Ernö Zeltner (Hrsg.) - Ich liebte eine schöne Frau. Miniaturen

  • Klappentext:
    Antal Szerb, Ernö Szép und Gyula Krúdy - drei der bedeutendsten ungarischen Erzähler des 20. Jahrhunderts und glänzende Stilisten: Zwischen 1920 und 1940 erschienen ihre kurzweiligen, geistreichen und pointierten Feuilletons, Glossen und Essays in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften.
    Mit feiner (Selbst-)Ironie und hintersinnigem Humor wandten sie sich alltäglichen und zeitlosen Themen zu - und immer wieder den Frauen und der Liebe. Die Texte vermitteln nicht nur ein farbiges und plastisches Bild der Epoche, sondern sind oft von geradezu verblüffender Aktualität.
    Die 31 Texte erscheinen hiermit erstmals auf Deutsch und mit einem Vorwart von György Dalos. Übersetzer und Herausgeber Ernö Zeltner hat die Texte mit hilfreichen Anmerkungen versehen.
    (von der Verlagsseite kopiert)


    Zum Herausgeber:
    Ernő Zeltner, geboren 1935 im ungarisch-österreichischen Grenzgebiet, zweisprachig aufgewachsen, studierte zwischen 1953 und 1956 in Budapest Ungarische und Deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft. 1956 Flucht nach Wien. Übersetzer von Sándor Márai, Miklós Vámos, Pál Závada u.a. 2010 wird Ernő Zeltner für seine Verdienste um die ungarische Literatur mit der ›Pro Cultura Hungariae‹-Medaille geehrt. (von der Verlagsseite kopiert)


    Zu den Autoren:
    Gyula Krúdy
    Ernö Szép
    Antal Szerb



    Allgemeines:
    Erzählungen, Kurzgeschichten und Stimmungsbilder dreier ungarischer Autoren mit einem Vorwort von György Dalos.
    Jeder Autor wird eingeführt mit Foto und Kurzbiographie, verfasst von Ernö Zeltner. Anmerkungen des Herausgebers, Quellenverzeichnis mit Kennzeichnung der bereits auf Deutsch erschienenen Titel. Insgesamt 277 Seiten
    Gyula Krúdy 12 Texte 86 Seiten
    Ernö Szép 11 Texte 77 Seiten
    Antal Szerp 8 Texte 86 Seiten


    Inhalt:
    Zweierlei verbindet die Autoren trotz der Verschiedenheit ihrer Themen und ihres Stils: Die Blütezeit ihres literarischen Schaffens liegt zwischen 1910 und 1930, und Budapest war das Zentrum ihrer Arbeit und oftmals Thema und Ort ihrer Geschichten.


    Eigene Meinung / Bewertung:
    Befragt nach ungarischen Autoren des 20. Jahrhunderts wäre mir, wie vermutlich vielen deutschen Lesern, nur Sándor Márai eingefallen. Auch die Bedeutung Budapests als Kulturmetropole der Zeit gehört eher zu den Randbezirken unseres Wissens. Beiden Bildungslücken hilft dieses Buch ab.


    Gyula Krúdy ist die schillernste Gestalt der drei. Seine Begabung trat früh zutage, und sein erster Roman erschien als Fortsetzungsgeschichte in einer Zeitung, als er noch keine 20 war. Zwei Ehefrauen und fünf Kinder hinderten ihn nicht, durch die nächtlichen Straßen Budapests zu ziehen und sich mit Glücksspiel, Zechgelagen und skandalträchtigen Liebesgeschichten zu amüsieren, die gleichzeitig Nährboden für sein umfangreiches Werk (1400 Novellen, 87 Romane, u.a.) waren.
    Im Mittelpunkt der Krúdy-Sammlung hier stehen die erfolgreichen Sindbad-Geschichten; die Figur, deren Name einer der Geschichten aus 1001 Nacht entliehen ist, wird zu Krúdys Alter Ego, der sich von einer Frau ins Bockshorn jagen lässt, über gutes Essen schwadroniert und sich nach seinem Tod, als Gespenst die Orte seiner einstigen Missetaten aufsuchend, an das süße Leben in Gasthöfen und an der Seite schöner Frauen erinnert. Auch die anderen Herren Protagonisten gehören zur selben Sorte: Der Schriftsteller, den unerwartete Publicity am Schreiben hindert, der hilfsbereite Betrüger, der Dandy, der Nostalgiker. Es scheint, als hätte der Autor autobiographische Erlebnisse oder Personen seines Umfeldes genauestens und mit ironischem Augenzwinken betrachtet und in einen möglichst abstrusen Kontext gesetzt.


    Ernö Szep, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, war zu seiner Zeit trotz vier Romanen eher als Bühnenautor, Lyriker und Texter von Varietéliedern bekannt. Durch Arbeitseinsatz im 2. Weltkrieg und die Verfolgung als Jude krank und gebrechlich sank nach dem Krieg auch sein literarischer Stern.
    Abgesehen von einer Erzählung verwendet Szep durchgehend die Ich-Erzähler-Perspektive. Seine Figuren sind konkrete Menschen, in der Mehrzahl arme Schlucker, die an materieller Not und / oder Einsamkeit, Liebesschmerz oder –sehnsucht leiden und sich durch kleine Finten – Bettelei, Betrügerei, Schwindelei – das Leben erträglich machen. Szep ist DER Geschichtenerzähler der drei, pointiert und spritzig, und mein persönlicher Favorit.


    Antal Szerb stammt aus einer zum Katholizismus konvertierten jüdischen Familie der Bildungsschicht, begann als Lyriker und Verfasser literaturwissenschaftlicher Essays, schrieb später auch Glossen und kurze Texte für Zeitungen. Bis in die 1940er Jahre arbeitete er nach Studien in verschiedenen Ländern Europas als Lehrer. Seine Ungarische Literaturgeschichte wird heute noch gedruckt.
    Szerb geht in seinen Texten Gedankenspielereien nach. Assoziativ und spielerisch kreist er um menschliche Verhaltensweisen, Wortbedeutungen, Ludwig XIV., die Engländer und immer wieder um die Liebe.


    Auffallend, dass bei allen drei Autoren Frauen als Objekte der Liebe, der Anbetung oder des Begehrens eine große Rolle spielen, aber keine Geschichte aus der Sicht einer Frau erzählt wird.
    Wenn es die Absicht des Herausgebers Zeltner war, deutsche Leser auf die Literatur seiner Landsleute neugierig zu machen, so dass man nun auch nach deren Romanen Ausschau hält, so hat er sein Ziel sicher erreicht.


    Weniger geglückt: Seine Anmerkungen, die nach Seitenzahlen gelistet sind. Aus dem Fließtext ist für den Leser nicht ersichtlich, ob er evtl. eine zusätzliche Information oder Quelle nachschlagen kann. Mit Fußnoten zu arbeiten wäre hilfreicher gewesen.


    Fazit:
    Noch nie war es so leicht, drei hierzulande relativ unbekannte Autoren in einem Buch intensiv kennen zu lernen, die wichtigsten Daten ihrer Vita zu erfahren und sich mit ihrem Stil und ihren Themen anzufreunden.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Liebe Marie
    Und wieder einmal ein Buch das hier nicht gefunden wird weil „ Kein Autor angegeben“ dabeisteht und Ernö Zeltner einfach nur als Übersetzer zu bezeichnen finde ich unmöglich #-o , dieses Buch könnte ruhig unter seinen Namen stehen, wer gerne ungarische Literatur liest kommt an ihn nicht vorbei. Aber vielleicht sind wir Österreicher den Ungarn nicht nur geographisch näher. :lol:
    Aber auch hier im Büchertreff sind zumindest zwei der angesprochenen Autoren vertreten.


    Gyula Krúdy - Das Gespenst von Podolin
    Krúdy: Das Gespenst von Podolin


    Antal Szerb - Reise im Mondlicht
    Antal Szerb Reise im Mondlicht
    da wird dir bestimmt das Cover besonders bekannt vorkommen.


    Aber auch sonst hat Ungarn so einiges zu bieten :wink:


    z.B. Péter Esterházy - Harmonia Caelestis - ist ein ganz wunderbares Buch :thumleft:


    Zsolt Harsányi - Mit den Augen einer Frau - das hab ich in meiner jugendlichen Herz –Schmerz Phase verschlungen. :love:


    und zu Imre Kertész brauch ich ja nichts zu sagen, einfach grandios
    Imre Kertész - Roman eines Schicksallosen


    ja und dann gibt es noch
    Ferenc Molnár, László Németh, Magda Szabó, Sándor Márai, Sándor Petőfi, László Márton und, und, und...... :winken:


    Liebe Grüsse Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Aber vielleicht sind wir Österreicher den Ungarn nicht nur geographisch näher.


    Das dachte ich mir, und aus diesem Grund schrieb ich:

    wie vermutlich vielen deutschen Lesern


    Dass Zeltner nur als Übersetzer angegeben ist, hat das Programm via ISBN von Amazon übernommen. Ich habe daher kurze biographische Daten angefügt, dass man sich zumindest ein Bild machen kann.


    Imre Kertész und Magda Szabó kenne ich auch. ](*,) Aber irgendwie waren sie mir nicht präsent. Ansonsten danke ich Dir für die weiteren Namen. Ich freue mich immer, Unbekannte kennenzulernen.

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  • Hallo, Marie!


    Herzlichen Dank für deine Buchvorstellung, die mich ausgesprochen neugierig gemacht hat. Ich bin in letzter Zeit auf den Geschmack von Kurzgeschichten und kurzen Erzählungen gekommen, und gerade die Zusammenstellung dieser Autoren und eben aus diesem Herkunbftsland isf für mich überaus interessant.


    Danke!


    Viele Grüße
    Buchfresser

  • @ Buchfresser,
    das freut mich sehr, denn normalerweise stehe ich mit meinem Faible für Erzählungen und Kurzgeschichten im Forum ziemlich alleine da. :friends:

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  • Hallo, Marie!


    Ich hab auch immer das Gefühl gehabt - bis eben, um genau zu sein - mit meinem Interesse an Kurzgeschichten ziemlich allein zu sein. Nochmals Danke für den Tipp.


    Wie bist du auf diese Sammlung aufmerksam geworden?


    Ich kannte bislang nur Antal Szerb, zumindest dem Namen nach, und ich glaube, diese Zusammenstellung von Erzählungen bietet mir eine gute Chance, seinen Stil kennen zu lernen.


    Viele Grüße
    Buchfresser

  • @ Buchfresser,
    ich habe auf der Verlagsseite von dtv gestöbert, und dabei ist mir das Covergemälde der unterkühlten 1920er Jahre-Schönheit von Christian Schad ins Auge gefallen. Mit einem Gemälde, das ich mag, auf dem Cover kann man mir (fast) jedes Buch verkaufen.

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