Dostojewski, Fjodor - Die Sanfte

  • Der Ich-Erzähler und Pfandleiher heiratet seine Kundin.


    Sie ist gerade mal 16 Jahre, sehr schön und ein Opfer des frühen Todes der Eltern. Durch die Aufnahme bei Tanten fand sie zwar eine Unterkunft, die sie aber mehr als Putzfrau einstufen denn als eine Verwandte. Auch klingt es heraus, dass sie gebildeter ist und von höherem Stande entspringt als der Erzähler, was sie, die Sanfte als williges Opfer für seine Verfehlungen macht. Denn mit seinem Geld, was er zum von in Not geratene Menschen erzielt, (wie auch sie einst den Schmuck ihrer Mutter verpfändet hat) kauft er sie bei den Tanten los. Sein Beruf wird immer zwischen ihnen stehen!


    Er selber ist auch ein Opfer der Zeit, denn zu seinem Beruf ist er durch die Missachtung des Ehrenkodex gekommen. Man wirft ihm Feigheit vor, weil er sich nicht duelliert hat, sondern eine geringe Verfehlung mit Hinwegsehen begegnet ist. So wurde er aus dem Regiment und Stand verstoßen, mit 3000 Rubeln musste er neu beginnen und er wählte den Weg des geringsten Widerstandes, obwohl er widersteht …


    In dieser Erzählung findet der Leser gleich zwei Opfer-Täter und deren Geschichte. Auffallend hierzu ist die Ähnlichkeit der „Kreutzersonate“ von Tolstoi sowie der Roman seiner Frau Tolstaja „Eine Frage der Schuld“. Alle Drei, also auch „Die Sanfte“ von Dostojewski, sind sehr empfehlenswerte Erzählungen, die ich gerne gelesen habe.

  • Zur Kreutzersonate habe ich hier im Forum bereits geschrieben. Die Analogie zur Sanften habe ich in der Form nie gezogen, aber dein Hinweis ist da wirklich sehr scharfsinnig.

  • In dieser Erzählung findet der Leser gleich zwei Opfer-Täter und deren Geschichte.


    Mir fiel es eher schwer im Erzähler auch ein Opfer zu sehen. Auch wenn er in der Vergangenheit Ungerechtigkeiten erlebte und man seine Verzweiflung und Einsamkeit im Buch gut spührte, wirkte er auf mich dennoch sehr berechnend, ignorant und sadistisch. Obwohl ich zu Beginn (und eigentlich auch bis zum Schluss) keine Sympathie für ihn empfinden konnte, hat mich die Geschichte fesseln können. Dostojewskij gewährt einem hier Einblicke in die Gedanken eines Menschen und durch seine Sicht kann man auch das Schicksal seiner Frau erahnen. Recht interessant fand ich auch die Analyse dieser kurzen Geschichte im Nachwort von Birgit Harreß. Für mich ist es ein Büchlein, das man nach dem Lesen nicht sofort weglegen und mit dem nächsten gleich beginnen kann. Es benötigt ein wenig Zeit zum Verdauen. Von mir daher :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne.

    "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste."
    Heinrich Heine


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