersten Romane und gehört heute zu den bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen. Sie lebt mit ihrer Familie in München.


    Allgemeines:
    "Das stille Kind" erzählt auf 286 Seiten die Geschichte einer Familie, die auf den ersten Blick glücklich und zufrieden wirkt - wenn man den Roman liest, wird aber schnell deutlich, dass hinter dem ersten Eindruck noch sehr viel mehr steckt... In 34 Kapiteln lernt man das Schicksal der Familie Ruge kennen und erfährt, wie jeder von ihnen allein, sie alle aber auch als Gemeinschaft funktionieren.


    Inhalt:
    Die Ruges leben in München in einer Mietwohnung. Sie träumen von einem eigenen Haus mit ihrem eigenen Garten, doch dieser Traum ist nicht einfach zu verwirklichen. Lukas Ruge ist Landschaftsgärtner und arbeitet, so viel er kann, doch für das Traumhaus reicht es einfach nicht. Paulina ist mit den drei Kindern zu Hause, auch wenn sie es sich eigentlich wünscht, als Schauspielerin Fuß zu fassen und vielleicht doch noch - zumindest ein bisschen - Karriere zu machen. Aber auch das ist momentan nichts weiter als ein Traum, zumal Paulina mit den Kindern natürlich unheimlich viel Arbeit hat. Zwar ist Mavie, die Jüngste, ein absolut pflegeleichtes Baby, aber Cosima, die Älteste, fühlt sich am wohlsten, wenn ihre Geschwister nicht bei Unternehmungen dabei sind. Sie schämt sich oft - vor allem für David. Der Junge kann stundenlang unter dem Tisch Spielzeugsoldaten ordnen, aber Kontakt zu anderen Menschen fällt ihm unheimlich schwer. Situationen, die er nicht kennt, können David schnell überfordern, und obwohl David sich stundenlang mit Büchern beschäftigen kann, halten viele Leute ihn für zurückgeblieben.
    Paulina möchte am liebsten die Augen vor der Situation verschließen. Da ihre eigene Kindheit durchaus schwierig war und das Verhältnis zu ihren Eltern immer noch nicht wieder völlig hergestellt ist, zumal ihr Vater sich oftmals sehr herrisch verhält, wünscht sie sich einfach eine heile Familie, in der ihre Kinder ganz normal aufwachsen können. Dass mit David "etwas nicht stimmen könnte", ist für Paulina ein unerträglicher Gedanke. Eine Zufallsbekanntschaft bei einem ihre Spaziergänge durch München wirbelt dann das Leben der jungen Mutter ziemlich durcheinander.
    Und auch Lukas hat Sorgen, denn er möchte seiner Familie das Beste bieten können. Er selbst wuchs bei seiner Großmutter auf, die er sehr liebt und die immer noch ein wichtiger Bestandteil seines Lebens ist. Ohne Franziska würde er manch eine Situation nur schwer schaffen können, und sie ist es auch, die ihn ermutigt, Davids Verhalten nicht als etwas hinzunehmen, das vergehen wird, wenn der Junge älter wird.
    Um das Familienleben nicht zu gefährden, spricht nicht jeder immer offen aus, was ihn beschäftigt. Das Glück der Ruges ist zerbrechlich, und es gibt einige Menschen in ihrem Umfeld, die neidisch auf das sind, was die Familie hat und was sie darstellt. Nicht immer ist es einfach, das zu bewahren, an das man glaubt, wenn es so viel Kraft kostet. Das Leben mit David ist voller Herausforderungen und bedeutet oft, dass die Anderen zurückstecken müssen. Dennoch sind es gerade auch diese Situationen, an denen Davids Familie - und auch er selbst - wächst.


    Meine Meinung:
    "Das stille Kind" ist ein Roman, der einen mitnimmt in eine Familie, die man im Verlauf der Handlung sehr gut kennenlernt. Die Ruges wirkten am Anfang ganz normal, wie man sich eine junge und glückliche Familie vorstellt. Schnell wird aber deutlich, dass das Leben nicht so einfach ist, wie es scheint. es gibt Krisen zu meistern, schlimme Zeiten zu durchstehen und damit zu leben, dass eines der Kinder eben anders ist als die anderen.
    Die Autorin geht im Verlauf des Romans sehr auf die Gefühle der einzelnen Figuren ein. Sie zeigt auf, wie Paulina und Lukas sich fühlen und wie sie sich beide verhalten, ohne dass sie über sie urteilen würde. Das ist wirklich gut gelungen, denn beim Lesen hat man oftmals das Gefühl, dass man auch Verhalten, das man eigentlich völlig verurteilen würde, irgendwie verstehen kann. Das ist sicherlich der Tatsache geschuldet, dass die Figuren dieses Romans absolut authentisch wirken und dass sie - genau wie Menschen es eben tun - Fehler machen, zweifeln, hoffen und Angst haben, wenn sie mit einer Situation überfordert sind.
    Außerdem sind sowohl Lukas als auch Paulina sehr liebevoll dargestellt. Von beiden erfährt man auch Einiges über ihre Vergangenheit und so versteht man auch leichter, wieso sie bestimmte Dinge auf ihre Art und Weise sehen. Was mir daran gut gefallen hat, ist auch die ruhige Art des Erzählens dieser Autorin, denn sie stellt keine der Situationen in ihrem Roman sensationsheischend dar, manchmal sind es gerade die Nebensätze, die ganz kurz geschilderten Situationen, die beim Lesen dieses Romans einen besonderen Eindruck hinterlassen.
    Wen ich in diesem Roman neben David, Paulina und Lukas auch sehr schön dargestellt fand, war Cosima, denn ich glaube, für ein kleines Mädchen, das noch nicht einmal zur Schule geht, ist das Umgehen mit einer solchen Situation und mit einem Bruder wie David unheimlich schwierig. Die Eltern, die natürlich selbst überfordert sind, verlangen ihr oft Einiges ab, und es gelingt Asta Scheib sehr gut, Cosimas Verhalten und ihre Sicht auf die familiäre Situation einfühlsam darzustellen. Das fand ich besonders beeindruckend.


    "Das stille Kind" ist ein sehr schön erzählter Roman, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt und bei dem es gerade die Zwischentöne sind, die nachklingen.
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Danke, Strandläuferin, für diese interessante Buchvorstellung. Das Buch klingt ganz nach meinem Geschmack und so kommt es natürlich sofort auf die Wunschliste. :wink: Irgendwie mag ich Familienromane, in denen Kinder und deren Entwicklung eine große Rolle spielen.

    "Hab Vertrauen in den, der dich wirft, denn er liebt dich und wird vollkommen unerwartet auch der Fänger sein."
    Hape Kerkeling


    "Jemanden zu lieben bedeutet, ihn freizulassen. Denn wer liebt, kehrt zurück."
    Bettina Belitz - Scherbenmond


    http://www.lektorat-sprachgefuehl.de

  • @ Strandläuferin:


    Das klingt wirklich interessant. Ich habe vor Kurzem erst einen Roman von Jodi Picoult gelesen, der sich mit dem Asperger-Syndrom beschäftigt. Dieser Roman ist vielleicht auch etwas für dich. Er erscheint nächsten Monat auf Deutsch.


    Wenn man nur über diese Probleme liest, mag es ja noch ganz interessant sein. Aber wie man sich selbst in so einer Situation verhalten würde, kann man wohl kaum einschätzen. :-k

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  • @ Strandläuferin:


    Ach ja stimmt, von "Die Wahrheit meines Vaters" warst du ja gar nicht begeistert. Das Buch kenne ich leider noch nicht. Aber wenn du Frau Picoult noch mal eine Chance geben möchtest, kann ich dir dieses Buch auf jeden Fall empfehlen. Vielleicht schreib ich auch noch Rezi dazu...

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